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Wirtschaft: „Nur der Jackpot ist steuerfrei“

Der Staat sollte Vorsorge für Arbeitslosigkeit stärker belohnen

Herr Hamel, Führungskräfte kassieren dicke Abfindungen, der normale Arbeitnehmer schaut in die Röhre. Ist das gerecht?

Natürlich gibt es im Topmanagement einige spektakuläre Fälle. In der Regel werden die Arbeitsverträge der Vorstände ausgezahlt, die in Deutschland üblicherweise fünf Jahre laufen. Das sieht aus wie eine Abfindung, ist aber keine, weil lediglich der Vertrag erfüllt wird.

Und dann bekommen Manager bei der Trennung noch den goldenen Handschlag dazu.

Nur wenn ein Manager bei seiner Einstellung gut verhandelt hat. Oft geht es dabei auch um die Auszahlung von Pensionsansprüchen. Im übrigen: Wenn ich einen Topmanager bei der Konkurrenz abwerben will, dann muss ich ihm zum Einstieg in mein Unternehmen etwas bieten. So kommen diese Vereinbarungen zustande.

Haben auch normale Arbeitnehmer die Chance, sich für den Fall einer Trennung so gut abzusichern?

Sie genießen den allgemeinen Kündigungsschutz. Und Kündigungen müssen in Deutschland gut begründet werden. Selbst wenn es einen arbeitsrechtlich einwandfreien Grund gibt, können Betriebsrat und Arbeitnehmer widersprechen.

Und weil die Unternehmen kein Interesse an langwierigen Auseinandersetzungen haben…

…bieten sie Auflösungsverträge mit entsprechenden Abfindungen an. Diese Verträge sind ein beliebtes Mittel, es gibt keine Feindschaften fürs Leben, und es gibt keinen Streit vor Gericht.

Ein teures Vergnügen für die Unternehmen.

Das ist eine Frage des Kalküls: Wenn Sie die Unruhe im Betrieb, den Aufwand für den Gerichtsprozess und die mangelnde Leistungsbereitschaft des Gekündigten berücksichtigen, können sich Abfindungen durchaus rechnen.

Was ist für einen Arbeitnehmer vorteilhafter: Kündigungsschutz oder eine Abfindungsregelung im Vertrag?

Schwer zu sagen. Solche Zusatzregeln fordern ja auch zu Missbrauch heraus. Da werden dann Kündigungen provoziert, wenn jemand schon einen neuen Job hat. Dann gibt es nur Ärger.

Arbeitnehmer sollen heute flexibel sein. Karriere macht ohnehin nur derjenige, der bereit ist, seinen Arbeitgeber zu wechseln. Damit wächst das Risiko, gekündigt zu werden. Ein bisschen mehr Absicherung schadet da doch nicht?

Das Risiko sollte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vernünftig aufgeteilt sein. Deshalb gibt es ja den Kündigungsschutz, deswegen werden Abfindungen vereinbart. Man sollte in einem Hochlohnland wie Deutschland von einem Arbeitnehmer erwarten können, dass er Reserven für Zeiten ohne Arbeit anlegt. In anderen Ländern wie etwa Griechenland gibt es weder Abfindungsregeln noch Kündigungsschutz. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir alle Risiken des Lebens auf den Staat abwälzen.

Bei Abfindungen kassiert doch der Fiskus kräftig mit. Rechnet sich Vorsorge überhaupt?

Da sollte der Staat in der Tat mehr helfen. Weil solche Reserven nicht steuerlich begünstigt werden, legt sie auch niemand an. Da stimmen die Rahmenbedingungen für eine veränderte Arbeitswelt nicht mehr. Wenn ich den Jackpot im Lotto knacke, ist das steuerfrei. Meine Abfindung als Nachteilsausgleich für die Arbeitslosigkeit muss ich dagegen versteuern.

Die Fragen stellte Dieter Fockenbrock.

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