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Wirtschaft: ÖTV: Der öffentliche Dienst rüstet zum Tarifkampf

Nach der am Dienstag gescheiterten Tarifrunde im öffentlichen Dienst bereitet sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf harte Auseinandersetzungen in der kommenden Woche vor. Die Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite wollen bei einem Streik noch weniger Geld zahlen, als es der Schlichterspruch vorsah.

Nach der am Dienstag gescheiterten Tarifrunde im öffentlichen Dienst bereitet sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf harte Auseinandersetzungen in der kommenden Woche vor. Die Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite wollen bei einem Streik noch weniger Geld zahlen, als es der Schlichterspruch vorsah. Gewerkschafter drohen mit einem Streik, wenn neben der Ost-West-Lohnangleichung keine Tariferhöhung erreicht wird, die dem Niveau der freien Wirtschaft entspricht.

"Es wird kein neues Angebot geben", machte der Verhandlungsführer des Bundes, Innenminister Otto Schily (SPD), deutlich. Neue Forderungen der Gewerkschaften würden erfolglos bleiben. Das Argument, es bestehe noch eine "Gerechtigkeitslücke" zwischen Ost und West, ließ der Minister nicht gelten. Er verwies unter anderem darauf, dass die Beschäftigten im Osten keinen eigenen Beitrag zur Zusatzversorgung leisten müssen.

Der Minister bot den Gewerkschaften an, auf Grundlage des Schlichterspruchs sofort einen Tarifvertrag zu unterzeichnen. Im Falle eines Streiks sei es jedoch möglich, dass die Arbeitgeber zu früheren Angeboten zurückkehren. Ursprünglich hatten sie Einkommenssteigerungen von einem Prozent in diesem Jahr und 1,3 Prozent für 2001 angeboten.

Unterstützung bekam Schily von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Der von den Gewerkschaften abgelehnte Schlichterspruch sei "das Äußerste", was gesamtwirtschaftlich verantwortet werden könne, sagte der Regierungschef. Zugleich warnte er die Gewerkschaften eindringlich vor einem Streik. Ein Arbeitskampf passe nicht in den gegenwärtigen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland.

Auch die Arbeitgeber der Länder und Kommunen schließen ein höheres Angebot aus. Der Verhandlungsführer der Länder, Sachsens Finanzminister Georg Milbradt (CDU), betonte, die Arbeitgeber würden "kein Milligramm drauflegen". "Wir lassen uns nicht erpressen", sagte Milbradt. Der Verhandlungsführer der Kommunen, Bochums Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber (SPD), rief die Gewerkschaften dazu auf, die Schlichterempfehlung doch noch zu akzeptieren. Die Hand der Arbeitgeber sei "ausgestreckt" und die Gewerkschaften müssten nur "einschlagen".

Einzig Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) ließ teilweise Verständnis für die Gewerkschaften erkennen. Er sprach sich für neue Gespräche über die Ostangleichung aus. Die Menschen im Osten brauchten eine klare Perspektive, wann ihre Löhne an das Westniveau angeglichen werden. Er selbst halte einen Stufenplan über acht oder neun Jahre für haushaltspolitisch machbar, sagte Ringstorff.

ÖTV-Chef Herbert Mai drängt unterdessen auf Nachverhandlungen zu allen Themen und ein verbessertes Angebot. Ein Streik sei nur "das letzte Mittel". Die ÖTV wolle sich aber nicht "beugen lassen", rechtfertigte er den möglichen Arbeitskampf. Zugleich zeigte sich Mai optimistisch, dass bei den Urabstimmungen die erforderlichen 75 Prozent für einen Streik erreicht würden. Auch DAG-Chef Roland Issen erwartet eine breite Mehrheit. Nur wenn die Arbeitgeber "noch einmal die Initiative ergreifen" und ein verbessertes Angebot präsentieren, könne ein Arbeitskampf verhindert werden.

Die ÖTV und die DAG klopften bereits ihre Streiklinie fest. Die Große Tarifkommission der ÖTV beschloss ein Forderungspaket, wonach die Einkommen der 3,1 Millionen Arbeiter und Angestellten mit der Lohnentwicklung in der privaten Wirtschaft Schritt halten sollen. Zudem will die ÖTV eine "deutlichere Perspektive" bei der Ostangleichung durchsetzen als im Schlichterspruch vorgesehen. Die Finanzierungsprobleme bei der Zusatzversorgung sollen abseits der Tarifrunde verhandelt werden.

Neben DAG und ÖTV bereiten auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Urabstimmungen vor. Die Tarifunion des Deutschen Beamtenbundes (DBB) beschloss ebenfalls Urabstimmungen. Der Chef der Tarifunion, Robert Dera, sagte, ein Streik sei "wahrscheinlich nicht zu verhindern".

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