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Schild einer Commerzbank-Filiale, im Hintergrund: Die Frankfurter Zentrale

© picture alliance / dpa

Öffnungszeiten und Service: Neues Filialkonzept soll Commerzbank retten

Verirrt in der Nische: Commerzbank-Chef Martin Blessing hält trotz heftiger Kritik den Kurs – und setzt all seine Hoffnungen in ein neues Filialkonzept.

„33 Stunden. Nur 33 Stunden pro Woche.“ Dieter Hein, renommierter Bankenanalyst von Fairesearch, schaut sich nicht nur Bilanzen an, sondern auch, wie die Bank im Alltag arbeitet. Und ist auch dort über die Mängel der Commerzbank erstaunt. Nur 33 Stunden sei eine Filiale wöchentlich geöffnet, und das zu den Zeiten, in denen potenzielle Kunden arbeiten. „Eine Onlinebank steht 164 Stunden pro Woche bereit. Jede einzelne Minute.“ Die Erkenntnis von Hein – die Kunden der Bank teilen – umschreibt nur eine Schwachstelle des immer noch angeschlagenen Instituts. Durch den gerade beschlossenen Abbau von weiteren 1700 Stellen (von insgesamt netto 4200 bis 2016) in den knapp 1200 Ablegern wird die Commerzbank nach Ansicht von Experten in diesem für sie wichtigen Bereich noch schwerer vorankommen.

„Neue Normalität“ nennt Commerzbank-Chef Martin Blessing das derzeit schwierige Umfeld für Banken: Die Zinsen sind niedrig und damit auch die Zinsmarge, die Kunden kaufen kaum Wertpapiere, was die Provisionseinnahmen dämpft, und Banken, Sparkassen und Volksbanken wie Onlineanbieter ringen um eine tendenziell stagnierende Zahl von Kunden. 2012 hat die Commerzbank mit ihren Filialen kaum etwas verdient. Im April rechnete ein Aktionär auf der Hauptversammlung Blessing vor, dass jede einzelne Filiale im Schnitt pro Tag nur 13 Euro erwirtschaftet habe.

Geplant sind vier neue Filialtypen

Blessing weiß um das Problem: Deshalb soll es künftig für die aktuell elf Millionen Kunden vier Filialtypen geben – vom Flag-Ship-Ableger bis zur reinen Servicefiliale für die Grundversorgung. Rund eine Milliarde Euro soll bis 2016 ins Filialgeschäft investiert werden. Auch auf diesem Weg sollen eine Million neue Kunden gewonnen werden. Und das gegen schärfste Konkurrenz von Sparkassen, Volksbanken, Deutscher Bank oder Direktbanken und Onlineanbietern wie der Diba oder Cortal Consors.

Hehre Ziele, wie Aktionäre und Analysten glauben. Aus dem großen Schub durch die Übernahme der fast neun Milliarden Euro teuren Dresdner Bank im Herbst 2008 ist nichts geworden. Im Gegenteil. Sie hängt der Commerzbank nach fast fünf Jahren, unzähligen Sparrunden mit dem Abbau von bislang 9000 Stellen und nicht erfüllten Gewinnversprechungen wie ein Klotz am Bein.

Heute gelten bei der Commerzbank mit ihren aktuell weltweit rund 54 000 Beschäftigten, die gerade mit einer umstrittenen Kapitalerhöhung die ehemals rund 16 Milliarden Euro schwere stille Einlage des Bundes komplett getilgt hat, nur die Mittelstandsbank, die Onlinebank Comdirect und die polnische BRE-Bank als erfolgreich – auch nach Einschätzung von Hein. Die Investmentbank ist fast komplett eingestampft, die Schiffsfinanzierung und das Staatsfinanzierungs- und gewerbliche Immobiliengeschäft – einst als Hoffnungsträger gepriesen – werden gerade teuer abgewickelt.

Blessings Bilanz ist schlecht

Als großer Nischenplayer in vielen Bereichen sieht sich die Bank. „Man kann aber auch sagen, außer der Nische ist nichts mehr übrig geblieben“, sagt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Was Blessing entschieden zurückweist. Man sei Marktführer im Mittelstandsgeschäft (wo jeden Monat in Deutschland angeblich 1000 neue Unternehmenskunden gewonnen werden) und in der Außenhandelsfinanzierung. Und eine der „Top-Fünf-Banken“ im europäischen Außenhandel. Er sei gewiss, dass die Bank in die richtige Richtung steuere.

So oder so ähnlich allerdings redet der mit knapp 50 Jahren immer noch jugendlich wirkende Blessing, seit er 2008 an die Spitze der Commerzbank gerückt ist. Seine Bilanz ist schlecht. Analyst Hein sagt, es werde „stümperhaft“ gearbeitet. Die Aktionäre haben mehr als 90 Prozent ihres Kapitals verloren, eine Dividende gab es seit 2007 nicht mehr. Diverse Kapitalschritte berücksichtigt, stand die Aktie Mitte 2007 bei 151 Euro. Heute sind es 7,40 Euro. Die Übernahme der Dresdner Bank war faktisch ein Flop, ebenso der Kauf einer Bank in der Ukraine, die 2012 unter Mühen wieder abgestoßen wurde. Zusammen mit dem 2005 gekauften Immobilien- und Staatsfinanzierer Eurohypo sollen Verluste von mehr als 17 Milliarden Euro aufgelaufen sein.

Schäuble schenkte der Bank 2,6 Milliarden

Ohne den Einstieg des Bundes 2008 hätte die Commerzbank vermutlich kaum überlebt. Zumindest die Rückzahlung der Stillen Einlage und damit der Hilfen des Steuerzahlers kann sich Blessing zugutehalten. Allerdings hat die Bank dank des großzügigen Entgegenkommens aus Berlin nur einen geringeren Teil der fälligen Zinsen zahlen müssen. Auf 2,6 Milliarden Euro hat der Finanzminister verzichtet.

Blessing wie auch Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller tun sich schwer, eigene Versäumnisse einzuräumen. Einmal war es die Lehman-Pleite, die der Bank einen Strich durch die Rechnung gemacht haben soll, dann die Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone und der Schuldenschnitt für Griechenland, aktuell liegt es am niedrigen Zinsniveau. Trotzdem hätten sie massiv Risiken abgebaut und die Bank so kapitalstark gemacht wie nie zuvor. Rücktrittsgedanken sind Blessing nie gekommen. Im Gegenteil: Nachdem sein Gehalt wegen der Staatsbeteiligung für zwei Jahre auf 500 000 Euro gedeckelt war, lag es 2012 wieder bei 1,3 Millionen Euro. Nieding wirft Blessing und dem Vorstand Raffgier vor. Mit fast 13 Millionen Euro lägen die Gehälter der neun Manager für 2012 mehr als doppelt so hoch wie der Nettogewinn von nur sechs Millionen Euro.

Rücktrittsforderungen werden ignoriert

Hein zufolge sind Blessing und Müller längst nicht mehr tragbar. „Das Beste, was der Bank passieren könnte, wäre, wenn beide Herren weg wären.“ Das aber sehen große Aktionärsgruppen und offenbar auch der Bund, der immer noch 17 Prozent der Aktien hält, anders. Auf der jüngsten Hauptversammlung gab es zwar erneut massiv Kritik. Am Ende wurden Blessing und Müller aber wieder mit hoher Zustimmung von gut 96 Prozent entlastet.

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