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Oliver Samwer: „Wir würden gern mehr investieren“

Internetunternehmer Oliver Samwer über neue Trends im Netz, erfolgreiche Geschäftsmodelle und Bescheidenheit.

Herr Samwer, was ist im Moment das heißeste Thema im Internet?

Wir glauben, dass alle Themen interessant sind, bei denen es im weiteren Sinne um Kommunikation geht. In der ersten Phase des Internets, im Web1.0, ging es einfach darum, einen Onlineshop ins Netz zu stellen – sei es Amazon, MyToys, was auch immer. Es wurde gekauft und verkauft, aber darüber hinaus gab es keine wirkliche Interaktion. Ein Studentennetzwerk wie Facebook oder die Videoplattform Youtube sind so eingeschlagen,weil die Nutzer mehr Macht haben. Das Netz ist demokratischer geworden. Wir erwarten auch sehr viel Neues aus dem Bereich Online-Gaming.

Was ist neu?
Bisher haben die Leute mit der Playstation oder dem PC gespielt, also „ich gegen den Simulator“. Dass ich jetzt gemeinsam mit meinen Freunden online spielen, eine Fußballmannschaft oder ein Rennteam bilden kann, bringt das Ganze in eine neue Dimension.

Wie verdient der Anbieter dabei Geld?
Bis 2002/03 gab es im Netz als Geschäftsmodell nur den klassischen E-Commerce – ich zahle für ein Produkt. Oder ein Anbieter hat für eine besondere Dienstleistung eine Prämiumgebühr verlangt. Dann hat Google mit dem Programm Adsense eine Finanzierungsmöglichkeit geschaffen, wie man auch als kleiner Web- seitenbetreiber mit Werbung Geld verdienen kann. Die große Veränderung, die viele Geschäftsmodelle erst möglich gemacht hat, ist, dass Online-Werbung von der Werbeindustrie akzeptiert wird. Wenn ein Hersteller wie Audi ein neues Auto auf den Markt bringt, sind grundsätzlich zehn bis zwölf Prozent für Internetwerbung reserviert.

Die Nutzer sind immer noch nicht bereit, für Angebote im Netz Geld auszugeben?
Wenn man direkt Geld verlangt, dann können die Sachen nicht so schnell so groß werden. Der Wert eines Netzwerks steigt aber mit der Zahl seiner Mitglieder. Deshalb muss man erst einmal groß werden, bevor man zusätzlich zur Werbung auch noch andere Finanzierungsmöglichkeiten findet.

Wie viel Werbung verträgt der Nutzer?
Das ist eine Frage, die noch nicht tausendprozentig geklärt ist. Die sozialen Netzwerke haben immer einen Effekt: Die Nutzer verbringen viel Zeit auf den Seiten, sie schauen, was ihre Freunde machen, sie lesen ihre Kontakte, sie verbessern ihren Auftritt. Aber es ist immer derselbe Nutzer. Und es ist unklar, wie oft man ihm die gleiche Werbung präsentieren kann. Es gibt aber die Möglichkeit, Häufigkeitsschranken zu errichten: Dann kann man festlegen, dass die Deutsche- Bank-Werbung dem Nutzer nicht mehr als zweimal angezeigt wird. Das können Sie im Fernsehen nicht. Die erfolgreichsten Werbeformen sind die, die intelligent auf den Nutzer zugeschnitten sind – wie etwa Werbung für ein „junges Konto“ in einem Studentennetzwerk.

Das klingt nach Problemen mit dem Datenschutz.
Das ist nicht so. Datenschutz bedeutet, alles muss anonymisiert werden und darf nicht auf eine Person zurückführbar sein. Es wird zwar registriert, dass einem Nutzer eine Werbung zweimal gezeigt wurde, aber es ist nicht möglich zurückzuverfolgen, wer der Nutzer ist.

Google hat für 3,1 Milliarden Dollar die Online-Werbefirma Doubleclick gekauft, Microsoft zahlte sechs Milliarden Dollar für Aquantive. Sind solch hohe Preise gerechtfertigt?
Sicherlich befinden wir uns bewertungsmäßig in einer Wachstumsphase und damit in einer eher aggressiven Zeit. Man muss aber ganz klar sehen, dass auch die Medienunternehmen – egal ob Holtzbrinck, Burda oder Springer – jetzt akzeptiert haben, wenn sie nicht etwas unternehmen, fährt der Internetzug an ihnen vorbei. Diese Käufer werden auch in zwei oder drei Jahren noch dabei sein.

Also keine Gefahr, dass wieder eine Blase platzt?
Es kann sein, dass es eine kleine Korrektur oder Delle geben wird. Aber mit der Situation 1999/2000 ist das nicht vergleichbar. Solange die Qualität der Ideen und Teams hoch bleibt, sind wir zuversichtlich.

Wie messen Sie die Qualität?
Sicherlich ist das subjektiv. Das ist unsere eigene Erfahrung. Zunächst geht es um Emotionen: Warum gründet jemand? Will er Unternehmer oder will er eigentlich reich werden? Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Leute, die wirklich Unternehmer werden wollen, sind eben nicht die, die ins Internet gehen, weil es gerade wieder in ist. Sie sagen, ich will etwas aufbauen, ich möchte mein eigenes Schicksal bestimmen. Wir denken, dass es am Anfang wichtig ist, bescheiden zu sein – um sich dann vom Erfolg überraschen zu lassen.

Und wie erkennt man eine gute Geschäftsidee?
Wir sagen: mit dem gesunden Menschenverstand. Das Internet ist die schönste Industrie für junge Leute, weil sie am wenigsten mit Erfahrung zu tun hat. Auch mit wenig Erfahrung und Kapital kann man sehr schnell sehr groß werden. Das geht nicht in der Luftfahrt und auch nicht, wenn Sie der größte Bäcker in Deutschland werden wollen. Sie brauchen ewig, um 2000 Bäckereien aufzubauen. Im Internet werden sie innerhalb von Monaten groß.

Viele Internetfirmen sind aber auch sehr schnell wieder verschwunden.
Wenn ein Markt es erlaubt, dass man schnell zum Marktführer aufsteigt, dann musst du auch aufpassen, dass er nicht ganz schnell jemanden anderen an die Nummer eins spült. Sicherlich ist nicht alles einfach. Aber hier kann man die Hoffnung oder den Traum haben, ein Unternehmen wie Ebay in drei Jahren zu verdrängen. Das muss nicht das Ziel sein, aber es ist ein realistisches Szenario. Ein realistisches Szenario ist es aber nicht, in dieser Zeit Toyota von Platz eins der Autohersteller zu vertreiben. Keine Industrie bewegt sich so schnell.

In welche Firmen investieren Sie?
Wir haben derzeit etwa 14 Beteiligungen, dazu gehört zum Beispiel Hitflip, das ist Ebay für Tauschen, Erento, das ist Ebay für Mieten, Xchar, ein Netzwerk für Online-Spieler und in Netmoms, eine Plattform für Mütter. Wir haben uns auch an den Lokalisten beteiligt, einem Freundschaftsnetzwerk, das vor allem in Süddeutschland stark ist, und in den USA an dem großen Socialnetwork Linkedin. Außerdem sind wir gemeinsam mit dem Amazon-Gründer Jeff Bezos an MFG.com beteiligt, einem Marktplatz für die Industrie.

Sie investieren nur in Internetfirmen?
Internet oder Mobilfunk. Wir sagen immer: Schuster bleib bei deinen Leisten.

Ihr European Founders Fund hatte anfangs ein Volumen von 150 Millionen Euro. Inzwischen haben Sie Beteiligungen verkauft, wie etwa StudiVz an Holtzbrinck. Wie viel Geld hat der Fonds jetzt?
Die Summe sage ich Ihnen nicht, aber wir reinvestieren das Geld, das wir durch Verkäufe realisieren, wieder in neue Start-ups. Es wird eher mehr als weniger.

Gibt es mehr Geld als gute Ideen?
Einen Tick mehr, ja. Wir würden gern mehr investieren.

Sie könnten in andere Bereiche als das Internet investieren, etwa in Biotechnologie.
Wir haben ein Investment in eine Technologie für Windkrafträder und eine in eine Technologie für Biogas, weil wir gern dort investieren, wo Technik das Verhalten der Menschen ein kleines Stück verändert. Aus persönlichem Interesse haben wir uns über Jahre mit dem Thema regenerative Energien beschäftigt. Wir werden das ausbauen, aber dort sind wir vielleicht noch einen Tick selektiver als bei Internet-Firmen.
Wollen Sie nicht selbst wieder gründen?
Im Moment sind wir sehr, sehr gern Investoren.

Sie schauen sich weltweit um: Wo kommen die besten Unternehmensideen her?
Das Silicon Valley holt man nicht in ein paar Jahren ein. Aber der Abstand ist sehr viel kleiner geworden. Die Qualität der Ideen verbessert sich hier schneller als drüben. Die Reihenfolge ist im Moment: USA, Deutschland, dann England und Skandinavien und danach China. China ist vor allem im Bereich Online- Spiele sehr schnell.

Kann die Politik etwas tun, damit Deutschland besser vorankommt?
Der Schritt, Unternehmerlehrstühle zu fördern – also Kurse, wo man lernt, was es heißt es Unternehmer zu sein – hat viel gebracht. Das sollte man auf viel mehr Universitäten ausweiten. Deutschland müsste noch mehr Wettbewerb im Telekommunikationsbereich haben und es müssten Anreize für mehr Investitionen geschaffen werden. Ich finde es schade, dass Menschen in einem Land wie Südkorea im Schnitt dreimal so viel Bandbreite zur Verfügung haben, wie wir in Deutschland. Es wird zu viel Geld in Kohle und andere Industrien gesteckt – und zu wenig in Zukunftsindustrien.

Das Gespräch führte Corinna Visser

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