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In der Kritik. Unterstützung bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.

© dapd

Ökonomen-Aufruf: Heftige Replik von Volkswirten und Politikern

Die Kritik namhafter Ökonomen an den EU-Beschlüssen provoziert Gegenreaktionen von Kollegen und Politikern. Die Argumente seien fragwürdig, die Öffentlichkeit werde bewusst verunsichert.

Berlin - Die Kritik von am Freitagabend bereits mehr als 170 Volkswirten an den Beschlüssen des EU-Gipfels zur Euro- Krise ist in der eigenen Zunft auf heftige Gegenreaktionen gestoßen. Es könne nicht Aufgabe von Volkswirten sein, „mit Behauptungen, fragwürdigen Argumenten und in einer von nationalen Klischees geprägten Sprache die Öffentlichkeit durch einen Aufruf weiter zu verunsichern“, heißt es in einer Replik anderer prominenter Wirtschaftswissenschaftler im „Handelsblatt“. Die Beschlüsse vom Freitag vergangener Woche ließen diese Dramatisierung nicht zu.

Verfasst wurde die Gegenposition unter anderem von dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger, dem ehemaligen Vorsitzenden des Sachverständigenrats, Bert Rürup, und dem Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther. Der Brüsseler Gipfelbeschluss, Banken mit zu geringem Eigenkapital notfalls direkt zu rekapitalisieren, sei der „richtige Weg“, wie das Beispiel eines entsprechenden US-Programms zeige. Aktionäre und Gläubiger würden dabei nicht zulasten der Allgemeinheit, also der Steuerzahler, aus ihrer finanziellen Verantwortung entlassen.

Inhaltlich geht es bei dem Streit um die Frage, ob der Euro-Raum künftig insgesamt für die Risiken bei Banken in einzelnen Ländern haftet. Unter der sogenannten Bankenunion werden in der Regel eine gemeinsame Aufsicht und Einlagensicherung sowie staatenübergreifende Hilfen zur Rekapitalisierung von Geldhäusern verstanden. Hintergrund ist, dass die Banken und Staaten im Euro- Raum so eng miteinander verwoben sind, dass Pleiten von großen Kreditinstituten ganze Länder gefährden können.

In ihrem Protestaufruf hatten die Volkswirte von einem „Schritt in die Bankenunion“ gewarnt, „die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Euro-Systems bedeutet“. In der Gipfelerklärung tauchen die Begriffe Bankenunion oder Haftung indes nicht auf (siehe Kasten). Vereinbart wurde zunächst lediglich der Weg zu einer einheitlichen Kontrolle der Finanzinstitute unter Führung der Europäischen Zentralbank. Anschließend soll der Rettungsfonds ESM Banken gegen Auflagen direkt helfen können.

Nicht nur Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte am Freitag den Ökonomen-Appell scharf. Auch Oppositionspolitiker schlossen sich an: „Statt Argumente vorzubringen, werden Ängste geschürt. Statt präziser Analyse werden dumpfe Ressentiments bedient“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Er wandte sich damit auch gegen den Ton des öffentlichen Briefs, der ein Szenario schildert, in dem Länder wie Deutschland „immer wieder Pressionen“ durch die „Schuldnerländer“ ausgesetzt seien.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt stellt sich in der Debatte über den Euro- Kurs der Bundesregierung hinter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Ich bin überzeugt, dass ihr Kurs in der Europa- Frage unverändert richtig ist“, sagte er der „Südwest Presse“. Die Beschlüsse auf dem EU-Gipfel seien durch die bisherigen Vereinbarungen zu den Rettungsschirmen EFSF und ESM gedeckt.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, begrüßte am Freitag die Ergebnisse des EU-Gipfels sowie die Senkung des Leitzinses für die Euro-Zone am Donnerstag. Dies seien „wichtige Schritte“ zur Eindämmung der Schuldenkrise gewesen. Dennoch müsse „noch mehr getan werden“.

Die Euro-Finanzminister werden bei ihrem Treffen am Montag noch keine Entscheidung zu geplanten Milliardenhilfen für spanische Banken treffen. „Wir haben bis jetzt noch keinen Bericht vorliegen. Dementsprechend kann man auch am Montag keine Entscheidungen fällen“, sagte ein Sprecher von Bundesfinanzminister Schäuble. mit dpa, AFP

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