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Wirtschaft: „Ökosysteme für das Wachstum“

Die französische Regierung hat 67 „Wettbewerbspole“ ausgewählt – die bekommen 1,5 Milliarden Euro und sollen Jobs sichern

Berlin – Die Provence ist eine der glücklichen Auserwählten – die Region wurde zum „Europäischen Wettbewerbspol für Früchte und Gemüse“ auserkoren. Und in der Haute-Normandie befindet sich nun das „Cosmetic Valley“ - dort sollen die Wissenschaften für Schönheit und Wohlbefinden gefördert werden. In der Basse-Normandie gibt es dagegen einen Wachstumspol für Pferdezucht.

Die französische Regierung hat das Konzept der Wachstumskerne entdeckt – das, was hier zu Lande in den neuen Bundesländern angewendet wird, soll nun in ganz Frankreich helfen, neue Jobs zu schaffen und der Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer vorzubeugen. Frankreich liegt mit seiner Arbeitslosenquote von über zehn Prozent zusammen mit Deutschland an der Spitze Europas.

Vergangene Woche haben die vier beteiligten Ministerien 67 „Wettbewewerbspole“ auserwählt – eigentlich sollten es nur zehn bis 20 werden. Die Regionen bekommen insgesamt bis 2008 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Zusätzlich bekommen sie Steuererleichterungen von 300 Millionen Euro, Kredite von der Regierung über 400 Millionen Euro und Gelder aus öffentlichen Forschungsagenturen über 700 Millionen Euro. Basis für die Bewerbungen war laut offiziellen Angaben, dass Unternehmen, Hochschulen, und Forschungseinheiten vorhanden sind. Diese sollen vernetzt werden, um Synergien entstehen zu lassen. Die Wettbewerbsfähigkeit von Frankreich soll verbessert werden, indem in den Polen neue Produkte entwickelt werden. Die Pole sollen laut der französischen Regierung zu „echten Ökosystemen für Wachstum“ werden.

Kritik, dass es statt 20 über 60 Pole geworden sind, und die über alle Branchen verteilt sind, wies Premierminister Dominique de Villepin zurück. „Wenn es so gute Projekte gibt, wie soll man die zurückweisen?“, sagte er. „Das ist eine der wichtigsten Kapitel in der Geschichte unserer Industriepolitik“, verteidigte er das Konzept. Experten wie Alfred Steinherr vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sehen den Plan kritisch. In Nizza sei längst nach einem ähnlichen Konzept die Informationstechnologie gefördert worden – gebracht habe das jedoch nicht viel. Zudem würden Regionen wie der Südwesten gefördert, wo Airbus seinen Sitz hat – und ohnehin Subventionen fließen würden.

Die Region um den Airbus-Sitz Toulouse gehört zu den sechs Polen, die bevorzugt gefördert werden, und von einer „persönlichen Begleitung“ und „privilegierter Finanzierung“ profitieren. Aber auch die Informatik in der Pariser Region oder die Biotechnologie in Lyon gehören dazu. Das Gros der auserwählten Regionen konzentriert sich jedoch auf Produkte mit regionalem oder nationalem Markt.

Frankreich hat eine lange Tradition der aktiven Industriepolitik – über alle Parteigrenzen hinweg ist man sich einig, dass der Staat sich für die nationalen Unternehmen einsetzen muss. Benannt nach dem allmächigen Finanzminister Ludwigs XIV hat der „Colbertisme“ auch dazu beigetragen, dass Großprojekte wie der Schnellzug TGV zustande kamen.

Das Konzept soll die Industriepolitik wiederbeleben: „Wir müssen eine alte französischen Tradition wieder aufnehmen, die der Recherche, der Innovation, der Industrialisierung in hoch entwickelten Branchen“, sagte Präsident Jacques Chirac in seiner Ansprache am Nationalfeiertag am Donnerstag.

Flora Wisdorff

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