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Wirtschaft: Nichts bleibt beim Alten

Die Deutschen kommen in die Jahre – und ihre Kaufkraft nimmt zu. Die Unternehmen stellen sich darauf ein – aber nur ganz langsam

Wenn Götz George alias Schimanski bei der Jagd nach einem Verbrecher mal wieder über einen Zaun springt, reiben sich viele Zuschauer die Augen. Immerhin wird George in diesem Jahr 65 – und verzichtet trotzdem in den meisten Szenen auf ein Double. In das gängige Bild von den Alten passt der Schauspieler nicht. „Ältere Menschen sind flexibler, wohlhabender und fitter als früher“, sagt Wolfgang Twardawa, Marktforscher bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). „Für die Industrie ist das eine Riesenchance.“ Welche Zielgruppe hat schon so viel Geld in der Tasche und will eigentlich nur eines: das Leben genießen. „Trotzdem ist das noch nicht in den Köpfen der Marketingmanager“, sagt Twardawa.

Dabei hat die Generation „60-plus“ einiges an Kaufkraft zu bieten. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung verfügen die über 60-Jährigen über eine Kaufkraft von rund sieben Milliarden Euro – pro Monat. Da es immer mehr alte Menschen gibt, steigt auch deren verfügbares Einkommen in den kommenden Jahrzehnten stetig an. Sind heute noch rund 21 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen über 60 Jahre alt, werden es im Jahr 2030 schon 35 Prozent sein.

Nur, dass der Wohlstand der Alten sich nicht dynamisch mit entwickelt. Im Gegenteil: Reicher und wohlhabender als die heutigen Alten werden weitere Rentnergenerationen kaum noch sein. Darauf muss man sich einstellen – nicht nur als künftiger Rentner, sondern auch als heutiger Anleger: Wer seinen Lebensstandard im Alter sichern will, muss heute privat vorsorgen – und dabei genau darauf achten, dass er Anlageobjekte wählt, die vom Alterungsprozess profitieren.

So wäre es zum Beispiel wenig klug, eine Wohnung im fünften Stock eines mittelprächtigen Berliner Randbezirks zu kaufen, die keinen Aufzug hat, um fürs Alter vorzusorgen. Der Wert einer solchen Immobilie wird voraussichtlich sinken – genau so wie der allgemeiner Aktienzertifikate: Wenn nämlich die Baby-Boomer ihre Aktiendepots verkaufen, um ein gemütliches Alter zu verleben, könnten die Kurse durchsacken, mahnen Aktienexperten. Deshalb müssen Anleger von nun an genau darauf achten, was sie kaufen: Welche Branche, welche Unternehmen, welche Produkte profitieren, wenn in den nächsten Jahren der demographische Wandel spürbar wird.

Während die Sozialsysteme unter der veränderten Bevölkerungsstruktur ächzen, können Branchen und Unternehmen nämlich profitieren, wenn sie ihre Produkte und Leistungen den Bedürfnissen der älteren Generation anpassen. Noch hapert es daran. „In den Unternehmen arbeiten noch zu viele junge Leute im Produktmanagement. Da steht die ältere Zielgruppe nicht im Fokus“, sagt Marketingexperte Twardawa.

Und, noch komplizierter: Weil die meisten Senioren Wert darauf legen, dass sie eigentlich doch ganz jung geblieben sind, reicht es nicht einmal, sich auf Seniorenprodukte zu konzentrieren. Gesucht sind Unternehmen, die sich entweder ganz heimlich auf ältere Menschen einstellen, oder Branchen, die generell profitieren. Der Reiseveranstalter Studiosus zum Beispiel: Er hat bei vielen seiner Bildungsreisen Schonkost im Programm, einen mitreisenden Arzt an Bord oder einen Kofferservice für Gebrechliche (siehe Kasten). Bei Wanderreisen wird mit diskret verteilten Turnschuhen (einer für leichte, fünf Schuhe für schwierige Wanderungen) dafür gesorgt, dass niemand seine körperliche Leistungsfähigkeit überschätzt.

Abschreckend für die Hersteller, spezielle Produkte für ältere Kunden zu entwickeln, sind Untersuchungen, nach denen diese Zielgruppe speziell titulierte Senioren-Produkte meist ablehnt. So beschränken sich die meisten Firmen darauf, die wohlhabenden Alten in der Werbung anzusprechen. Vorreiter waren Firmen wie Nivea oder Tui, die in Spots und Anzeigen auf die ältere Zielgruppe setzen. Marktforscher Twardawa hofft, dass sich das auch irgendwann in besseren Produkten niederschlagen wird: „Mit einer älter werdenden Bevölkerung wird es auch immer mehr Produktmanager geben, die zur 50-Plus-Generation gehören.“

Maurice Shahd

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