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Wirtschaft: Ökostrombranche will kein Atom-Geld

Die Bundesregegierung will eigentlich viele Milliarden Euro, die die Stromkonzerne mit dem Weiterbetrieb ihrer AKW verdienen würden, abschöpfen und damit auch die erneuerbaren Energien fördern. Die zeigt der Regierung aber nun die kalte Schulter.

Die Ökostrombranche in Deutschland würde gern auf die mögliche Milliarden-Förderung verzichten, die ihr die Bundesregierung durch eine mögliche Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken in Aussicht stellt. „Wir brauchen das Geld nicht“, sagte Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), dem Tagesspiegel. „Ich halte die Verteilung von Extra-Gewinnen aus der Atomwirtschaft an einzelne Unternehmen, die sich mit der Gewinnung von Strom aus Wind- oder Sonnenkraft beschäftigen, außerdem für rechtlich bedenklich und praktisch nicht umsetzbar“, sagte Schütz weiter.

Damit reagierte er auf Meldungen vom Wochenende, wonach sich vier große Energiekonzerne mit dem Kanzleramt darauf verständigt haben sollen, dass die Restlaufzeiten des vor sieben Jahren stillgelegten Atomkraftwerkes in Stade auf die altersschwachen Meiler Biblis A und Neckarwestheim 1 übertragen werden dürfen. Die Einigung würde bedeuten, dass der einst von der rot-grünen Bundesregierung ausgehandelte Atomausstieg praktisch gestoppt ist. Im Gegenzug sollen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW aber einen Teil ihrer dadurch ermöglichten Extra-Gewinne abführen. Mit dem Geld sollen die Erneuerbaren gefördert werden, heißt es in der Koalition.

Experten gehen davon aus, dass die Konzerne durch eine theoretisch mögliche Verlängerung von 25 Jahren rund 233 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen könnten. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatte vergangene Woche gesagt, dass der Staat 50 Prozent dieser Summe abschöpfen sollte. „Ich finde es immer fair, wenn man etwas teilt“, sagte er vor Managern der Energiewirtschaft in Berlin. Ihm schwebe eine „Paketlösung aus Laufzeitverlängerung, Netzfragen und CO2-Befreiung vor“. Eckpunkte sollten vor der Sommerpause klar sein, Details dann im Herbst, wenn die Regierung ihr Energiekonzept vorlegen will.

Schütz vom BEE kritisiert dieses Prozedere. „Wenn man wirklich ein in sich schlüssiges Konzept entwickeln will, macht es doch keinen Sinn, sich schon im Vorfeld auf diese eine Technik festzulegen. Die Regierung baut ihr Konzept um die Atomkraft herum.“ Er sei zwar ebenfalls der Ansicht, dass weiter Geld in die Stromnetze investiert werden müsste, damit Strom aus erneuerbaren Quellen besser integriert werden kann. Zudem müsse mehr Geld in Forschung und Entwicklung von Speichern investiert werden. „Dafür gibt es aber schon Töpfe“, sagte Schütz weiter. Die Ökostrom-Branchen bräuchten jetzt vor allem Planungssicherheit. Die könne das geltende Erneuerbare Energien Gesetz gewährleisten.

Der BEE, aber auch SPD und Grüne argumentieren, dass Atomkraftwerke und Windräder schlecht gemeinsam in einem Netz existieren können: Denn Sonne, Wind und Biomasse liefern schwankend Strom, Atomkraftwerke dagegen stetig. Um die Schwankungen durch die wachsende Menge des Stroms aus erneuerbaren Quellen auszugleichen, bräuchte man mehr Speicher und im Zweifel eher neue Gaskraftwerke, die sich besser hoch- und runterfahren lassen, lautet die Forderung.

Obwohl sich die Regierung im Grundsatz einig ist, dass die 17 verbleibenden AKW länger am Netz bleiben sollen – Dissens herrscht über den Umfang der Laufzeitverlängerung und der Strommenge, die in den AKW zusätzlich produziert werden soll. So sagte Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) der „FTD“, dass man die Kernenergie „wahrscheinlich noch etwas länger als die willkürliche Festlegung durch Rot-Grün“ brauche, allerdings brauche man „nicht mehr Kernenergie“. Setzt sich seine Ansicht durch, könnte der zusätzliche Profit der Atomwirtschaft geringer ausfallen, als von den Konzernen erhofft.

Börsenhändler taten sich am Montag schwer mit der Bewertung der jüngsten Entwicklung in der Atomdebatte und den Gewinnaussichten der Konzerne. „Auch wenn die Laufzeiten für die Atomkraftwerke verlängert werden, die Unsicherheit darüber, wie viel dann vom Gewinn abgeführt werden muss, ist hoch“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen Händler. Eon-Aktien notierten knapp zwei Prozent schlechter als am Freitag, Papiere von RWE rund 1,3 Prozent. Kevin P. Hoffmann

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