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Wirtschaft: Neuer Markt: Nur Qualitätsaktien werden den Crash überleben

Der Hype ist tot. Vorbei die Zeit, da Medizinstudenten, Taxifahrer und Büroangestellte immer heißere Wetten auf die jungen High-Tech-Unternehmen des Neuen Marktes eingingen.

Der Hype ist tot. Vorbei die Zeit, da Medizinstudenten, Taxifahrer und Büroangestellte immer heißere Wetten auf die jungen High-Tech-Unternehmen des Neuen Marktes eingingen. Falsche Propheten, Bilanztrickser und Größenwahnsinnige vernichteten das Geld der Anleger im Rekordtempo. "Es herrscht Darwinismus an Deutschlands Wachstumssegment", stellt der Kölner Vermögensberater Bert Flossbach fest. Auch die einstigen Giganten wie EM.TV, Intershop oder Brokat sind nicht davor gefeit, vom Kurszettel zu verschwinden. Lange Zeit schwörten Analysten, sie seien zu groß, um Pleite zu gehen - ein Irrtum. "In den kommenden Monaten werden immer mehr Aktien im Ein-Euro-Club willkommen geheißen", sagt der Anlageprofi. "Dieses Feld sollte man Zockern überlassen, denn hier bieten sich keine soliden Geldanlagen." Noch immer prägen risikobereite Anleger die Börse für Wachstumswerte, für die fundamentale Bewertungsmethoden keine Rolle spielen - sofern sie diese überhaupt kennen. Es geht auch anders.

Die wahren Blue Chips am Neuen Markt

Selbst am Neuen Markt erleben Anleger noch positive Überraschungen. Aixtron zum Beispiel: Der Kurs des Halbleiter-Zulieferers gewann seit dem ersten Handelstag im November 1997 bis heute mehr als 1100 Prozent. Aixtron gehört wie Singulus und Qiagen auch zu den Pionieren des Neuen Marktes. Das Aachener Unternehmen stellt Anlagen zur Produktion von Verbindungs-Halbleitern her, die Energie in Licht und Laserstrahlen umwandeln - oder umgekehrt. Damit bilden sie die Grundlage für LEDs, eine Beleuchtungstechnik, die 85 Prozent weniger Energie verbraucht als Glühbirnen. Aixtron ist als Weltmarktführer hervorragend positioniert. Die Branche wird langfristig mit 30 bis 40 Prozent im Jahr wachsen. Das Unternehmen ist frei von Schulden, und das Management hat seine Prognosen bislang stets erfüllt oder sogar übertroffen. Die Firma wurde jüngst für ihre hervorragende Investor Relations Arbeit ausgezeichnet. Aixtron ist die Ausnahme.

Eine Rarität, die demonstriert, dass es nicht reicht, eine Aktie zu kaufen und zu hoffen, dass eine Hausse die Notierungen auf schwindelerregende Höhen treibt. Zu viele der Himmelstürmer sind abgestürzt und werden wohl nie mehr fliegen. Es gilt, die Unternehmen genau zu durchleuchten und einer sorgfältigen Qualitätsprüfung zu unterziehen. Nach dem Einbruch des Neuen Marktes um gut 80 Prozent seit dem Hoch im März 2000, scheinen viele Aktien auf den ersten Blick recht günstig. "Trotzdem ist nicht alles preiswert, was billig ist", sagt Flossbach. "Nur wenige Unternehmen verfügen über ein attraktives Geschäftsmodell, nachhaltiges Umsatz- und Gewinnwachstum, eine grundsolide Bilanz und ein erstklassiges Management." Und nicht jede Aktie ist liquide.

Für Privatanleger ist es keine leichte Übung, ausgezeichnete Aktien aus dem übergroßen Angebot herauszupicken. Die Vermögensberatung Flossbach & von Stoch hat sieben top Neuer-Markt-Unternehmen herausgefiltert: Aixtron, FJA, Medion, Parsytech, Qiagen, Singulus und TV Loonland (siehe Tabelle). Nur Kandidaten mit erprobtem Geschäftsmodell und herrausragender Wettbewerbsposition hatten Chancen. "Wir haben keine Ideen gewählt, sondern gestandene Firmen, die alle Geld verdienen und qualitativ weit über dem Marktdurchschnitt liegen", erklärt Flossbach. "Hierbei handelt es sich nicht um die total zusammengebrochenen Werte mit vermeintlich riesigem Potenzial." Dafür dürften die Unternehmenstitel aber auch in zwölf Monaten noch auf dem Kurszettel zu finden sein. "Mir geht es um Investoren, nicht um Spieler, die in wenigen Wochen ihr Geld verdoppeln wollen", sagt der Stratege. Aber Vorsicht: Garantien auf Gewinne gibt es nicht. Aktien von Neuen-Markt-Unternehmen bleiben eine riskante Geldanlage. "Wenn man sieben Firmen vorstellt, werden mindestens ein bis zwei darunter sein, die die Erwartungen nicht erfüllen", schätzt der Profi.

Ein Unternehmen, das sich sehr gut gemacht hat, ist der Softwarehersteller FJA. Seit der Emission im Februar 2000 gewann die Aktie 56 Prozent, während der Nemax-50-Index 81 Prozent verlor. Das bereits 1980 gegründete Unternehmen hat sich auf den Versicherungssektor und die Finanzdienstleister spezialisiert. Der Wachstumsmarkt Altersvorsorge, vor allem die neuen Entwicklungen wie die "Riester-Rente", böten FJA ein hervorragendes Wachstumspotenzial, so die Analyse der Vermögensberater. Das Unternehmen erzielte 2000 rund 85 Millionen Euro Umsatz und verfügt über eine Nettokasse von 50 Millionen Euro. Dem Management wird ein gutes Gespür für Markt und Kunden attestiert.

Auch Qiagen besteht den Test der Kölner Spezialisten. "Im boomenden Biotechnologie-Sektor besetzt das Unternehmen als wichtiger Zulieferer eine Schlüsselfunktion", ist Flossbach überzeugt. "Sie erlaubt es dem Unternehmen, in den nächsten Jahren mit 20 bis 30 Prozent deutlich schneller als der Gesamtmarkt zu wachsen." Mit seinen Werkzeugen zur Genanalyse beherrscht das Unternehmen den Weltmarkt. Marktstellung und Produktqualität ermöglichen attraktive Gewinnmargen - 2000 waren es netto fast zehn Prozent. Das Management von Gründer und Qiagen-Chef Metin Colpan und Finanzvorstand Peer Schatz beeindruckt den früheren Investmentbanker durch sein Fach- und Finanz-Know-how. Die ambitionierten Wachstumsziele wurden bislang stets erreicht. Einziger Wermutstropfen: Für die Biotech-Aktie zahlen Anleger immer noch das 90-fache des für 2001 erwarteten Gewinns.

Die Aktien guter Unternehmen sind oft teuer. Das Verhältnis von Kursen zu Gewinnen (KGV) ist verglichen mit den Aktien der Dax-Unternehmen relativ hoch und spiegelt die hohen Wachstumschancen wider. Der Vermögensberater würde viele Aktien erst auf einem Niveau kaufen, das deutlich unter den aktuellen Kursen liegt. "Das gibt dem Käufer eine Sicherheitsmarge", sagt Flossbach. Es birgt aber auch die Gefahr, dass der Vermögensverwalter eine Aktie, die steigt und steigt, nicht im Depot hat.

Auch für Anlegerliebling Aixtron ist die Luft inzwischen dünn geworden. "Das Unternehmen ist aktuell zu hoch bewertet", urteilt Flossbach. "Entweder fällt der Kurs oder das Unternehmen wächst langsam in die hohe Bewertung hinein." Das würde eine langfristige Seitwärtsbewegung bei steigenden Gewinnen bedeuten. "Geduld wird sich hier auszahlen", sagt der Vermögensberater, der erst bei einem Kursniveau zwischen 32 und 38 Euro zum Kauf rät. Aktuell notiert die Aktie bei 41 Euro.

Wie Sie sich an der Börse behaupten

Es gibt noch eine klügere Strategie: "Nicht an einem Tag das ganze Pulver verschießen", rät Flossbach. Wer viel Geld investieren kann, kauft und verkauft besser in drei Schritten. Denn wer erwischt schon jeweils genau den Tief- beziehungsweise Hochpunkt einer Aktie? Die Salamitaktik mindert das Risiko, zu einem ungünstigen Kurs ein- oder auszusteigen. Wie viel Geld Anleger in Neue-Markt-Aktien stecken sollen, hängt von der Qualität und Bewertung der einzelnen Aktie und dem Risikoprofil des Anlegers ab. Von Penny-Stocks und Aktien aus dem Ein-Euro-Club sollten Anleger die Finger lassen. Mit Tagesschwankungen im zweistelligen Prozentbereich seien sie bestenfalls ein Ersatz für das Spielcasino. "Wir würden bis zu zehn Prozent in Topwerte aus dem Neuen Markt investieren, wenn die Bewertung niedrig genug ist", sagt Flossbach. "Derzeit haben wir mit Ausnahme einer kleinen Position in Singulus keine Neue-Markt-Aktien im Depot. Das könnte sich bei weiter fallenden Kursen ändern."

Catherine Hoffmann

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