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Wirtschaft: Nur die Großen der Branche profitieren vom Fitneß-Boom

Volle Lager sind für Sportartikelhersteller nichts Ungewöhnliches.In der Regel werden die Waren aber relativ schnell aus- und wieder nachgeliefert.

Volle Lager sind für Sportartikelhersteller nichts Ungewöhnliches.In der Regel werden die Waren aber relativ schnell aus- und wieder nachgeliefert.Schuhe, Trainingsanzüge oder Trikots des US-Branchenführers Nike blieben zuletzt allerdings lange liegen.Die Auftragsbücher vor allem in Asien, aber auch in den USA, waren nicht mehr so voll wie gewohnt.Das Unternehmen hatte deutlich höhere Bestellungen und auch Gewinne kalkuliert.Nike-Boss Phil Knight fackelte nicht lange und zog Konsequenzen: Er strich 1600 Stellen.

Auch wenn es beim Marktführer derzeit kriselt - Branchenexperten prognostizieren der Sportartikelindustrie weiterhin starkes Wachstum.Die Unternehmensberatung Roland Berger erwartet, daß der Weltmarkt zwischen 1996 und 2001 um ein knappes Viertel auf rund 160 Mrd.Dollar wachsen wird.

Die Branche profitiert insgesamt davon, daß Sportbekleidung längst nicht mehr nur zum Joggen aus dem Schrank geholt wird.Nur 20 Prozent der Waren werden für Sportzwecke gekauft.Fitneß wird gesellschaftlich immer wichtiger.Die Fußball-Weltmeisterschaft und die weltweite Medienpräsenz der drei Streifen, des Pumas und des Nike-"Swoosh" könnte den Absatz zusätzlich ankurbeln.

Wenn die Branche ihre zweistelligen Gewinnsteigerungen halten will, ist sie auf ein deutliches Einnahmenplus angewiesen.Da die Kostenstrukturen mehr oder weniger optimal seien, könnten die Unternehmen ihren Profit nur durch Größengewinne und Umsatzsteigerungen erhöhen, erläutert die Merrill-Lynch-Analystin Susanne Seibel.Produziert wird längst in Asien.Da bleibt wenig Raum, die Arbeitskosten zu senken.

Schon jetzt scheint klar, daß langfristig vor allem die Großen vom Boom der Branche profitieren werden.Sie produzieren billiger, haben eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Zulieferern und können sich enorme Marketingausgaben leisten."Es wird in Zukunft wenige Unternehmen geben, die groß und global genug sind, um weltweit mitzuhalten.Die kleineren Firmen sind gezwungen, sich zu spezialisieren und Nischen zu besetzen," faßt Merrill-Lynch-Analystin Seibel den Trend zusammen.

Die deutsche Nummer zwei, Puma, hält dieser Entwicklung bislang stand.Puma-Chef Jochen Zeitz fährt eine Art Vollanbieterstrategie.Sein Problem: Er möchte in fast allen Produktkategorien vertreten sein, hat aber weniger Werbegeld zur Verfügung als Adidas-Kollege Robert Louis-Dreyfus.Oppenheim-Analyst Mark Unger erwartet für Puma in diesem Jahr ein Umsatzplus von 10 Prozent.Er warnt allerdings, daß der jüngste Anstieg des Aktienkurses fundamental nicht gerechtfertigt sei.Seine Empfehlung: Halten.Profitieren könnte der Kurs allerdings davon, daß Puma nach Seibels Ansicht "angesichts des Konzentrationsbedarfs in der Branche sicher ein interessanter Übernahmekandidat ist."

Adidas hat sich durch den Zukauf des französischen Ski-, Golf- und Radsportexperten Salomon S.A.bereits gestärkt.Zwischen den Herzogenaurachern und Nike ist seit einiger Zeit eine Art Marketingkrieg um Sportstars entbrannt.Um Adidas die Führungsposition auf dem lukrativen europäischen Fußball-Markt zu entreißen, rüstet Nike internationale Spitzenclubs aus.Der FC Barcelona erhält für zehn Jahre gut 260 Mill.DM, Inter Mailand gut 220 Mill.Adidas investiert ähnliche Summen in die Nike-Domänen Basketball, American Football und Baseball.Das Wachstumspotential der Deutschen in den USA ist bei einem Marktanteil von sechs Prozent allerdings erheblich größer als für Nike in Europa.Die Amerikaner sind dort bereits die Nummer eins.Weltweit setzen sie mehr als zweimal so viel um wie Adidas.

Marketing ist bei Sportartikeln extrem wichtig."Wenn das Image nicht stimmt und die Produkte keine Feelgood-Botschaft vermitteln, bezahlen die Kunden die hohen Preise nicht," erläutert Seibel.Gerade junge Kunden, die sich nicht mit einem Paar Turnschuh alle zwei Jahre begnügen, reagieren auf Werbung.

Schlüsselmarkt für die Branche sind mit einem Umsatzanteil von rund 50 Prozent die USA.Unger prognostiziert Adidas dort für das laufende Jahr ein Einnahmenplus von rund 60 Prozent.Weltweit erwartet Merrill Lynch für die Herzogenauracher 1998 und 1999 ein Umsatzwachstum von 57 Prozent beziehungswiese 27 Prozent und eine Steigerung des Reingewinns um 12,2 bzw.31,2 Prozent.Für Adidas spreche, daß der Konzern nicht nur den Umsatz, sondern auch die Gewinnmarge steigere, erläutert Uwe Weinreich, bei der BHF-Bank für die Branche zuständig.

Daß die US-Hersteller Nike und Reebok ihre Lager zu extremen Niedrigpreisen räumen, befürchten nur wenige Branchenexperten.Bei Sonderangeboten ist für die Hersteller Vorsicht geboten.Sie gefährden das Hochpreis-Image der Marken.

Während die Kurse der Konkurrenten Nike, Reebok, Puma im vergangenen Jahr angesichts der Finanzkrise in Asien und der Überkapazitäten auf dem Markt zum Teil deutlich fielen, kletterte der Kurs der Adidas-Aktie kontinuierlich nach oben.Bei einem Kurs von 316,80 DM war sie am Freitag um gut zwei Drittel teurer als noch vor einem Jahr.In zwölf Monaten könnte der Kurs sogar bei 375 DM liegen, prognostiziert Merrill Lynch.

Den US-Konkurrenten Nike und Reebok stehen die meisten Analysten neutral bis optimistisch gegenüber.Der Kurs der Nike-Aktie fiel seit dem Höchststand im Frühjahr des vergangenen Jahres um mehr als ein Drittel.Auch Reebok verloren deutlich.Angesichts der guten Aussichten für den Sportartikelmarkt sieht BHF-Analyst Weinreich für die Unternehmen gute Erholungschancen.Mit einer Einschränkung: Das Wachstum der vergangenen 20 Jahre sei nicht wiederholbar.

MICHAEL FREITAG (HB)

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