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Auch irgendwie Troika.

© AFP

Wirtschaft: Nur Sieger

Alle Seiten gewinnen dem Scheitern der Gaspipeline Nabucco Positives ab.

Berlin/Moskau - Das europäische Gaspipelineprojekt Nabucco starb einen Tod auf Raten. Am Mittwoch war es für tot erklärt worden, als der österreichische Energiekonzern OMV, der Nabucco vor elf Jahren auf den Weg gebracht hatte, mitteilte, dass sein Konsortium nicht den Zuschlag erhalten wird, Gas aus dem Kaspischen Meer bis nach Mitteleuropa zu bringen. Am Freitag wurde Nabucco dann tatsächlich niedergestreckt. Da teilte das Konsortium, das das riesige Gasfeld Shah Deniz II ausbeutet, in Aserbaidschans Hauptstadt Baku mit, dass es dem Nabucco-Konkurrenzprojekt Trans Adriatic Pipeline (TAP) die Lizenz zum Gasabtransport erteilt hat.

Da erst wagten sich auch die Sieger aus der Deckung. „Ich bin sehr froh, dass die Wahl zugunsten von TAP gefallen ist“, teilte TAP-Chef Kjetil Tungland schriftlich mit. Er sei sehr stolz auf seine Mannschaft und darauf, was sie in den vergangenen drei Jahren geleistet habe. Nun gehe es darum, die 870 Kilometer lange Röhre von der Türkei über den Balkan, durch die Adria bis nach Süditalien tatsächlich zu bauen. Die Pipeline werde so ausgelegt, dass sie zehn, später vielleicht gar 20 Milliarden Tonnen Gas pro Jahr transportieren könne. Hinter TAP stehen die Konzerne Axpo aus der Schweiz, der halb staatliche norwegische Konzern Statoil mit je 42,5 Prozent Anteil, so wie der Essener Energiekonzern Eon mit einem Anteil von 15 Prozent.

Auch die Verlierer meldeten sich noch mal zu Wort, gaben aber nicht auf. Man „akzeptiere“ die Entscheidung des Shah-Deniz-II-Konsortiums. Sie bringe „einen Rückschlag für den geplanten europäischen Gas-Highway“, hieß es in der offiziellen Mitteilung. Den eigenen Tod akzeptieren wollte die Geschäftsstelle aber nicht endgültig. Es gebe weiterhin einen Bedarf, Europas Gasversorgung zu diversifizieren. „Unserer Überzeugung nach bietet die Nabucco-Route die einzige Möglichkeit, diesen Bedarf zu decken.“ Man sei zuversichtlich, anhand alternativer Gasquellen neue Marktchancen entwickeln zu können.

Die EU-Kommission, die jahrelang – bis etwa Mitte 2012 – offen für Nabucco geworben hatte, münzte die Niederlage derweil in eine Erfolgsgeschichte um. Auch über TAP werde das wichtige Ziel erreicht, Russland zu umgehen und damit unabhängiger von Gazprom zu werden, argumentierte man im Umfeld von Energiekommissar Günther Oettinger.

In der russischen Hauptstadt Moskau gab es fast nur Spott. „Heute wurden wir Zeugen, wie das Nabucco-Projekt, von dem zehn Jahre lang die Rede war, zu Grabe getragen wurde. Es ist gut, dass es das Vorhaben nicht mehr gibt“, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller. Bei der „Stimme Russlands“, dem staatlichen Auslandssender, hieß es, Nabucco habe zu den Akten gelegt werden müssen, weil es Europa nicht gelungen sei, eine gleichwertige Alternative zum russischen Partner Gazprom zu finden. Das Scheitern sei mit dem Moment programmiert gewesen, als sich im letzten Jahr Gazprom mit türkischen Partnern über den Bau von Southstream einig wurde: einer Pipeline, die auf dem Grund des Schwarzen Meeres verlegt wird.

Der Chefanalyst der russischen Stiftung für nationale Energiesicherheit, Alexander Pasetschnik, gab auch TAP keine Chance. Der Experte wurde von russischen Medien mit der Warnung zitiert, es gäbe bei TAP die gleichen Probleme mit „Ressourcen und Investoren“. Gemeint waren Unklarheiten, wie die TAP befüllt werden soll. Allein mit Gas aus Aserbaidschan sei sie nicht voll ausgelastet.

Außerdem, so der Experte, gehe der Gasverbrauch in der EU kontinuierlich zurück. Wegen der wirtschaftlichen Situation in den EU-Staaten könnten sich die meisten Teilnehmer auch nicht mehr den Luxus leisten, politische Erwägungen in den Vordergrund zu stellen. Es gelte das Primat des knallharten Kommerzes. Kevin P. Hoffmann, Elke Windisch

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