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Wirtschaft: Ökosteuern in Europa: Es geht auch noch teurer

Vor allem London und Helsinki kämpfen für ihre hohen Sätze. Die Harmonisierung der Energieabgaben wird immer schwieriger

Von Dagmar Dehmer

und Dieter Fockenbrock

Die Koalitionäre von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen haben noch gar nicht angefangen, über die Ökosteuer zu verhandeln, da ist sie schon auf Eis gelegt. Franz Müntefering, der neue Chef der SPD-Bundestagsfraktion, hat gleich unmissverständlich klargestellt: „Eine weitere Erhöhung der Ökosteuer wird es mit uns nicht geben.“ Selbst die Grünen reden schon gar nicht mehr von einer Ökosteuer-Reform, sondern wollen eine „ökologische Finanzreform“ einleiten. Dazu gehört neben der Ökosteuer auch die Durchforstung des Gebührenwesens, eine Überprüfung von Subventionen auf ihre Umweltverträglichkeit und eine an ökologischen Kriterien ausgerichtete Beschaffungs- und Investitionspolitik des Bundes. Wo am Ende die Kompromisse liegen könnten, lässt sich noch nicht absehen. Aber eines ist klar: Ökosteuern sind in Deutschland nichts Neues – auch wenn die „ökologische Steuerreform“ von 1999 etwas anderes suggerieren könnte.

Steuern auf Benzin und Diesel werden schon seit Jahrzehnten erhoben. Nur wird diese Energiesteuer heute mit anderen politischen Zielen begründet. Denn bis dahin waren diese keineswegs ökologisch. Kraftfahrzeugsteuern dienten früher dem Ausbau des Straßennetzes. SPD und Grüne verwenden die angehobenen Abgaben zur Mitfinanzierung der Rentenversicherung. Immerhin: Im kommenden Jahr sollen aus den Steuern auf Kraftstoffe, Heizöl, Gas und Strom 32,6 Milliarden Euro in die Rentenkasse fließen.

Selbst beim Strom ist es gute Tradition abzukassieren. Bis vor wenigen Jahren bezahlten die Abnehmer mit jedem Kilowatt einen obligatorischen „Kohlepfenning“. Der diente der Sicherung des heimischen, aber zu teuren Steinkohlebergbaus. Erst die Europäische Union machte diesem Abkassieren ein Ende. Doch schon jetzt rührt sich wieder NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD). Der Regierungschef des wichtigsten Kohleförderlandes in Deutschland will die Anschlussfinanzierung für den Bergbau von 2006 an am liebsten gleich in den laufenden Koalitionsverhandlungen festschreiben. Ein harter Brocken für die Grünen, weil das Verfeuern von Kohle trotz hochmoderner Abgasreinigung am Ende der Ökoskala steht.

Wozu sich die Koalitionspartner schon vor vier Jahren nicht hatten durchringen können, ist eine Abfallsteuer. Nichts wäre jedoch näher liegend, als die Produktion von Müll mit drastischen Abgaben zu belegen. Das wäre, wie die Energiesteuer, ein marktkonformes Mittel, weil die Betroffenen begännen, nach Alternativen zu suchen. Stattdessen setzt die deutsche Politik hier auf altbekannte Instrumentarien wie Gebote und Verbote – und auf freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft. Die Verpackungsverordnung, eine Reform der früheren Kohl-Regierung, liefert dafür das beste Beispiel. Anstatt die dort vereinbarten Mehrwegquoten für die Verpackung von Mineralwasser, Bier und Limonaden einzuhalten, wurden immer mehr Getränke in Aluminiumdosen und Einwegflaschen abgefüllt. Das nun zum Jahreswechsel angekündigte Dosenpfand ist das Ergebnis dieser Verordnung. Die Skandale um Schiebereien und illegale Geschäfte durch die Müllmafia machen zudem deutlich, dass Selbstverpflichtungen kein Allheilmittel sind. Und: Nicht die Vermeidung von Abfall, sondern seine bestens organisierte Verwertung ist dabei herausgekommen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) glaubt jedenfalls, dass die rot-grüne Regierung im Sinne eines besseren Klimaschutzes den richtigen Weg eingeschlagen hat. Die bisherigen Stufen der Ökosteuer, heißt es in einem Zwischenbericht, hätten keine negativen Folgen für Wachstum, Beschäftigung und Einkommensverteilung in der Bevölkerung. Die ökologischen Wirkungen reichten aber nicht aus, um die Klima-Ziele der Regierung zu erreichen.

Folglich könnte die Ökosteuer-Reform noch fortgesetzt werden, meinen die Berliner Wissenschaftler. Von nun an sollte dies aber in Abstimmung mit den europäischen Partnern geschehen, weil damit „die ökologische Wirksamkeit erhöht und die Gefahr wettbewerbsverzerrender Effekte vermindert“ werde. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Vor genau zehn Jahren hat die EU-Kommission zum ersten Mal versucht, eine europäische Energiesteuer durchzusetzen, – und ist damit gescheitert. Seither sind mehrere Versuche, eine Kohlendioxid- Steuer einzuführen, ergebnislos wieder zu den Akten gelegt worden. Und auch die jüngste Initiative der Kommission hat kaum Chancen auf Umsetzung. Der Grund: Weil sich die Europäer nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen konnten, haben die meisten EU-Staaten inzwischen national eigene Ökosteuern eingeführt. Eine Harmonisierung würde beispielsweise in Großbritannien dazu führen, dass die Steuern auf Dieselkraftstoff bis 2010 wieder um die Hälfte reduziert werden müssten, weshalb sich London heftig gegen die Idee wehrt. In Großbritannien sind im April 2001 Energiesteuern eingeführt worden, die seither jährlich steigen. Die britischen Industrieunternehmen können sich von der Ökosteuer „freikaufen“, wenn sie sich verpflichten, in einem bestimmten Zeitraum ihren Energieverbrauch drastisch zu reduzieren. So versucht Großbritannien – bisher mit Erfolg – seine Klimaschutz-Verpflichtungen entsprechend dem Kyoto-Protokoll zu erfüllen.

Die Skandinavier waren schneller: Finnland hat bereits 1990 eine Kohlendioxid- Steuer eingeführt, ohne die das Land für rund sieben Prozent mehr CO2 verantwortlich wäre als heute. Dänemark hat 1978 damit begonnen, Energiesteuern zu erheben. Inzwischen werden Erdöl, Gas, Strom, Kohle und der Ausstoß von Kohlendioxid besteuert. Norwegen und Schweden führten 1991 Energiesteuern ein. Aber auch die Niederlande (1990), Polen (1996), Belgien (1993), Österreich (1996) und die Schweiz (1997) belegen Energie inzwischen aus Klimaschutzgründen mit Steuern. In Frankreich und Spanien werden Ökosteuern noch diskutiert.

Diese Vielzahl von Regelungen nimmt zwar dem Argument „nationaler Alleingänge“ die Spitze. Sie macht aber auch eine europäische Vereinheitlichung schwieriger. Kaum ein Staat wird freiwillig auf seine Ökosteuer verzichten wollen, nur um eine europäische Lösung möglich zu machen. Erstens rechnen alle mit dem ökologischen Nutzen der Abgabe. Schließlich tun sich auch alle mit der Einhaltung ihrer Klimaverpflichtungen schwer. Zweitens rechnen sie mit den Einnahmen aus den Ökosteuern. Schließlich sind alle Haushalte in Europa klamm.

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