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Wirtschaft: Offen und doch geschlossen

Viele Anleger versuchen derzeit, ihre Anteile an Immobilienfonds zu verkaufen

Bis 2006 hatte nie ein Anleger Verluste gemacht, Offene Immobilienfonds lieferten Jahr für Jahr kleine, aber stabile Gewinne ab. Doch die Quadratur des Kreises ist nicht gelungen: Geld kann nicht gleichzeitig langfristig in Immobilien angelegt und doch täglich abrufbar sein. Diesen Spagat jedoch versprachen die Fondsanbieter für jene 85 Milliarden Euro, die rund drei Millionen deutsche Anleger in Offene Immobilienfonds investiert haben. 20 Prozent diese Geldes – 17,4 Milliarden Euro – liegen aktuell auf Eis, die Anleger kommen teilweise seit bald zwei Jahren nicht an ihr Geld.

Seit 2007, als die Finanzkrise vor allem Profi-Anleger zwang, weltweit gebundenes Kapital und damit auch Immobilienbeteiligungen flüssig zu machen, steht in der Branche kaum ein Stein auf dem anderen: Viele Fonds machten, wie es das Gesetz ermöglicht, zeitweise dicht, sieben Fonds und ein Dachfonds überlebten die Zwangspause nicht und befinden sich in der endgültigen Abwicklung: Zehntausende Anleger, die ursprünglich mehr als acht Milliarden Euro in den Papieren deponiert hatten, zittern nun um ihr Geld.

Gerade haben mit dem Degi International und dem Axa Immoselect zwei Publikumslieblinge aufgegeben. „Nach ausführlichen Gesprächen mit den Vertriebspartner“ habe sich gezeigt, „dass die Rückgabewünsche der rund 70 000 Anleger die verfügbare Liquidität übersteigen würden“, teilte Aberdeen Asset Management, die Fondsgesellschaft der Degi- Fonds mit. Der Degi Europa, seit 1972 auf dem Markt, ist seit gut einem Jahr in der Liquidation und hat laut Gesetz bis 2013 Zeit, seine Immobilien zu verkaufen und den Erlös auszuschütten.

Zum Teil ist dies bereits passiert. Das Problem: Wer zu Verkäufen gezwungen ist, wird nicht immer einen guten Preis erzielen. Bisher ist es keinem Fonds gelungen, während der zweijährigen Zwangspause so viele Immobilien zu verkaufen, um wieder regulär öffnen und alle verängstigten Kunden bedienen zu können. Allerdings müssen die endgültig geschlossenen wie auch die meisten eingefrorenen Fonds ohne jenes starke Vertriebsnetz auskommen, mit dem etwa die Sparkassen- Fondstochter Deka oder die zur Gruppe der Volks- und Raiffeisenbanken gehörende Union Investment neues Geld in die Fonds locken. So hat sich beim sieben Milliarden Euro schweren UniImmo Deutschland inzwischen eine Barquote von knapp 38 Prozent angesammelt. Der Deka Immobilien Europa, mit 11,4 Milliarden Marktführer in Deutschland, hält ein Viertel seiner Kundengelder in bar. Damit lagert die deutsche Immofonds-Branche einen gewaltigen Teil der ihnen anvertrauten Kundengelder nicht in Immobilien, sondern in Bankeinlagen und in Rentenfonds.

Die Union-Fonds etwa haben sämtliche liquiden Mittel in hauseigenen Anleihe- Fonds deponiert. Angesichts der extrem niedrigen Zinsen liegt die Rendite der Barmittel im Schnitt bei nur 0,6 Prozent pro Jahr, hat die Rating- und Analyse-Gesellschaft Scope errechnet. „Das wirkt sich nicht gerade positiv auf die Gesamt-Rendite aus“, sagt Brigitte Schroll, Sprecherin von SEB Asset Management, deren SEB Immoinvest „noch in diesem Jahr“ wieder öffnen will. Gerade hat das Management wieder zehn kleinere Immobilien verkauft, dabei „im Durchschnitt“ etwas mehr als den Verkehrswert erlöst. Bis Jahresende will der SEB Immoinvest knapp 22 Prozent des Anlagevolumens in Cash halten. 1,4 Milliarden der gut sechs Milliarden Euro könnten damit nach Öffnung ausgezahlt werden.

Nicht anders geht es dem CS Euroreal und dem KanAm Grundinvest die aktuell auf Tauchstation sind und bis spätestens Mai 2012 wieder öffnen müssen. Nach Meinung von Scope verfügt vor allem der CS Euroreal über ein „sehr gutes Portfolio“ und kommt „bei der Schaffung von Liquidität voran“. Auch die Immobilien des Münchner KanAm Grundinvest seien „sehr gut“ zu bewerten.

Die Manager der Union-Fonds hingegen schwimmen in Liquidität und haben sich schon „die Portfolios der in Schieflage geratenen Fonds angesehen“, berichtet Fabian Hellbusch, Sprecher der Union Investment Real Estate. Dass auch Union nicht gegen unerwartete Krisen gefeit ist, zeigte sich im Frühjahr: Damals musste der UniImmo Global für drei Monate schließen, weil 14 Prozent der Immobilien sich in Tokio befinden und sich nach der Katastrophe von Fukushima der Preis für den Fonds nicht mehr ermitteln ließ.

Viele Investoren sehen die Branche insgesamt skeptisch. Dies belegen vor allem die hohen Umsätze an den Börsen, wo Anteile trotz Sperrung verkauft werden können – mit erheblichen Abschlägen. So wird etwa der SEB Immoinvest von der Fondsgesellschaft bei gut 54 Euro taxiert, womit er auf Jahressicht 1,55 Prozent, binnen zehn Jahren 51 Prozent im Plus liegt. An der Börse Hamburg wollen Anleger hingegen nur 45 Euro bezahlen. Fonds, die in der Liquidation sind, werden mit noch höheren Abschlägen gehandelt. Viele Experten raten daher vom Verkauf an der Börse ab. Der Fondsverband BVI erinnert auch daran, dass der UniImmo Global im Frühjahr während der Schließung mit einem Abschlag von 20 Prozent gehandelt wurde, sich jedoch wieder erholte.

Auch Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung, rät auf die Rückzahlung durch die Fonds zu warten. An der Börse verkaufen solle nur, wer das Geld schnell und dringend benötige. Eine andere Alternative ist es, bei der Fondsgesellschaft nachzufragen, ob ein Tausch in einen anderen Fonds angeboten wird.

Derzeit prüfen mehrere Kanzleien Klagen auf Schadenersatz durch die beratende Bank oder den Vertrieb, etwa wegen Falschberatung oder verschwiegener Provisionen. Abhilfe soll erst ein neues Gesetz bringen, das bis 2013 in Kraft tritt: Neuanleger werden dann zu einer zweijährigen Haltefrist plus ein Jahr Kündigungsfrist verpflichtet – es sei denn, ihr Anlagevolumen liegt unter 30 000 Euro. Damit will die Branche vor allem institutionelle Anleger, die die Immobilienfonds als sicheren Parkplatz benutzen, aus den Produkten für Privatanleger drängen.

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