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Vom neuen EU-Recht sind vor allem im Ausland lebende Rentner betroffen.

© Max Galli/laif

Neues EU-Recht: Wer sein Testament überarbeiten muss

Ein Testament zu schreiben ist keine angenehme Beschäftigung. Viele verfassen eines und tasten es jahrzehntelang nicht mehr an - ein Fehler. Denn neues EU-Recht kann das notwendig machen. Wer betroffen ist.

Es ist nur allzu menschlich: Mit dem eigenen Ableben beschäftigt man sich nicht gern. Ist dann endlich ein Testament geschrieben und sicher hinterlegt, bleibt es oft jahrzehntelang unangetastet. Das kann ein großer Fehler sein. Spätestens wenn sich die Lebens- oder Rechtsverhältnisse ändern, gehört der letzte Wille auf den Prüfstand. Das gilt zum Beispiel im Fall von Trennung und Scheidung, wenn ein neuer Pflichtteilsberechtigter (Kind, Enkel oder Ehepartner) hinzukommt oder auch wenn sich die eigenen Vermögensverhältnisse stark verbessern oder verschlechtern.

NEUES EU-RECHT
Ab diesem Jahr ist eine Überprüfung auch all denen zu empfehlen, die ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“ im Ausland haben. Denn ab dem 17. August dieses Jahres greift die europäische Erbrechtsverordnung, die alle EU-Staaten bis auf Dänemark, Großbritannien und Irland anerkannt haben. Wer als Deutscher in einem anderen Staat lebt, muss dann damit rechnen, dass sein Erbfall nach der ausländischen Rechtsordnung, nicht nach der deutschen, beurteilt wird. Das kann schwerwiegende Folgen haben. Frankreich, Italien und Spanien zum Beispiel erkennen das in Deutschland beliebte Ehegattentestament nicht an. Das heißt, die letztwilligen Verfügungen eines Paares, das zum Beispiel seinen Ruhestand auf den Kanaren verbringt, werden schlimmstenfalls komplett unwirksam.

Es kommt auf den Lebensmittelpunkt an

Was aber heißt „gewöhnlicher Aufenthalt“ im Ausland? „Entscheidend ist in der Regel, in welchem Land der Betreffende seinen Hauptwohnsitz beziehungsweise seinen Lebensmittelpunkt hat“, erklärt Rechtsanwalt Anton Steiner, Präsident des deutschen Forums für Erbrecht. „Dabei kommt es nicht unbedingt darauf an, wo jemand die meiste Zeit des Jahres verbringt.“

Wer beispielsweise in Berlin Haus und Familie hat und fünf Tage in der Woche in Wien arbeitet, hat seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland, nicht in Österreich. Wer sich aber als deutscher Rentner mehrere Jahre lang in einem polnischen Pflegeheim betreuen lässt, muss damit rechnen, dass nach seinem Tod polnisches Erbrecht greift.

TESTAMENTE ANPASSEN
Schwierig kann die Abgrenzung bei den sogenannten „Mallorca-Rentnern“ werden, die viel Zeit in Südeuropa statt im kalten Deutschland verbringen. Leben sie etwa die Hälte des Jahres im Ausland, ist die Frage nach dem Lebensmittelpunkt oft nicht leicht zu beantworten.

Vorsicht vor Doppelbesteuerung

Steiner empfiehlt generell, das Testament zu ergänzen. „Mit einer Rechtswahlklausel lässt sich bestimmen, dass für den Nachlass das deutsche Erbrecht gelten soll, und zwar unabhängig davon, wo der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat.“ Zumindest wenn dieser Ort in einem Land liegt, das die neue EU-Verordnung anerkennt, lässt sich das anzuwendende Recht so frei wählen.

Wichtig ist, zwischen Erb- und Steuerfragen zu unterscheiden: Die Rechtswahl innerhalb der EU ist im Wesentlichen auf die Rechte und Pflichten des Erblassers und seiner Erben beschränkt. Ob deutsches Steuerrecht Anwendung findet, lässt sich dagegen nicht festlegen. Deshalb kommt es in Erbfällen mit Auslandsbezug oft zu einer Doppelbesteuerung.

LEBENSUMSTÄNDE ANDERN SICH
Sehr viel häufiger als neue Rechtsregeln, wie die in der EU-Erbrechtsverordnung, sorgen die Lebens- und Familienverhältnisse dafür, dass ein Testament überarbeitet werden muss. Aber nicht immer reagieren die Betroffenen – oder ihre Testamentsänderungen greifen zu kurz. Welche dramatischen Folgen das haben kann, zeigt der berühmt-berüchtigte Erbrechtsfall der Familie Ostmann, lange Zeit Inhaber der Firma „Ostmann Gewürze“. Als die Hauptgesellschafterin, eine Enkelin des Gründers, sich scheiden ließ, änderte sie ihr Testament. Alleinerbin sollte nun ihre Tochter werden, die aus der gescheiterten Ehe stammte. Ihr Ex-Mann war damit enterbt.

Den letzten Willen regelmäßig überdenken

Dann aber kam es zu einem schweren Autounfall, in dessen Folge zuerst die Mutter, dann die Tochter verstarb. Das setzte eine fatale Erbfolge in Gang: Für kurze Zeit war die 17-Jährige Alleinerbin ihrer Mutter. Nach dem Tod des Mädchens ging der gesamte Nachlass an deren gesetzlichen Erben: den Vater. Dem fiel nun das gesamte Vermögen seiner Ex-Frau zu, inklusive der Gesellschaftsbeteiligung. Diese ungewollte Erbschaft hätte leicht verhindert werden können. „Viele bedenken nicht, dass sie für den Fall des Todes eines Erben einen oder mehrere Ersatzerben benennen können“, erklärt Fachanwalt Steiner. Dafür hätte ein Passus wie dieser genügt: Ich setze meine Tochter als Alleinerbin ein, ersatzweise meine beiden Brüder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

Eine nichtbeabsichtigte Übervorteilung eines Erben vermeiden

Der letzte Wille sollte auch dann überdacht werden, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Erblassers ändern. Das gilt etwa dann, wenn eine Immobilie im Wert stark steigt oder fällt. Beispiel: Ein Vater hat seine beiden Kinder als Erben eingesetzt und per Teilungsanordnung bestimmt, dass der eine Sohn das Wohnhaus im Emsland, der andere die vermietete Eigentumswohnung in Berlin bekommen soll. Steigt nun der Wert der Immobilie in Berlin kräftig, während der Preis für das Haus auf dem Land gleich bleibt oder gar sinkt, kann eine nicht beabsichtigte Übervorteilung eines Erben entstehen.

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