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Wirtschaft: Nur kurz über Wasser

Die Investitionen nach der Flut haben dem Bau nicht den erhofften Aufschwung im Osten gebracht, es geht nur langsamer bergab

Nach der Flut vor einem Jahr gab es vor allem einen Wirtschaftszweig, der sich Hoffnungen auf einen Aufschwung durch die Beseitigung der Schäden machte: die Bauindustrie. Besonders Sachsen sollte davon profitieren. Dort waren die Schäden am größten. Dort wurden Hilfe-Anträge auf insgesamt rund sechs Milliarden Euro gestellt, zwei Drittel des Gesamtschadens. Ein Jahr danach ist Ernüchterung eingekehrt.

Ein Aufschwung ist in der Bauwirtschaft nicht zu sehen, es geht nur nicht mehr so schnell abwärts wie bisher, sagt Volker Theilemann vom Verband der sächsischen Bauindustrie. Noch für das kommende Jahr rechne er mit positiven Effekten durch die Fluthilfe. „Aber seit Mitte der 90er Jahre gehen die Bauinvestitionen in Sachsen zurück“, sagt er. „Vor einem dreiviertel Jahr wurde davon gesprochen, dass die Flut viele Aufträge bringen würde. Das ist so nicht eingetreten.“ Arbeitsplätze würden weiter abgebaut. Die zusätzlichen Investitionen in neue Straßen und Schienen glichen den anhaltenden Rückgang im Wohnungsbau nicht aus.

Davon geht auch das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) aus. Dank der Fluthilfe würden die Bauinvestitionen aber in diesem Jahr „nur“ um 3,6 Prozent schrumpfen. Für 2004 prognostiziert das IWH wieder minus 4,2 Prozent. Auf das Wirtschaftswachstum in Ostdeutschland insgesamt wirken sich die Investitionen ebenfalls nur minimal aus. Das IWH erwartet für 2003 ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,5 Prozent im Gegensatz zu 0,1 Prozent für Gesamtdeutschland. Und der Effekt ist vorübergehend. Im kommenden Jahr wird der Osten unterdurchschnittlich wachsen.

„Die konjunkturellen Impulse wurden von Anfang an überschätzt“, sagt Joachim Ragnitz, Leiter Strukturwandel beim IWH. Vor allem aus zwei Gründen: sowohl die Höhe der Schäden als auch die Dauer des Wiederaufbaus seien zu hoch angesetzt worden. Und ein Ende der Talfahrt in der ostdeutschen Bauwirtschaft ist aus seiner Sicht frühestens in zwei Jahren zu erwarten. „Der Sektor ist immer noch zu groß“, sagt Ragnitz. Im Vergleich zu Westdeutschland sei die Quote der Beschäftigten im Bau doppelt so hoch, jetzt schrumpfe der Bereich weiter.

„Dass es durch die Fluthilfen zu einer Trendwende kommen würde, war von Anfang an illusorisch“, sagt Ragnitz. Auch die Hoffnungen der Möbelindustrie auf einen Schub haben sich nicht bewahrheitet, weil die Schäden zu eng begrenzt waren.

Obwohl sie nicht die erhoffte Wirkung entfaltet hat, gibt es trotzdem Lob für die Fluthilfe – und zwar für deren Abwicklung. „Die Hilfe war besser als erwartet“, sagt Theilemann von der sächsischen Bauindustrie. „Es ist sehr schnell Geld geflossen.“ „Das Tempo war gut“, sagt auch Thomas Meyer vom Bund der Steuerzahler in Sachsen. „Es ist uns kein Betrieb bekannt, der durch eine verzögerte Zahlung gekippt wäre.“

Etwas weniger als hundert Millionen Euro seien allerdings durch die schnelle Hilfe falsch ausgegeben worden. Teilweise wurden an Auen Häuser saniert, die nur wenige Monate später wieder verlassen werden mussten – weil das Gebiet wegen der Hochwassergefahr nun doch nicht mehr besiedelt werden soll. Mit solchen Fehlern sei zu rechnen gewesen bei der Schnelligkeit der Hilfe, sagt Meyer. Ärgerlich sei, dass viele Schäden zu vermeiden gewesen wären, wenn von Anfang an zum Beispiel nicht in gefährdeten Gebieten gesiedelt worden wäre. Meyer schätzte, dass der vermeidbare Schaden, wenn man falsche alte Entscheidungen mit einbezieht, bei mehreren hundert Millionen Euro liegen dürfte. „Oft hat der Steuerzahler den Aufbau bezahlt, jetzt bezahlt er auch noch den Abriss.“

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