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Wirtschaft: Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes: Bundesregierung will Strommarkt abschotten

Die Bundesregierung will ihre Drohung wahr machen und den deutschen Strommarkt per Gesetz gegen politisch unliebsame Stromimporte abschotten. Das sieht der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes vor.

Die Bundesregierung will ihre Drohung wahr machen und den deutschen Strommarkt per Gesetz gegen politisch unliebsame Stromimporte abschotten. Das sieht der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes vor. Nachdem die Stromindustrie Ende Oktober abgelehnt hatte, auf den Import von Atomstrom aus Osteuropa zu verzichten, hat Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) bereits einer solchen Regelung angedroht.

Der Gesetzentwurf des Wirtschaftsministers, der noch vor Weihnachten dem Bundeskabinett vorgelegt werden soll, enthält nach Informationen des Tagesspiegel nicht nur eine so genannte Reziprozitätsklausel, nach der die Bundesregierung Energieimporte aus EU-Ländern unterbinden kann, wenn deutsche Unternehmen nicht im gleichen Umfang in diese Länder exportieren können. Müller plant auch, eine Verordnungsermächtigung in die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes einzuarbeiten, die der rot-grünen Regierung gestattet, den Import von so genanntem "schmutzigen" Strom nach Deutschland zu verbieten.

Hintergrund ist die Befürchtung der Bundesregierung, dass die deutschen Energieunternehmen den Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie durch zunehmende Importe von Billigstrom aus Osteuropa unterlaufen könnten. Im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des tschechischen Atommeilers Temelin in diesem Herbst hatte Müller die deutsche Energiewirtschaft aufgefordert, eine "Selbstverpflichtung" abzugeben, in der sie auf Import von Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken, die nicht deutschen Sicherheitsanforderungen und Umweltstandards entsprechen. Sowohl die Konzerne Eon und RWE als auch der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) hatten dies allerdings abgelehnt. Nun will sich Müller im Zuge der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes offenbar den Weg für eine entsprechende Verordnung frei machen. Passiert die Novelle, die eigentlich wegen der Liberalisierung des Gasmarktes in Deutschland von der EU gefordert wird, das deutsche Gesetzgebungsverfahren im kommenden Frühjahr, könnte der Wirtschaftsminister jederzeit per Verordnung den Import von Strom aus einzelnen osteuropäischen Ländern unterbinden. Rückendeckung aus den Regierungsfraktionen hat Müller für sein Vorhaben offenbar. Der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Volker Jung, sagte am Montag dem Tagesspiegel, dass rot-grün "solchen billigen und schmutzigen Strom nicht will".

Die deutsche Industrie wehrt sich allerdings gegen die Abschottungspläne des Wirtschaftsministers. Anlässlich einer Expertenanhörung im Ministerium am Montag haben Vertreter der Energiewirtschaft verlangt, sowohl die Reziprozitätsklausel als auch die Verordnungsermächtigung zu streichen. Der Geschäftsführer des VIK, Hans-Jürgen Budde, sagte dem Tagesspiegel, durch die Liberalisierung des Strommarktes und die Preissenkungen der deutschen Industrie habe man wichtige Wettbewerbsvorteile erhalten. Wenn die rot-grüne Regierung preiswerten Importstrom nun aus ökologischen Gründen vom deutschen Markt fern halten wolle, dann würden dadurch tausende deutscher Arbeitsplätze gefährdet.

Deutschland hat 1999 nicht nur rund 11 000 Gigawattstunden Strom allein aus Polen und Tschechien importiert. Auch die russische Stromwirtschaft nutzt die Öffnung des größten Marktes in Westeuropa bereits: Wie die auf Wirtschaftsinformation spezialisierte Moskauer Nachrichtenagentur IMA-Press in Erfahrung gebracht hat, speist der Energiegigant Rao Jees, der in Russland de facto eine Monopolstellung innehat, seit dem 1. November Strom in das bundesdeutsche Netz ein. Im Januar 1999 unterzeichnete Rao-Jees-Chef Anatolij Tschubais bei einem Deutschlandbesuch eine Reihe von Vereinbarungen über Stromlieferungen. Wie Tschubais-Vize Andrej Rappoport damals gegenüber Prime-Tass äußerste, wurde dabei mit den Bayernwerken Übereinkunft erzielt, dass der erste Strom bereits Ende dieses Jahres geliefert wird. Im März 1999 unterzeichnete Russland mit Deutschland und Österreich Abkommen, die ab 2001 den Export von je fünf Milliarden Kilowattstunden jährlich vorsehen. Damit will Moskau einen Kredit der Bundesrepublik zur Restrukturierung der Kohlebranche abstottern.

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