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Neue Medizintechnik: Maschinenbau im Mikrokosmos

Neue Medizin braucht neue Technik. Die Berliner Firma Scienion, die Biochips entwickelt, profitiert davon.

Berlin - Der Kern der Technik sieht aus wie ein Kugelschreiber: Doch statt Tinte verschießt die Düse winzige Tropfen, jeder davon so klein wie ein Staubkorn. 1000 Mal pro Sekunde feuert die Düse, die Munition sind winzige Moleküle, die auf einer darunterliegenden Platte landen. Schritt für Schritt entstehen so hinter einer Glasscheibe bei der Berliner Firma Scienion Biochips – kleine Plättchen aus Metall, Silizium oder Glas, auf denen DNA-Bruchstücke oder Proteine kleben. Mit Computerchips haben sie bis auf den Namen nur wenig gemein; Labore testen mit ihnen Blut oder Gewebe auf Erreger, Medikamentenwirkung oder Allergien.

Bislang wurde die Technik vor allem in der Forschung verwendet. Die Biochips waren zu teuer und unzuverlässig für den Routineeinsatz in der Klinik oder in der Arztpraxis. Das hat sich geändert. Biochips entstehen heute wie am Fließband, Systeme wie die von Scienion haben das möglich gemacht. Die Kosten sanken so in den vergangenen Jahren von mehreren hundert auf wenige Euro pro Chip.

Vor neun Jahren hat die Firma Scienion angefangen, heute sitzt sie in Berlin-Adlershof und Dortmund. Am Max- Planck-Institut für Molekulare Genetik hatten der heutige Vorstandsvorsitzende, Holger Eickhoff, und sein Team eine Methode entwickelt, Biochips schneller und präziser herzustellen als die Konkurrenz. „Doch darauf hatte die Welt nicht gewartet“, sagt Eickhoff. Vor allem das Herstellungsverfahren interessierte die Kunden; produzieren wollten sie lieber selbst. Heute liefert Scienion vor allem Know-how an Firmen wie Siemens. Die Technik steckt in Diabetes-Pens zur Messung des Blutzuckerspiegels, in Viren- oder Trinkwasser-Tests. „Wir sind zum Maschinenbauer geworden", sagt Eickhoff. Ein Biochip könne oft mehr als ein herkömmlicher Test, der etwa nur anzeige, ob ein Patient allergisch gegen Walnüsse sei. Ein Chip sage zugleich, ob das Fruchtfleisch, die Schale oder Nüsse aus einer bestimmten Region die Immunreaktion auslösen. Zwar ist der Test in der Anschaffung teurer. Weil er aber auf einmal mehr Ergebnisse liefert, ist er pro Analyse günstiger.

Manche Tests haben sich zu echten Umsatzbringern entwickelt, wie die Untersuchung auf Humane Papilloma-Viren (HPV), von denen manche Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Einen wahren „Blockbuster“ nennt Andreas Weimann von der Berliner Charité den HPV-Chip. Auch die Gesetzlichen Kassen zahlen die Untersuchung – bisher eine Ausnahme.

Doch solange die Technik nicht vollautomatisch funktioniert, braucht es in der Klinik spezialisiertes Personal. „Die Chiptechnologie ist innovativ, doch oft noch recht kompliziert“, sagt Weimann. Er testet derzeit in der Klinik einen Scienion-Chip. Zum ersten Mal seit langem hat die Firma wieder ein fertiges Produkt entwickelt. Er soll helfen, das Risiko einer Thrombose einzuschätzen, wenn also ein Blutpfropf droht, Gefäße zu verstopfen. „Mit dem Chip können wir sagen, welches Risikoprofil der Patient hat, und zugleich empfehlen, welche Medikation die richtige ist“, sagt Weimann. Denn nicht jeder Patient baut die blutverdünnenden Thrombose-Arzneien gleich schnell ab. Welche Dosis für wen die richtige ist, könnte schon ab nächstem Jahr der Chip zeigen. „Die personalisierte Medizin ist etwas, das kommen muss und wird“, sagt Eickhoff. Wenn das geschieht, muss einer die Technik dafür liefern. „Das ist gut für uns.“Laura Höflinger

Laura Höflinger

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