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Möglicherweise müssen hunderte Schweine geschlachtet werden.

© dpa

Niedersachsen: Erhöhte Dioxin-Werte in Schweinefleisch nachgewiesen

Hunderte Schweine in Niedersachsen müssen wohl notgeschlachtet werden - in Proben lagen die Dioxinwerte im Grenzbereich. Ministerin Aigner fordert schärfere Vorschriften für Futtermittelhersteller.

In Niedersachsen ist nun erstmals auch ein stark erhöhter Dioxinwert in Schweinefleisch nachgewiesen worden. Mehrere hundert Schweine eines Betriebes müssten deshalb getötet werden, sagte Gert Hahne, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, am Dienstag in Hannover. In einem anderen Schweinemastbetrieb sei nach Ergebnissen von Probeschlachtungen ein Wert im Bereich des Grenzwertes ermittelt worden.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner will als Konsequenz aus dem jüngsten Dioxin-Skandal die Kontrolle von Futtermittelbetrieben verschärfen. Nach einem Treffen mit Vertretern der Landwirtschaft, Verbraucherorganisationen und der Lebensmittelwirtschaft plädierte die Ministerin am Montag in Berlin für schärfere amtliche Zulassungsvoraussetzungen für Futtermittelbetriebe. Zudem soll die Verarbeitung von Futtermittel- und Industriefetten streng getrennt werden. Darüberhinaus will die CSU-Politikerin die allgemeine Belastung der Bürger mit dem krebserregenden Dioxin besser überwachen lassen. Mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sei sie einig, dass man das Strafmaß für Verstöße gegen das Futtermittelrecht überprüfen müsse. „Der entstandene Schaden ist immens“, sagte Aigner.

Ungeklärt ist nach Angaben der CSU-Politikerin noch immer die Herkunft des Dioxins, das nach bisherigen Erkenntnissen von der Firma Harles und Jentzsch Futterfetten beigemischt war. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch vermutetet, dass die Dioxin-Belastung im Viehfutter auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen ist. Aigner nannte das „reine Spekulation“. Nach Informationen von Foodwatch soll eine Futterfettprobe der zu Harles und Jentzsch gehörenden Spedition Lübbe Rückstände eines Pilzgiftes ergeben haben. In der Probe habe der Dioxin-Gehalt den gesetzlichen Höchstwert um das 164-fache überschritten, teilte Foodwatch in Berlin mit.

Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode forderte eine gesetzliche Pflicht für die Futtermittelhersteller, jede Charge jeder Futtermittelzutat auf Dioxin zu testen. „Bei Überschreitung des Grenzwertes muss die Charge vernichtet werden“, forderte Bode. Aigners Vorschläge gehen nach Meinung Bodes in die falsche Richtung. Sie würden die Sicherheitslücken im System nicht schließen, sondern „nur die Giftmischer in der Futtermittelindustrie decken“.

Vorschläge, wie man künftige Skandale vermeiden kann, kommen auch von der Futtermittelindustrie und der FDP. Der verbraucherpolitische Sprecher der Liberalen, Erik Schweickert, forderte eine bessere Kontrolle der Produktionskette. „Wir brauchen eine durchgängige Zertifizierung vom Feld bis zum Teller“, sagte Schweickert dem Tagesspiegel. Die Futtermittelindustrie legte unterdessen ein Neun- Punkte-Programm vor, das schärfere gesetzliche Maßnahmen und bessere Eigenkontrollen vorsieht. Die Hersteller von Tierfutter stehen unter Druck – nicht nur in Deutschland. Bei einem Krisentreffen in Brüssel drängte die EU-Kommission am Montag europäische Branchenvertreter dazu, ein System freiwilliger Selbstverpflichtungen aufzubauen. Sonst, so drohte der Sprecher von EU-Verbraucherschutzkommissar John Dalli, müsse seine Behörde gesetzgeberisch aktiv werden. Brüssel unterstützt den Vorschlag Aigners, Fette für Futtermittel von Industriefetten zu trennen. „Die Maßnahmen sollten die Produktion und den Transport betreffen“, heißt es in einem Kommissionspapier.

Bisher gibt es zwar EU-Dioxingrenzwerte und eine Richtlinie für Sicherheits- und Sauberkeitsstandards bei der Futtermittelproduktion, aber keine Vorschriften zum genauen Ablauf der Produktion. Am heutigen Dienstag wird sich in Brüssel auch der Ausschuss für Lebensmittelsicherheit mit den Vorfällen beschäftigen. Dem EU-Kommissionssprecher zufolge wird beraten, ob künftig alles Fleisch so etikettiert werden muss, dass der Ort der Aufzucht und der Schlachtung sofort ersichtlich sind. Bisher ist dies nur bei Rindern verpflichtend.

Ungeklärt ist nach wie vor, wer den Landwirten den finanziellen Schaden ersetzt. „Darüber ist am Montag nicht gesprochen worden“, sagte Aigner. Der Bauernverband kündigte an, dass die betroffenen Landwirte die Verkäufer der Futtermittel in Regress nehmen werden. Die Bauern leiden unter Betriebssperrungen, sinkenden Preisen und internationalen Importverboten wie etwa in Südkorea. Allerdings lässt der Druck zumindest im Inland allmählich nach. Während am Freitag noch über 4700 Betriebe gesperrt waren, waren es am Montag noch 558 Höfe, davon 330 in Niedersachsen. Die Einschränkungen für sämtliche bisher gesperrten 460 Milchproduzenten seien aufgehoben worden, hieß es im Bundesverbraucherschutzministerium. (mit dapd)

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