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© dpa

Ökolimonade: Kowalsky braust mit Bionade davon

Kurz vor der Pleite kam die rettende Idee: eine Ökolimonade. Bionade hat es in der Limonaden-Top-Ten der Deutschen auf Platz drei geschafft. Nun gehen die Gründer aufs Ganze.

Eine Kleinstadtdisko, wie man sie sich so vorstellt. Name: „Nullachtfuffzehn“, Musik: Gute-Laune-Hits, unterbrochen von Gute-Laune-Durchsagen des Discjockeys. Er mittendrin, Peter Kowalsky, 39 Jahre alt, blonde Locken, sehr groß. Ein Mann mit einem Unschuldsgesicht. Er lächelt viel. Er lebt noch dort, wo er herkommt: im unterfränkischen Ostheim, an der Grenze zu Hessen und Thüringen, 3700 Einwohner, historische Kirchenburg, Fachwerkhäuser. Mit 17 Jahren schuftete Kowalsky hinter dem Tresen des „Nullachtfuffzehn“, zusammen mit Bruder Stephan, Mutter Sigrid und Stiefvater Dieter Leipold, einem Brauereibesitzer und Ex-Ringer – einem, der genug Kraft hatte, um Störenfriede nach draußen zu befördern. Sie hatten Schulden, manchmal wussten sie nicht mehr weiter.

Jetzt macht Peter Kowalsky Geschäfte mit McDonald’s. Trotzdem muss er kämpfen. Inzwischen mit Lieferschwierigkeiten und gegen die mächtige Konkurrenz, gegen Neid und Gerüchte. Peter Kowalsky ist Geschäftsführer der Bionade GmbH. Er vertreibt jenes Erfrischungsgetränk, das es in der Limonaden-Top-Ten der Deutschen auf Platz drei geschafft hat. Nur Fanta und Sprite sind beliebter. Und süßer: eine Flasche Bionade hat 4,5 Prozent Zuckergehalt; bei vielen anderen Limos geht es ab acht Prozent erst los. Bionade kommt ohne künstliche Aromen aus, ohne Farb- und Konservierungsstoffe und wird hergestellt wie Bier, durch Fermentation. Mit einem Unterschied: Ein Bio-Organismus, der Kombuchapilz, wandelt den Zucker in der Bierwürze in Gluconsäure um und nicht in Alkohol.

– Was passiert da, Herr Kowalsky?

– Das ist das Geheimnis.

Nur vier Männer kennen es, einer ist Dieter Leipold, der Erfinder, 69 Jahre alt. Zehn Jahre lang hat er in seinem Labor neben dem Schlafzimmer an einem Erfrischungsgetränk getüftelt. Gesund sollte es sein. Und für Kinder. Knapp drei Millionen D-Mark hat die Entwicklung verschlungen. Geld, das Leipold nicht hatte. Sein Unternehmen war Mitte der 80er Jahre in eine heftige Krise geraten, wie so viele kleine Brauereien. Die Einnahmen aus dem „Nullachtfuffzehn“ halfen einigermaßen über die Runden. Die Kredite, die die Bank gewährte, investierte Leipold in seine Experimente. In Ostheim hieß es, da verpulvere einer ein Heidengeld für eine „gspinnerte“ Idee. Zehn Jahre lang ging nichts voran. Die Ostheimer tuschelten und grüßten kaum.

„Wir hatten Scheißweihnachten und Scheißsilvester“, sagt Kowalsky heute. Er redet so leger, wie er dasitzt, auf seinem Stuhl. Weiche Gesichtszüge, eine Gesichtshaut, die schnell rot wird bei Hitze oder Anstrengung. Ein paar Kraftakte hat er schon hinter sich, ein paar stehen ihm noch bevor. „Wenn ein Jahr rum war und wir gemerkt haben, dass wir es wieder nicht geschafft haben, nein, das hält man nicht gut aus. Man hofft eben weiter.“ Sie hatten keine andere Wahl.

Heute sind die Ostheimer stolz, Bionade hat ihr Städtchen bekannt gemacht. Manche klopfen Kowalsky auf die Schulter. Im Jahr 2005 hat das Unternehmen 73 Millionen Flaschen verkauft, nach Österreich, Italien, Spanien. In diesem Jahr sollen es 250 Millionen Flaschen sein. Von 1999 bis 2003 waren es ein bis zwei Millionen.

Der Erfolg kam plötzlich, ohne Marketingkampagnen. Experten aus der Getränkebranche sprechen von einer Limonade, die den Zeitgeist getroffen und sich deshalb durchgesetzt habe. Wenig Zucker, viel Bio … Werner Back, Lehrstuhl für Technologie der Brauerei an der Technischen Universität München, sagt: „Entscheidend für den Erfolg von Bionade sind aber die tolle Aufmachung und der tolle Name. Eigentlich gibt es auf dem Markt viele ähnliche Produkte.“

Peter Kowalsky wurde vom Bundespräsidenten zum Sommerfest eingeladen. Er ging nicht hin. „Der kennt mich ja nicht“, sagt er. „Wenn ich morgen keinen Erfolg mehr habe, stehe ich nicht mehr auf der Gästeliste.“ Vielleicht sagt er das aus Bescheidenheit. Er fährt immer noch sein altes Auto. Vielleicht ist da die Angst, es könnte wieder so sein wie früher. Aber Peter Kowalsky ist kein Mensch, der über seine Ängste spricht. Er ist der Typ, der auf Partys zur Gitarre greift, damit gar nicht erst ein toter Punkt aufkommt, und „Yellow Submarine“ singt.

Trotzdem, er muss gewappnet sein. Eine neue Phase steht bevor, mit Risiken.

Bionade, so behauptet die aktuelle Werbekampagne, kämpft für eine bessere Welt. Doch der Slogan „Getränk einer besseren Welt“, der ausgerechnet während des G-8-Gipfels anlief, erzeugte gemischte Gefühle. Dann ging das Gerücht um, der Bionade-Vertrieb werde von Coca-Cola übernommen. Ein Irrtum, wie sich herausstellte. Nun ist Bionade auch bei Starbucks und Mc Donald’s zu haben. Ausgerechnet. Der Burger-Riese und die Ökolimo. Schadet das nicht dem Bioimage? Die Branche ist sensibler geworden, wie die Probleme der Biosupermarktkette Basic zeigen. Der Discounter Lidl stieg dort ein, Kunden beschwerten sich, Zulieferer kündigten ihre Verträge. Kowalsky sagt, er habe da keine Angst. „Bionade soll Volksbrause werden. Und das Volk geht eben auch zu McDonald’s. Oder etwa nicht?“

Im kommenden Jahr will Bionade in die USA und nach Japan. Ein Fitnessstudio in San Francisco, in dem die Schönen und Reichen trainieren, hat Interesse angemeldet. Die Nachfrage ist so stark, dass sie in Ostheim kaum nachkommen. Längst helfen zwei Brauereien beim Abfüllen, trotzdem müssen weitere Betriebe dazukommen. „Bis die ihre Produktion umstellen, das dauert immer ein bisschen“, sagt Kowalsky. In etwa drei Monaten soll es mit den Lieferschwierigkeiten vorbei sein.

Am Rand von Ostheim, im ehemaligen „Nullachtfuffzehn“, läuft die Produktion auf Hochtouren. 30 000 Flaschen werden dort abgefüllt, stündlich, in der Halle nebenan 20 000 Flaschen. Klirren, Scheppern, Rattern. 16 Stunden lang. Punkt 22 Uhr muss Schluss sein. Die Stadtkämmerin und der ehemalige Landrat haben wegen Lärmbelästigung geklagt. Kowalsky ist nicht gerade begeistert, die Konkurrenz hat schließlich auch gemerkt, dass sich Limonade als Lifestyle-Produkt vermarkten lässt. Aber er hat nicht zehn Jahre durchgehalten, hat nicht Scheißweihnachten und Scheißsilvester durchgestanden, um jetzt zu scheitern.

Kowalsky wehrt sich, da kann kommen, wer will. Der weltgrößte Braukonzern, Inbev, plant, ein Bioerfrischungsgetränk auf den Markt zu werfen. „Ich zittere nicht“, sagt Kowalsky, seine Marke und ihr Herstellungsverfahren sind über Patente geschützt. Er sagt auch, dass ein Plagiat die höchste Form der Anerkennung sei. Aber dabei belässt er es nicht. Seit Anfang des Jahres geht er gegen jeden vor, der auf der Erfolgswelle der Biolimo mitschwimmen will. Erst jüngst hat sich Kowalsky erfolgreich gewehrt gegen ein anderes Konkurrenzprodukt: Maltonade. Gegen den Hersteller wurde eine einstweilige Verfügung erlassen. Beide Firmen wollen sich außergerichtlich einigen.

Peter Kowalsky hätte gerne wieder mehr Zeit für Tochter, Ehefrau und Hund. Wenn er nicht auf Geschäftsreise ist, verbringt er die meiste Zeit in der Bionade-Zentrale. Hinter der Eingangstür aus Glas, so wie sie in den 70er Jahren modern war, könnte man einen Urologen vermuten oder Versicherungskaufmänner. Stattdessen: sechs Frauen in Sweatshirt und Jeans. Aus dem Radio singt Kylie Minogue, überall Kartons, in einer Ecke ein knallroter Staubsauger „Im Büro könnte es anders aussehen, wir könnten es uns leisten“, sagt Peter Kowalsky, überlegt, guckt stolz. „Demnächst leiste ich mir eine Sekretärin.“ Er schafft es nicht mehr, seine E-Mails zu beantworten.

Wenn Peter Kowalsky davon spricht, was er sich nun leisten kann, hört er sich so an, als könne er es nicht so richtig glauben. Auch Dieter Leipold weiß nicht, wie er reagieren soll. Wenn sein Stiefsohn von steigenden Umsätzen spricht, sagt er: „Geh, hör doch auf.“ Sein neues Auto hat er wieder zurückgegeben. „Zu viele Knöpfe.“ Umziehen wird er auch nicht, nur weil jetzt das Geschäft läuft. Er lebt mit seiner Sigrid in der alten Wohnung, dort, wo er die Bionade entwickelt hat.

Sylvie-Sophie Schindler[Ostheim, Rhön]

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