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Wirtschaft: „Niemand wirft gern Leute raus“

Unternehmer zwischen Glauben und unternehmerischen Zwängen

Meinen Sie, die schwierige wirtschaftliche Situation, in der Deutschland und seine Unternehmen zurzeit sind, lassen die Manager kalt?“ Stephan Klinghardt, Geschäftsführer des Arbeitskreises evangelischer Unternehmer (AEU) ist sich sicher: Viele Führungskräfte sind nicht kaltschnäuzig, sondern haben Probleme damit, Personal abzubauen. Viele Manager stellen die Sinnfrage an ihre Arbeit. Eine Antwort, sagt Klinghardt suchen sie seit einigen Jahren verstärkt im Glauben und bei den Kirchen. Er weiß von einem Vorstand einer großen deutschen Bank, der sich von einer Pastorin beraten lässt. In Hannover haben zwei Pfarrer eine geistliche Beratungsagentur für Manager ins Leben gerufen – die „Spiritual Consulting“. Und auch Klöster sind in den vergangenen Jahren immer erfolgreicher mit Besinnungsseminaren für Führungskräfte.

Bloß bei den Kirchen selber erkennt Klinghardt noch wenig Verständnis für die wirtschaftlichen Zwänge, in denen Unternehmer und Manager oft stecken. Ihr Raum für Barmherzigkeit sei durch zwei Faktoren eingeschränkt – die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens und die Verantwortung gegenüber allen Mitarbeitern. Es habe auch aus christlicher Sicht keinen Sinn, Ressourcen damit zu verschwenden, dass Arbeitsplätze für einige Jahre gerettet werden, die nicht wettbewerbsfähig sind. Das zeige der Fall Grundig. Irgendwann würden solche Arbeitsplätze ohnehin verloren gehen. „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Das ist oft bei den Kirchen noch nicht angekommen“, sagt Klinghardt.

Dabei gründeten die geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft, die Deutschland seit Jahrzehnten prägt, auf den christlichen Grundwerten: individuelle Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Zur sozialen Marktwirtschaft haben sich die Kirchen in Deutschland auch bekannt. Allerdings haben sie Probleme mit Einschnitten in das soziale Netz, die immer dringender werden. Im gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialwort der beiden Kirchen in Deutschland von 1997 wurden kaum Reformen des Sozialsystems gefordert. Und die Kirchen bezweifelten, dass über mehr Wettbewerb tatsächlich mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können. Ein Umdenken ist jedoch erkennbar. Die evangelische Kirche zum Beispiel forderte in einem Ende 2002 veröffentlichten Papier explizit „mehr Verantwortung, Selbstbestimmung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ – und die Übertragung der Diskussion auch auf weitere Themen der Gesellschaftspolitik.

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