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Innovativ. Im September stellte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in San Francisco neue Produkte vor.

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Öffentlicher Druck: Facebook will jetzt über Datenschutz reden

Der öffentliche Druck auf das soziale Netzwerk steigt. Jetzt reagiert das Unternehmen und stellt mehr Lobbyisten ein. Doch deutsche Datenschutzbeauftragte stehen der neuen Gesprächsbereitschaft skeptisch gegenüber.

Von Anna Sauerbrey

Vor kurzem war Richard Allan, Facebooks oberster europäischer Lobbyist, zu Gast im Bundestag. Mit freundlichem Gesicht hörte er dem Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, zu und nickte. Dann sagt er: „Wir wollen nicht, dass die User das Web 2.0 nur eingeschränkt nutzen können, weil ihnen rechtliche Bestimmungen übergestülpt werden.“ Das Web 2.0, damit ist Facebook gemeint. Und mit den „rechtlichen Bestimmungen“ der Datenschutz.

Allans Auftritt ist symptomatisch für Facebooks neue Strategie im Umgang mit Öffentlichkeit und Politik: Hart bleiben in der Sache, aber Präsenz zeigen und reden. Viel reden. Deshalb sucht Facebook derzeit Verstärkung. Gleich mehrere neue Beauftragte für „Public Policy“ – also Lobbyisten – werden Allan zur Seite gestellt. In Berlin arbeitet bereits seit dem Frühjahr Eva Maria Kirschsieper als Facebook-Lobbyistin, eine weitere Kraft für die Hauptstadt wird zurzeit gesucht. In Brüssel verstärkt seit Ende Oktober die ehemalige deutsche SPD-Europaabgeordnete Erika Mann die Lobbyarbeit.

Erika Mann saß bis 2009 im europäischen Parlament, wo sie sich vor allem mit der Telekommunikationsgesetzgebung befasste und sich für Patente auf Software aussprach. 2009 wurde sie nicht wiedergewählt und arbeitete stattdessen für einen amerikanischen IT-Verband in Brüssel. Mann selbst stand für ein Gespräch nicht zur Verfügung. Doch in Brüssel erinnern sich viele noch an die Deutsche. Sie gilt auch außerhalb ihrer eigenen Fraktion als ausgesprochene Europakennerin und als sehr kompetent. Facebook habe eine sehr gute Entscheidung getroffen, sagt eine Fraktionsmitarbeiterin. „Sie ist sehr klug und ihr Adressbuch muss unglaublich sein. Ihre Gegner haben es sehr schwer.“

Erika Mann hat einen ähnlichen Werdegang wie Richard Allan, dem bislang bekanntesten Gesicht von Facebook in Europa. Auch Allan ist Ex-Parlamentarier, er saß von 1997 bis 2005 für die Liberaldemokraten im britischen Parlament und spezialisierte sich wie Erika Mann auf Technologiefragen. Deutlich jünger und weniger erfahren ist Eva Maria Kirschsieper, ihr letzter Arbeitgeber war der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Sie vertritt das Unternehmen in den zurzeit laufenden Gesprächen mit Datenschützern und Vertretern des Innenministeriums, die in eine Selbstverpflichtung von Facebook münden sollen. Ihr soll offenbar ein älterer Kollege zur Seite gestellt werden. Gesucht wird ein erfahrener Mitarbeiter, „jemand, der auf Ministerebene sprechen kann“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens.

Lesen Sie auf Seite 2, warum deutsche Datenschutzbeauftragte skeptisch sind.

Facebook will trotz der personellen Veränderungen nicht von einer Lobbyoffensive sprechen. „Wir haben nichts verändert“, sagt Tina Kulow, Pressesprecherin von Facebook in Deutschland. Sie betont, dass ihr Unternehmen im Vergleich zu anderen Branchen sehr wenige Mitarbeiter in Public-Policy- und Öffentlichkeitsarbeit beschäftige, was Europaabgeordnete bestätigen. Den betroffenen Politikern und Datenschützern ist allerdings sehr wohl eine Veränderung in Facebooks Kommunikation aufgefallen. „Die Datenschutzreform ist ein großes Thema hier in Brüssel“, berichtet Ralf Bendrath aus dem Büro des grünen Abgeordneten Jan Philipp Albrecht. Das soziale Netzwerk habe zwar relativ spät reagiert, heißt es aus anderen Fraktionen. „Nun ist Facebook aber aufgewacht, was Lobbyarbeit angeht“, sagt eine Mitarbeiterin aus Kreisen des Innen- und Rechtsausschusses.

Verwunderlich sind die Bemühungen nicht, denn das Unternehmen steht unter Druck. In Deutschland will der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert gerichtlich klären lassen, ob die Datensammlung mittels des „Gefällt-mir-Buttons“ legal ist. Sein Hamburger Kollege Johannes Caspar hat angekündigt, juristisch gegen die automatische Gesichtserkennungsfunktion vorzugehen. Noch grundsätzlicher könnten die Probleme von europäischer Seite werden. Das Unternehmen sitzt in Irland, und unterliegt so der 1995 erlassenen europäischen Datenschutzrichtlinie. Viviane Reding, EU-Justizkommissarin, will im Januar einen Vorschlag zur Novellierung vorlegen. Auch wenn der Text wohl nicht vor 2015 verabschiedet wird, gilt Reding als ambitioniert. Diskutiert wird etwa, dass in Datenschutzfragen nicht mehr das Recht desjenigen Landes angewendet wird, in dem die betroffene Firma ihren Sitz hat, sondern das Recht des Landes des Nutzers. Für die 20 Millionen Nutzer von Facebook hierzulande würde dann das strenge deutsche Datenschutzrecht gelten. Im Gespräch ist auch ein „Recht, vergessen zu werden“ sowie die Verpflichtung für soziale Netzwerke, automatisch die jeweils datensparsamste Variante zur Voreinstellung zu machen.

Foto: picture-alliance/ dpa
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Ob mit Facebooks neuer Gesprächsbereitschaft Bewegung in die Fragen kommt, sehen zumindest deutsche Datenschutzbeauftragte skeptisch. „Das Gespräch ist häufig unverbindlicher Natur“, sagen sie unter der Hand, „wenn man versucht, Sachverhalte aufzuklären, kommt wenig.“ Caspar in Hamburg hält Facebooks neue Kommunikationsstrategie sogar für eine Verzögerungstaktik. Über die Gesichtserkennung habe man insgesamt fünf Monate mit Vertretern des Unternehmens verhandelt – ohne Ergebnis.

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