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Seit knapp 100 Tagen amtiert Sybille von Obernitz als Berliner Wirtschaftssenatorin. Zuvor war sie beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag.

© Mike Wolff

Neue Wirtschaftssenatorin: Berliner Wirtschaft probt Aufstand gegen Obernitz

Mehrere Entscheidungen von Senatorin Sybille von Obernitz stoßen auf Unmut – und ihr Stil. Doch sie ficht das nicht an.

In der Berliner Wirtschaftspolitik wird ein neuer Ton angeschlagen. Nach dem außergewöhnlich ruhigen Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke), der sich im Verlauf der Jahre den Respekt der Wirtschaft erarbeitet hatte, eckt seine Nachfolgerin bereits nach wenigen Wochen an. Führende Berliner Unternehmerpersönlichkeiten sehen die von der CDU nominierte, parteilose Senatorin Sybille von Obernitz extrem kritisch. Auslöser der Unmutsäußerungen ist der Rücktritt von Peter Zühlsdorff als Aufsichtsratschef der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner.

Der erfahrene und finanziell unabhängige Manager galt als Gewinn für die Hauptstadt. Am Montag hatte er, wie berichtet, sein Mandat niedergelegt, offiziell „aus persönlichen Gründen“. Dem Schritt ging ein Treffen mit der Senatorin und dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, voraus, das mit dem Rücktritt endete.

Obernitz sagte dem Tagesspiegel am Dienstag, sie habe bei Zühlsdorff für eine engere Einbindung des Senats in die Wirtschaftsförderung werben wollen. Andere Quellen behaupten, sie habe den 71-Jährigen von oben herab behandelt. Kritik an ihrem Gesprächsstil üben mehrere Unternehmer und Verbandsvertreter, die aber allesamt ungenannt bleiben wollen. „Sie soll doch erstmal zuhören“, sagt einer. „Sie hat eine Meinung, bevor sie sich fachlich informiert hat.“ Ein anderer klagt, die Senatorin agiere schroff und zerschlage ohne Not Porzellan. Obernitz weist die Kritik zurück. „Ich strebe nach einem offenen Dialog, ich kann zuhören, aber ich behalte mir als Wirtschaftsenatorin durchaus das Recht vor, einen Standpunkt zu vertreten.“

Konkret gab es einen Dissens bei der Messegesellschaft, die beschlossen hatte, gemeinsam mit einer österreichischen Investorengruppe ein Kongresszentrum an der Landsberger Allee für Veranstaltungen mit 500 bis 2000 Teilnehmern zu bauen respektive zu betreiben. Obernitz revidierte diesen Beschluss in ihrer ersten Aufsichtsratssitzung. „Ich habe darum gebeten, diese Unterschrift nicht auszuführen, um eine sorgfältige Prüfung einzuleiten.“ Darum habe sie sogar Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) zuvor gebeten. Sie selbst habe zudem ordnungspolitische Bedenken, die Messe Berlin in Konkurrenz zu privaten Unternehmen treten zu lassen.

Mit den Privaten sind vor allem die großen Kongresshotels Estrel in Neukölln und Maritim in Schöneberg gemeint. Im Aufsichtsrat der Messe gibt es teilweise Verständnis für den Ansatz der Senatorin. Indes ist auch in Messekreisen von einem als „rotzig“ empfundenen Ton der Senatorin die Rede.

Verteidiger von Sybille von Obernitz schätzen dagegen die „klare Aussprache“ und ihren Plan, die Institutionen der Wirtschaftsförderung – Berlin Partner, Investitionsbank Berlin (IBB), die Tourismusgesellschaft Visit Berlin und die Technologiestiftung Berlin (TSB) – anders als bislang zu behandeln: „Mehr Führung ist gut.“

Die kritischen Stimmen scheinen zu überwiegen, doch Obernitz ficht das nicht an: „Den Wirtschaftsstandort Berlin weiter nach vorne zu bringen, ist allen Einsatz wert“, nennt sie als Fazit ihrer ersten 100 Tage im Amt, die am Wochenende erreicht sind. Zu dem Zeitpunkt wollte sie eigentlich in Saudi-Arabien sein, um dort an der Spitze einer 20-köpfigen Delegation für den Gesundheitsstandort Berlin zu werben.

Überraschend sagte Obernitz vor wenigen Tagen ihre Teilnahme ab, daraufhin platzte die gesamte Reise. Obernitz sagt zur Begründung, dass sie in der Senatssitzung am 6. März zwingend anwesend sein müsse – um welches Thema es geht, will sie vorerst nicht sagen. Die Reise soll im Herbst nachgeholt werden.

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