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Ton in Ton. In dieser Saison geht es naturnah zu. Neutrale und mineralische Farbtöne sind bei Töpfen hierzulande dagegen schwer zu finden. Diese hier wurden in Vietnam produziert.

© Ken Schluchtmann/Grigioverde

Neue Pflanzgefäße aus dem Pop-Up-Store: Scherben bringen Glück

Getöpfertes Einerlei war einmal. Gärtnerin Ulrike Pott möchten mit anderen Upcyclern Berlins Balkone und Terrassen erobern

Der Drang, inner- und außerhalb von Gebäuden echte Landschaften zum Leben zu erwecken, ist mit der Pandemie gewachsen. Hier entstehen extravagante Statements zum Thema Landschaftsbau in Innenräumen, scheinen Pflanzen buchstäblich aus Decken, Wänden und Böden zu wachsen, dort blühen Balkons in nie gesehener Pracht. Ein Zuhause im Einklang mit der Natur – das wäre es doch! Zwar bedarf ein Indoor-Biotop nicht zwingend einer aufwendig angelegten Wiese anstelle eines Teppichs. Doch etwas Exklusivität darf schon sein: Ein neuer Pop-Up-Store, der in Kreuzberg bis 4. September geöffnet hat (Grigioverde, Graefestraße 65a), steht für den Trend und will den Herbst-Blues gleich im Keim ersticken. Wer Kreativität und Wagnis zu paaren weiß – mit eigenwilligen, individuellen und farbenfroh-kombinierten Zusammenstellungen – benötigt neben den richtigen Pflanzen und den zugehörigen Pflanzplänen nur noch die richtigen Pflanzgefäße, um der langsam heranziehenden kalten Jahreszeit etwas entgegenzustellen.

Hobby-Gärtnerin Ulrike Pott hat jahrelang nach schönen Töpfen gesucht und sie nicht gefunden. „Vor allem nicht in Berlin und Umland“, sagt sie. Deshalb hat sie sich ein Herz gefasst und Töpfe nach ihren Vorstellungen in Vietnam produzieren lassen. Wer die einschlägigen Internet-Portale verfolgt und verschiedene Baumärkte nach schönen Pflanzgefäßen abgegrast hat weiß: Gar nicht so einfach, da etwas Exquisites zu finden.

Aus alten und neuen Materialien entsteht ein neues Gesamtbild

So greifen geübtere Hände zur Selbsthilfe: Mehr oder weniger rasch entstehen Design-Ensembles aus bereits vorhandenen, manchmal gegensätzlichen Elementen. Produkte, Formen, Farben und Materialien werden dabei kontraststark und kreativ zu einem fröhlichen, neuen Gesamtbild kombiniert. Kräftige Pflanzen wie die Pinie und farbenfrohe Blumen wie der Rittersporn im Mittelpunkt, die sich in liebevoll verspielte Interieur-Ideen einbetten. Durch kreatives Upcycling bekommen Produkte eine neue und persönliche Bedeutung. Basismaterial sind Gebrauchsgegenstände und Verpackungsmaterialien, die sich in Design-Objekte verwandeln lassen. Eine breit gefächerte Farbpalette steht symbolhaft für die Diversität und Vielfältigkeit der heutigen Lebenswelt. Leuchtende Akzente wie Gelb und Orange sind genauso gern gesehen wie Pastellfarben und gedeckte Töne. Regeln für Muster werden über Bord geworfen. Der Keller wird ausgeräumt, alte Gefäße und Möbel neu interpretiert und kombiniert.

Nicht (nur) von Pappe ist die Installation. Sie zeigt, wie ausgediente Alltagsgegenstände nach einem mutigen Handgriff das Leben schöner machen.
Nicht (nur) von Pappe ist die Installation. Sie zeigt, wie ausgediente Alltagsgegenstände nach einem mutigen Handgriff das Leben schöner machen.

© Wilfried Overwater/tollwasblumenmachen.de

Der Kroton, bekannt für seine Wandelbarkeit, wird als Zimmerpflanze zum Repräsentanten dieses „Re-assemble“ Trends. Die immergrüne Charakterpflanze wechselt im Lauf der Zeit ihre Blattfarbe. So kommt sie immer wieder neu zur Geltung. An der Seite des Krotons: Bunt blühende Pflanzen wie die Anthurie und Bromelien. Mit exotischen Blumen wie der Protea und Strelitzie entsteht ein wunderbares Wechselspiel mit grünen Zimmerpflanzen wie der Pilea oder vielfältigen Sukkulenten. Sie sprießen beispielshalber in alten Regalen, die raffiniert zum Pflanzenbeet gestaltet werden. Ebenso können Plastiktaschen und Körbe als Pflanztopf umgedacht werden.

Es müssen nicht immer Geranien sein

Was im Innenraum klappt, eignet sich ebenso hervorragend für die Außengestaltung. Hier geht es Ulrike Pott nicht nur um die Pflanzgefäße, sondern auch um eine andere Art der Balkonbepflanzung. „Auf Berliner Balkonen kann und sollte es in Zukunft mehr und anderes als Geranien geben. Ich möchte andere Heimgärtner inspirieren, auf ihrem Balkon, Hinterhof etc. auf mehrjährige, heimische Stauden zu setzen“, sagt sie. Das sei nicht nur „nachhaltiger“ als jedes Frühjahr ins Gartencenter zu rennen, um neue Pflanzen (und Blumenerde) nach Hause zu schleppen und in Kästen zu pflanzen, aus denen die eingegangenen Vorjahresexemplare gerade entsorgt wurden. Sondern in der Regel sei das auch viel schöner und biete heimischen Insekten und Vögeln Nahrung und Schutz. „Sieht selbst im Winter noch aufregend aus“, sagt Pott. Damit die Bepflanzung mit Stauden auch für unerfahrene Gärtner klappt, gibt sie zu jedem gekauften Topf einen Pflanzplan für die jeweilige Sonnensituation als Geschenk dazu. Aber warum denn handgefertigte Töpfe aus Vietnam und nie gesehene Hochbeetmodelle aus der Prignitz und aus Polen?

Richtig gebrannte Keramik aus Vietnam widersteht dem Frost

„Vietnam hat eine sehr lange Tradition in der Herstellung von Keramik“, sagt die Unternehmensgründerin: „Man findet dort Hersteller, die die Keramik sehr heiß brennen können. Das ist wichtig, damit die Gefäße frostfest sind.“ Und sie fand dort Hersteller, die bereit sind, auch kleinere Stückzahlen nach Vorstellungen des Auftragsgebers zu produzieren. Zudem – sagt die gelernte Volkswirtin Pott – sei Vietnam das erste Entwicklungsland, mit dem die EU ein Freihandelsabkommen getroffen hat. Dies bedeutet, dass Vietnam sich auch um Themen wie nachhaltige Entwicklung, den Schutz von Arbeiterrechten und den Klimawandel kümmern muss. Hinzu kommt ein Umstand, der Europa im allgemeinen und Deutschland volkswirtschaftlich die Erde abgraben könnte: „Mit niemanden konnte ich auf so schnelle und einfache Art Kontakt aufnehmen wie mit den vietnamesischen Produzenten“, sagt Pott, die infolge der Coronabedingungen vor allem auf das Internet angewiesen war, um ihr Start-up aufzustellen.

Auch zur kälteren Jahreszeit können Garten und Balkon ihre Vorteile ausspielen: Hier gibt es genügend Spielraum für große Ideen. So können winterharte Pflanzen in farbenfrohen Übertöpfen geschickt zwischen Bambusrohre gehängt werden. Alte Einkaufstüten werden mit Erde befüllt und mit Bändern stabilisiert, schon ist Platz da für die immergrüne Pinie.
Auch zur kälteren Jahreszeit können Garten und Balkon ihre Vorteile ausspielen: Hier gibt es genügend Spielraum für große Ideen. So können winterharte Pflanzen in farbenfrohen Übertöpfen geschickt zwischen Bambusrohre gehängt werden. Alte Einkaufstüten werden mit Erde befüllt und mit Bändern stabilisiert, schon ist Platz da für die immergrüne Pinie.

© Blumenbüro Holland

So leicht der Kontakt zu potentiellen Produzenten in Vietnam war – so schwer war alles, was dann folgte. Pott musste natürlich die Einfuhrvorschriften der EU einhalten. „Das alleine hat mich Wochen an Recherche gekostet, was da alles zu beachten ist.“ Und die Produkte müssen „REACH-konform“ sein. Das heißt, alle Vorschriften der EU bzgl. Chemikalien-Vorschriften müssen eingehalten werden. „Letztlich habe ich alle meine Produkte in einem deutschen Labor testen lassen, um sicher zu gehen, dass meine Produkte den EU-Vorschriften genügen“, sagt die Autodidaktin, die bisher nur Tontöpfe für den Außenbereich – also mit Abflusslöchern – vertreibt.

Gegen diesen Aufwand mutet die Produktion der Pott’schen Hochbeetmodelle fast schon wie ein Spiel im Schulgarten an: „Über Freunde habe ich mit einem tollen Bildhauer und Handwerks-Genie in der Prignitz einen Partner gefunden, um neue Materialien auszuprobieren und gemeinsam meine beiden Hochbeete zu entwickeln und zu bauen. Ein Quantensprung an Haltbarkeit gegenüber herkömmlichem Holz“, sagt Pott.

Raue Materialien und Naturtöne sind derzeit en voque

Ein Biotop muss – so oder so – nicht riesig sein. Es kann der kleine wilde Garten auf der Terrasse, dem Balkon, der Mix aus Topfpflanzen im Wohnzimmer oder die kreative Blumeninstallation im Flur sein. Die Materialien sind aktuell eher rau und basieren vor allem auf natürlichen Texturen. Rohstoffe wie Stein, Holz, Bambus und Kork sowie Naturtöne wie Sand, Pilzgrau und Olivgrün dürfen bei einem „Balanced Biotope“-inspirierten Interior nicht fehlen.

Eine Auswahl verschiedener Pflanzen in unterschiedlichen Größen und Farben ist in Kombination mit Töpfen, die in Textur und Form variieren, das A und O jeder gelungenen Kollektion und Komposition. „Ich habe mir für viel Geld viele Keramikscherben per Luftpost zuschicken lassen, weil man weder die Sensorik noch die Farben übers Internet wirklich erfassen kann“, sagt Ulrike Pott über den Beginn ihres beruflichen Neustarts.

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