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Wirtschaft: Öffentlicher Dienst will mehr als drei Prozent

Verdi fordert für 4,5 Millionen Beschäftigte Tariferhöhung – nach dem Vorbild der Privatwirtschaft

Berlin (alf). Die Tarifrunde für den öffentlichen Dienst kommt in Fahrt. Am heutigen Dienstag werden die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Beamtenbund ihre Lohn und Gehaltsforderungen bekannt geben. Die öffentlichen Arbeitgeber befürchten eine Forderung von mehr als sechs Prozent für die 4,5 Millionen Mitarbeiter von Bund, Ländern und Gemeinden. Verdi und Beamtenbund orientieren sich an den Tarifabschlüssen in der privaten Wirtschaft und werden deshalb kaum mit weniger als sechs Prozent in die Verhandlungen gehen. Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske hatte vor kurzem angekündigt, die Gewerkschaft wolle die Lohnerhöhung, „die es im ersten Halbjahr in der Privatwirtschaft gab“. Die Verhandlungen für die 2,8 Millionen Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst beginnen am 15. November in Stuttgart. An dem Ergebnis werden sich auch die künftigen Bezüge der knapp 1,7 Millionen Beamten und Richter orientieren, die vom Gesetzgeber festgelegt werden.

Die für den öffentlichen Dienst zuständige Verdi-Tarifkommission traf am Montagmittag in Bremen zusammen, um über die Tarifstrategie zu beraten und zu beschließen. Ursprünglich sollte das Forderungsvolumen erst am Mittwoch vorgelegt werden. Nachdem sich jedoch in den vergangenen Tagen die Diskussion verschärft hatte, entschloss sich die Gewerkschaft zum Vorziehen. Einige Landesvorsitzende von Verdi hatten am Wochenende ausdrücklich die Möglichkeit eines Arbeitskampfes betont. Demgegenüber wiesen die öffentlichen Kassenwarte auf ihre Finanznöte hin. Der Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeber, Bochums Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber, drohte für den Fall eines hohen Abschlusses mit betriebsbedingten Kündigungen, der Kürzung von Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie der Verlängerung der Arbeitszeit. Laut Stüber kostet jedes Prozent mehr Lohn/Gehalt die Gemeinden 700 Millionen Euro im Jahr.

Belastung von 6,6 Milliarden Euro

Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser hat ausgerechnet, dass die Personalausgaben der öffentliche Haushalte um 6,6 Milliarden Euro steigen würden, wenn es einen ähnlichen Abschluss wie in der Privatwirtschaft gebe. Bundesfinanzminister Hans Eichel erwartet „eine sehr harte Tarifrunde“.

Der letzte Abschluss im öffentlichen Dienst stammt aus dem Jahr 2000. Damals schrammte die Tarifauseinandersetzung trotz der Schlichter Hans Koschnick und Hinrich Lehmann-Grube nur haarscharf am Streik vorbei. Am Ende gab es eine Einkommenserhöhung um 2,0 (ab August 2000) und 2,4 Prozent (ab September 2001), die Laufzeit betrug 31 Monate. Diesmal soll es laut Verdi-Chef Bsirske eine Laufzeit von nur zwölf Monaten geben. „Die Abschlüsse bei der Privatwirtschaft sind die Ziellinie, die wir erreichen müssen“, kündigte Bsirske an. Die wichtigsten Abschlüsse in der Privatwirtschaft lagen zwischen drei und vier Prozent. Der vor anderthalb Jahren gewählte Verdi-Chef führt erstmals die Tarifverhandlungen und steht deshalb unter Druck. Dem früheren ÖTV-Chef Herbert Mai hatten die Gewerkschafter den Abschluss des Jahres 2000 übel genommen. Nachdem Mai von den ÖTV-Funktionären nur mangelhaft bei der Fusion von fünf Gewerkschaften zur vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) unterstützt worden war, trat er Ende 2000 zurück. Die Arbeitgeberseite wird von Bundesinnenminister Otto Schily angeführt.

Zum Auftakt der Sitzung der Verdi-Tarifkommission sagte Bsirske am Montag in Bremen, die Kommission werde diskutieren, ob es zu den üblichen Tarifritualen mit monatelanger Laufzeit kommen müsse. Neben den kräftigen Lohn- und Gehaltserhöhungen will der Verdi-Chef vor allem die Angleichung der Osteinkommen festschreiben und dabei Bundeskanzler Gerhard Schröder beim Wort nehmen. Schröder hatte vor der Wahl eine stufenweise Angleichung bis 2007 zugesagt. Seit Anfang 2002 liegt das Tarifniveau im Osten nach mehreren Erhöhungsschritten bei 90 Prozent des Westniveaus. Die 2,9 Millionen Vollzeitkräfte in Westdeutschland verdienten Mitte vergangenen Jahres im Schnitt 2690 Euro, die Durchschnittseinkommen im Osten lagen bei 2420 Euro. Knapp 50 Prozent der öffentlich Bediensteten sind in den unteren und mittleren Einkommensgruppen beschäftigt.

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