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Wirtschaft: Ölmarkt: Keine Entwarnung

Die Nahost-Rede von US-Präsident George W. Bush hat die Ölmärkte zumindest kurzfristig beruhigt.

Die Nahost-Rede von US-Präsident George W. Bush hat die Ölmärkte zumindest kurzfristig beruhigt. Erstmals seit Wochen sank der Ölpreis. Für eine Barrel (159 Liter) Nordsee-Öl der Sorte Brent mussten am Freitag 27,07 Dollar gezahlt werden. Am Vortag lag der Preis in der Spitze bei über 28 Dollar. Vor der Bush-Rede hatten Händler eine mögliche Reduzierung der Öllieferung aus der arabischen Welt gefürchtet und sich mit Käufen abgesichert.

Trotz der Ankündigung Washingtons, ein stärkeres Engagement im Nahen Osten zu zeigen, ist auf dem Ölmarkt keine Trendwende in Sicht. "So lange im Nahostkonflikt keine fundamentalen Entscheidungen getroffen werden, bleibt die Entwicklung des Ölpreises unberechenbar", sagt Branchenexperte Rainer Wiek vom Energieinformationsdienst (EID) in Hamburg. Die derzeitigen Preissteigerungen spiegelten nicht die tatsächliche Marktsituation wieder. Denn das Verhältnis von Nachfrage und Angebot sei derzeit ausgewogen. "Mittlerweile wird der Ölmarkt ähnlich wie die Aktienmärkte von Stimmungen bestimmt", erklärt Wiek.

Dass die Erwartungen an die Zukunft für die Entwicklung des Ölpreises entscheidend sind, bestätigt auch Birgit Layes vom Hamburger Mineralölwirtschaftsverband (MWV). "Sollte wie erwartet die Konjunktur anziehen, würde die Energienachfrage steigen", sagt Layes. Gleichzeitig würde eine Verschärfung der Lage im Nahen Osten zu einer Verknappung des Rohöl-Angebots führen. Diese Wenn-Dann-Szenarien sind laut Layes der Grund für die hohen Ölpreise. Die physische also tatsächliche Lage auf dem Ölmarkt sei entspannt.

Das belegen auch die jüngsten Förderzahlen der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) ( siehe Lexikon ). Erstmals seit August 2001 ist im vergangenen Monat die Fördermenge der Opec-Staaten gestiegen, nachdem Saudi-Arabien und sechs andere Staaten ihre Verknappungsstrategie gelockert haben. Die tägliche Fördermenge der elf Opec-Mitglieder stieg im März insgesamt um 1,2 Prozent auf 25,26 Millionen Barrel gestiegen. Der Ölpreis könnte pro Barrel mindestens um drei Dollar billiger sein, wenn die Händler nur die Marktgegebenheiten sehen würden, sagte Opec-Generalsekretär Ali Rodriges.

Von größeren Ölkäufen, wie etwa Heizöl, rät EID-Experte Wiek den Verbrauchern derzeit ab. Die Rede des US-Präsidenten sei nicht mehr als ein kleiner Preisdämpfer gewesen. "Jede schlechte Nachricht aus dem Nahen Osten wird den Ölpreis sofort wieder steigen lassen", sagt Wiek. Allerdings bestehe Hoffnung, dass der Preis auch schnell wieder bröckelt, da er auf rein spekulativen Annahmen beruhe. Daher sei die jetztige Situation auch nicht mit dem letzten großen Ölpreisanstieg vor zwei Jahren zu vergleichen. "Damals war der Markt dauerhaft unterversorgt", erklärt Wiek. Die Verbaucher sollten die weitere Preisentwicklung abwarten.

Inwieweit der jüngste Ölpreisanstieg das für 2002 erwartete Wachstum in Deutschland bremst, ist unter Ökonomen umstritten. Während der Konjunkturfachmann des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Jörg Beyfuß, vor einer Beeinträchtigung der Konjunktur und höheren Inflationsraten warnt, erinnert Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen an die Verdreifachung der Ölpreise zum Jahreswechsel 2000/2001 und sieht die aktuelle Entwicklung relativ gelassen. Wie Solveen, Konjunkturexperte für Deutschland und den Euro-Raum, am Freitag erklärte, halte die Bank darum auch vorerst an ihrer Wachstumsprognose von 0,75 Prozent für 2002 fest.

Der Preis der Nordseeölmarke Brent war im Londoner Handel am Donnerstag erstmals seit September vergangenen Jahres über die Marke von 28 Dollar gestiegen. Zum Jahreswechsel lag der Barrelpreis noch bei 18,50 Dollar. Die Wirtschaftsforschungsinstitute legten ihren Wachstumsprognosen Ölpreisschwankungen zwischen 22 und 25 Dollar zu Grunde.

Die Bundesregierung rechnet mit einem Zuwachs von 0,75 Prozent. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller hatte unlängst erklärt, er sehe erst dann eine Gefahr für den Aufschwung, wenn der Ölpreis dauerhaft über die Marke von 30 US-Dollar pro Barrel steige.

dro, mo

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