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Wirtschaft: Nicht mehr das Maß aller Dinge

Daimler-Aktionäre gehen auf der Hauptversammlung hart ins Gericht mit dem Autohersteller.

Berlin - Die Aktionäre des Autoherstellers Daimler haben sich am Dienstag bei der Hauptversammlung in Berlin vordringlich mit den Wettbewerbern beschäftigt – mit BMW und Audi. Nach einem herausragenden Jahr 2011, in dem Daimler so viel verkauft (1,38 Millionen Pkw) und verdient (sechs Milliarden Euro) hatte wie noch nie, zogen die Anteilseigner gleichwohl eine ausgesprochen kritische Bilanz.

„Daimler ist gut – aber die Konkurrenz ist besser“, sagte Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Absatz, Gewinn, Rendite, CO2-Emissionen, Aktienkurs – in der Tat waren die bayerischen Konkurrenten im vergangenen Jahr schneller, sauberer und effizienter als Daimler unterwegs. „Der Erfinder des Automobils, der wahrgenommene Innovationsführer, ist von anderen Konzernen überholt worden“, sagte Thomas Meier von der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen. Während Audi und BMW zweistellige Margen erzielt hätten, müsse sich Daimler mit neun Prozent begnügen. „Das Maß aller Dinge im Premiumsegment“, fügte sein Kollege Ingo Speich von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, hinzu, „sind heute Audi und BMW.“ Speich sprach von einer „verlorenen Dekade“ für Daimler.

Dem mochte Vorstandschef Dieter Zetsche erwartungsgemäß nicht zustimmen. Mit Blick auf die Rendite sagte er, Daimler habe zwar nicht im vergangenen Jahr, wohl aber im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre vor BMW gelegen. Zetsche bekräftigte zugleich die Ziele des Unternehmens für 2012 – mehr Absatz und Umsatz, stabiler operativer Gewinn –, bereitete das Auditorium zugleich aber auf ein „Übergangsjahr“ vor. Die hohen Investitionen von zusammen mehr als 21 Milliarden Euro unter anderem in die Entwicklung verbrauchsärmerer Motoren, neue Fahrerassistenz-Systeme oder Leichtbau- Werkstoffe in den Jahren 2012 und 2013 bedeuteten „natürlich eine Belastung“. Daimler sei „auf dem Weg zur Bestform, aber noch nicht am Ziel“, sagte der Daimler-Chef. Und dieses Ziel will der Autobauer 2020 erreichen: Nummer eins im Premium-Segment zu sein – vor BMW und Audi. Zetsche: „Wo wir nicht die Nummer eins sind, wollen wir es werden.“

Bis dahin muss Daimler nicht nur wachsen, sondern auch mit den Kosten runter. Produktions- und Einkaufsvorstand Wolfgang Bernhard, der als Zetsche-Nachfolger gehandelt wird, hatte unlängst gesagt, Mercedes müsse bis 2017 allein einen Anstieg der Einkaufskosten von sechs Milliarden Euro ausgleichen. Großaktionäre kritisierten am Mittwoch Daimlers mangelhafte Produktionseffizienz. Obwohl der Hersteller beim Umsatz je Pkw die Nase vorn habe, liege er bei der Rendite pro Fahrzeug hinten, sagte Stefan Bauknecht von der DWS, der Fondstochter der Deutschen Bank. „Die Erfolge verstellen den Blick auf das Wesentliche.“

Doch beim Rückblick auf die Zahlen von 2011 ließen sich die Aktionäre durchaus von der Zufriedenheit auf dem Podium anstecken. Mit Applaus honorierten die 6000 angereisten Anteilseigner Zetsches Auskunft, Daimler werde mit einer Dividende von 2,20 Euro pro Aktie dieses Jahr 40 Prozent des üppigen Gewinns an die Eigentümer ausschütten – 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Wohlwollend wurde auch zur Kenntnis genommen, dass Daimler „hervorragend“ ins Jahr gestartet ist. Mit 340 000 Pkw (Mercedes und Smart) habe der Hersteller im ersten Quartal zwölf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum verkauft, sagte Zetsche. Der März sei der stärkste Verkaufsmonat in der Konzerngeschichte gewesen.

Weil Aufsichtsratschef Manfred Bischoff wegen eines Sportunfalls die Hauptversammlung am Mittwoch im Berliner ICC nicht leiten konnte, war Aufsichtsratsmitglied Jürgen Hambrecht, früherer BASF-Chef, eingesprungen. Den Bericht des Aufsichtsrats präsentierte Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm – eine Premiere. „Mitbestimmung“, so Klemm, „hat bei uns einen festen Platz.“ Auch der Arbeitnehmervertreter ließ einen vorsichtigen Appell an den Vorstand in seine Rede einfließen: Die angestrebte Wachstumsstrategie von Daimler müsse zu mehr Profitabilität führen – und sicheren Arbeitsplätzen.

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