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Nokia verabschiedet sich - eine Generation erinnert sich: „Es war mein ganzer Stolz“

Die Nokia-Aktionäre stimmen dem Verkauf der Handysparte zu. Zurück bleibt der Name und die Erinnerung einer Generation, die mit Handys von Nokia groß geworden ist.

„Mein erstes Nokia war mein ganzer Stolz. Das 5110 war groß, schwer, hatte eine kleine Antenne und eine knallrote Oberschale. Meine Mutter hatte es mir nach langer Diskussion gegeben. Ich war 13 und es war einer der ersten großen Siege, die ich nach langen argumentativen Gefechten mit meinen Eltern eingefahren habe. Ich appellierte an ihr Sicherheitsbedürfnis: Das Handy gab mir die Möglichkeit jederzeit einen Notruf absetzen zu können. Von da an wurde es zu einem Begleiter, der – robust wie Nokias eben sind – allen möglichen Belastungsproben standhielt. In meiner Schulklasse, der 7c des Paul-Natorp-Gymnasiums in Friedenau, hatten damals alle Nokias. Und wer keins hatte, der war völlig abgeschnitten von dem, was sich in den Nokia-Kreisen abspielte.“

Heute bin ich 24 Jahre alt, und die Zeiten, in denen Nokia einen Anteil von mehr als 40 Prozent am Weltmarkt anpeilte, sind lange vorbei. Bald wird Nokia überhaupt keine Handys mehr bauen. Am Dienstag stimmten die Aktionäre des Unternehmens auf einer außerordentlichen Hauptversammlung dem geplanten Verkauf der Handy-Sparte an Microsoft zu. Der US-Softwarekonzern zahlt 5,44 Milliarden Dollar (rund vier Milliarden Euro) und erhält dafür nicht nur das Geschäft mit Geräten und Diensten, sondern auch die nötigen Patente. Den Namen Nokia darf Microsoft die kommenden zehn Jahre für seine Mobiltelefone nutzen. Noch steht die Zustimmung der Kartellbehörden aus. Microsoft erwartet, dass das Geschäft Anfang 2014 abgeschlossen werden kann. Microsoft und Nokia arbeiten bereits seit 2011 eng zusammen – bis jetzt mit mäßigem Erfolg. Den Coolness-Faktor hat Nokia schon lange verloren.

Als "Snake" zur Sucht wurde

„Eigentlich durften wir in der Schule gar keine Handys benutzen. Doch das Handyspiel ,Snake’ war für uns Schüler zur Sucht geworden. Wir spielten es exzessiv in der kleinen Buchablage unter den Schultischen. Meine Eltern mussten mein Nokia insgesamt drei Mal vom Schulleiter abholen. Er hatte das gleiche Handy wie ich und es kursierte das Gerücht, dass die Nummer meiner Eltern zu dieser Zeit per Kurzwahltaste darauf gespeichert war. Mein Nokia hatte mittlerweile eine schwarze Oberschale – man wird ja auch reifer. Zu Weihnachten bekam ich dann das neue Modell. Aber irgendwann habe ich mich mit meinem Nokia dann ziemlich alt gefühlt. ,Drück’ mal auf 5 und zieh’ dir ne Cola’, rief man mir auf dem Pausenhof hinterher. Mein Nokia war zu groß und durch das grausame Schulhofsgericht abgeurteilt worden. Der Trend ging zu schlankeren Modellen von Sony-Ericsson und Samsung, die bereits fotografieren und gigabyteweise Musik abspielen konnten. Das Schicksal meines ,Knochens’ war besiegelt.“

Der rasante Abstieg Nokias begann 2007 mit dem Auftritt des iPhones. Heute gehört Nokia zwar immer noch zu den größten Herstellern von Mobiltelefonen, bei Smartphones liegt das Unternehmen aber nur auf Platz acht – weit hinter den Marktführern Samsung und Apple. Im dritten Quartal machten die Computer-Handys laut den Marktforschern von Gartner 55 Prozent der insgesamt verkauften 455,6 Millionen Mobiltelefone aus, bei steigender Tendenz. Knapp 82 Prozent der Smartphones laufen dabei mit dem Betriebssystem Android von Google.

Und was bleibt von Nokia?

Und was bleibt von Nokia? Da ist zum einen das Netzwerk-Geschäft NSN. Für den Einsatz von immer mehr Smartphones und anderen mobilen Geräten werden leistungsfähigere Netze zur mobilen Datenübertragung gebraucht. Zum anderen bleibt das Geschäft mit den Kartendiensten, die etwa in Navigationsgeräten eingesetzt werden. Aktuell beschäftigt Nokia mit den Kartendiensten allein in Berlin 700 Personen. Ob Microsoft künftig tatsächlich den Namen Nokia auf seine Geräte druckt, ist offen. Die Entscheidung wird wohl erst der neue Microsoft-Chef treffen. Wer das sein wird, soll sich im Dezember entscheiden, berichten amerikanische Medien. Bisher werden unter anderem der Ford-Chef Alan Mulally und der bisherige Nokia-Chef Stephen Elop als mögliche Nachfolger von Steve Ballmer gehandelt.

„Heute habe auch ich ein Smartphone. Manchmal, wenn ich an stressigen Tagen von Whatsapp- Nachrichten bombardiert werde, dann wünsche ich mir mein altes Nokia zurück.“

Manuel Vering

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