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Wirtschaft: Neue Vorwürfe gegen Siemens-Führung

Ex-Arbeitnehmervertreter Schelsky will Gegengewicht zur IG Metall auf Anweisung aufgebaut haben

München - In der Affäre um verdeckte Zahlungen zugunsten der Arbeitnehmerorganisation AUB hat der Ex-Vorsitzende der Vereinigung, Wilhelm Schelsky, Siemens schwer beschuldigt. Schelsky, der seit Mitte Februar in Haft sitzt, behauptet, dass Siemens ihm Anweisung gegeben habe, mit der AUB eine Konkurrenz zur IG Metall aufzubauen. „Ich war verdeckt als Lobbyist für Siemens tätig“, wird Schelsky vom Magazin „Stern“ zitiert. Der Plan sei aus dem Zentralvorstand gekommen. „Ich sollte mit dem Geld eine Dachorganisation aufbauen“, sagt Schelsky.

Über Beraterfirmen hatte der AUB- Gründer allein seit dem Jahr 2001 angeblich rund 45 Millionen Euro von Siemens erhalten. Er konnte nach eigenen Angaben weitgehend frei über das Geld verfügen. „Ich war von Siemens vollständig unabhängig in der Ausgestaltung meiner Auftragserfüllung.“ Es habe weder Vorschriften über die Inhalte seiner Tätigkeit noch eine Aufforderung gegeben, Siemens Bericht zu erstatten. Schelsky hatte die AUB über Jahre mit dem Siemens-Geld subventioniert. Er bestreitet aber, dass Siemens versucht habe, AUB-Betriebsräte zu bestechen. Die AUB hat nach eigenen Angaben bundesweit 32 000 Mitglieder und stellt 19 000 Betriebsräte.

Siemens wollte sich mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht zu den Aussagen Schelskys äußern. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg wirft ihm Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Untreue vor. Schelskys Anwalt hatte am Dienstag Haftbeschwerde eingelegt mit dem Argument, es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr gegen Schelsky. Sein Mandant habe im Auftrag von Siemens gehandelt und sich nicht persönlich bereichert. Der Nürnberger Staatsanwalt Andreas Quentin sagte dem Tagesspiegel, der Ermittlungsrichter müsse nun über eine Freilassung Schelskys entscheiden. Die Staatsanwaltschaft werde in den nächsten Tagen dazu Stellung nehmen.

Die IG Metall sieht ihren Verdacht bestätigt, dass der Siemens-Konzern mit Schelskys Hilfe eine Gegenorganisation nach ihrem Geschmack gezüchtet hat. „Jetzt ist klar, dass das von ganz oben angezettelt war“, sagte Wolfgang Müller von der IG Metall München. Die IG Metall habe Anhaltspunkte, dass Schelsky und die AUB bei Entscheidungen im Unternehmen im Auftrag der Konzernführung gehandelt hätten. Die Gewerkschaft hatte im April wegen der ihrer Ansicht nach illegalen Begünstigung der AUB bei Betriebsratswahlen Strafantrag gestellt. „Die Stoßrichtung unseres Strafantrags wird durch Schelskys Aussagen eindrücklich bestätigt“, sagte IG-Metall-Sprecher Jörg Köther.

Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer forderte die AUB-Vertreterin im Siemens-Aufsichtsrat, Hildegard Cornudet, zum Rücktritt auf. Cornudet wies dies zurück. Die Art und Weise, wie die Organisation finanziert worden sei, sei zwar nicht in Ordnung, die einfachen Mitglieder hätten davon aber nichts gewusst, sagte sie. Auch die AUB distanzierte sich von den Äußerungen ihres Ex-Chefs Schelsky. „Sollte es richtig sein, dass es zwischen Siemens und der Unternehmensberatung Schelsky ein Vertragsverhältnis hinsichtlich des Aufbaus der AUB gab, hatten wir hiervon keine Kenntnis und distanzieren uns entschieden", sagte die erste stellvertretende Bundesvorsitzende der AUB, Ingrid Brand-Hückstädt.

Auch der zwischenzeitlich inhaftierte und inzwischen beurlaubte Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer hat gegenüber der Staatsanwaltschaft Nürnberg eingeräumt, dass Schelsky von Siemens finanziert wurde. „Herr Feldmayer hat ausgesagt, dass Schelsky als Lobbyist finanziert wurde, um die AUB zu stärken“, sagte Feldmayers Anwalt Martin Reymann-Brauer dem Tagesspiegel.

Nicole Huss

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