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Wirtschaft: Noch trotzt die Konjunktur dem Terror

An den Börsen drückt Angst die Kurse – Experten erwarten aber keine negativen Folgen für das Wachstum

Berlin/Frankfurt (Main) (hop/ro/sar). Die Anschläge in Madrid werden die Konjunktur wahrscheinlich nicht beeinträchtigen. Davon gehen die meisten Experten aus. Michael Hüther, Chefvolkswirt der Dekabank, sagte dem Tagesspiegel am Montag: „Die Situation ist eine ganz andere als nach dem 11. September.“ Die europäischen Börsen blieben verunsichert – und gaben weiter nach. Außerdem sind die Wachstumsaussichten in Deutschland schwach. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) schrieb in seiner neuesten Prognose, dass die bisher beschlossenen Reformen „nicht für eine spürbare Zunahme des Wachstums sorgen“ dürften.

„Der Handlungsbedarf der Politik bleibt deshalb hoch“, hieß es beim IfW. Für dieses Jahr hatte das Institut seine Wachstumsprognose für Deutschland in der vergangenen Woche auf 1,6 Prozent gesenkt. Für 2005 rechnet das IfW nach der ersten Einschätzung vom Montag mit 1,2 Prozent. Die Zahlen seien jedoch dadurch verfälscht, dass es in diesem Jahr im Gegensatz zum kommenden wenig Ausfälle durch Feiertage gebe. Ohne diesen Effekt lägen die Zahlen bei 1,0 und 1,4 Prozent, sagte Carsten-Patrick Meier vom IfW dem Tagesspiegel. Der Aufschwung bleibe schwach, weil die Verbraucher mit kaum steigenden Einkommen rechneten und der Arbeitsmarkt noch zu unflexibel sei.

Auch die Bundesbank dringt auf eine Fortsetzung der Reformen. „Der Reformprozess darf nicht stecken bleiben“, schreibt die Notenbank im Monatsbericht März und wirft der Finanzpolitik zugleich die Mitschuld an der schwachen Wirtschaftsentwicklung vor. Zusammen mit den ungewissen finanzpolitischen Perspektiven habe das deutlich gestiegene Defizit „zur Verunsicherung von Konsumenten und Investoren geführt“.

Auch das derzeitige Steuersystem betrachtet die Bundesbank als Bremse für das Wachstum. Eine Reform müsse die Steuertarife für die Einkommen verringern, Subventionen abbauen und außerdem das Steuerrecht vereinfachen. Außerdem fordert die Bundesbank eine deutliche Senkung der Staatsquote.

Durch die Anschläge in Madrid erwartet IfW-Experte Meier keine langfristig negativen Folgen für die Konjunktur. Spanien lebe seit Jahren mit Terror, ebenso Großbritannien oder Israel. „So bitter es ist, der Mensch gewöhnt sich daran“, sagte Meier. Michael Hüther, Chefvolkswirt der Dekabank, sagte: „Die Anschläge kosten eventuell das ein oder andere Zehntel Wachstum.“ Einen Negativtrend werde es im Gegensatz zum 11. September 2003 aber nicht geben. „Damals waren Börse und Wirtschaft bereits auf dem Weg nach unten, jetzt nicht“, sagte Hüther

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bleibt ebenfalls trotz des Terrors bei seiner Wachstumsprognose für Deutschland. „Ich sehe keinen Anlass, wirtschaftlich von einer nennenswerten Bedrohung auszugehen“, sagte DIW-Präsident Zimmermann am Montag in Berlin. Auswirkungen auf Konsum und Investitionsbereitschaft der Firmen in Deutschland sehe er nicht. Auch das Wachstum in der gesamten EU werde nicht stark unter den Anschlägen leiden, sagte Zimmermann.

Verunsicherte Börsen

Der Deutsche Aktienindex (Dax) verlor allerdings bis zum Börsenschluss rund 2,7 Prozent auf 3810,76 Punkte. Die übrigen europäischen Börsen zeigten sich ebenfalls schwächer. Und auch der Dow-Jones-Index gab am Abend um mehr als ein Prozent auf rund 10103 Punkte nach. „Der Markt wird durch die Anschläge belastet, das ist völlig klar“, sagte Rolf Elgeti, Aktienstratege der Commerzbank. Er rechne aber nicht mit einem längeren Abwärtstrend. „Wir haben ein, zwei schwache Wochen vor uns“, sagte Elgeti. Der Dax könne auf etwa 3700 Punkte fallen. Aber schon in der kommenden Woche gebe es „die Gelegenheit für Schnäppchen“. Denn fundamental habe sich durch die Anschläge „so gut wie nichts“ geändert, sagte Elgeti. Europäische Aktien seien weiterhin sehr günstig bewertet. „Und Zinserhöhungen sind weiter nach hinten verschoben worden“, sagte Elgeti. Deshalb sei es nur eine Frage der Zeit, wann die Kurse wieder zulegten.

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