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Oliver Zipse (55) hat seine Karriere ausschließlich bei BMW gemacht. Seit 1991 arbeitet er im Unternehmen – zuletzt als Produktionsvorstand.

© Falk Heller/imago

Oliver Zipse: Wofür der Neue an der BMW-Spitze steht

Oliver Zipse wird BMW-Chef. Der neue starke Mann gilt als Manager alter Schule – das mögen nicht alle.

Bei BMW geht es jetzt ganz schnell. In kaum vier Wochen tritt Oliver Zipse bereits als neuer Vorstandschef des Autokonzerns an, knapp vier Wochen später wird der 55-Jährige in seiner neuen Funktion erstmals auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt auftreten.

Ein Termin mit Symbolkraft: Vor vier Jahren brach hier Noch-BMW-Chef Harald Krüger (53) vor laufenden Kameras zusammen. Die Zweifel, ob er der Richtige an der Spitze des Dax-Konzerns sei, verstummten danach nicht mehr. Nun ist das Geschichte. Krüger wird nach nicht einmal vier Jahren im Amt am 15. August gehen. In der Münchener Firmenzentrale, dem „Vierzylinder“, ist man sich nicht sicher, ob er BMW sogar ganz verlässt.

Oliver Zipse ist jetzt der starke Mann, und das Tempo, mit dem er den Chefsessel übernimmt, zeigt, wie dringend BMW Orientierung braucht. „Es musste ein Hebel umgelegt werden“, heißt es im Unternehmen. Das haben auch Stefan Quandt und Susanne Klatten erkannt, die zusammen knapp die Hälfte der BMW-Aktien halten. Der Aufsichtsrat des Autoherstellers, der von den Quandt-Erben dominiert wird, hat den bisherigen Produktionsvorstand Zipse am Donnerstagabend bestellt.

Offen ist, ob der unterlegene Klaus Fröhlich bleibt

Er setzte sich gegen den drei Jahre älteren Entwicklungschef Klaus Fröhlich durch, den Beobachter als „Übergangslösung“ gesehen hätten. Denn mit 60 Jahren ist die Karriere bei BMW in der Chefetage in der Regel beendet. Zipse galt als Favorit der Quandts und der Arbeitnehmer. Offen ist, ob Fröhlich seine Rolle als Entwicklungschef unter Zipse fortsetzen wird. Im Gespräch sind höhere Bezüge und mehr Macht, um den einflussreichen Manager zu halten. Sein Verhältnis zu Zipse wird als schwierig beschrieben.

Die Erwartungen an den neuen CEO sind hoch. Aufsichtsratschef Norbert Reithofer würdigte Zipse als „führungsstarken Strategen und Analytiker“, der BMW „zusätzliche Impulse bei der Gestaltung der Mobilität der Zukunft“ geben werde.

Mit dem in Heidelberg geborenen Manager mit dem Schmiss an der Oberlippe verbindet man bei BMW den Wunsch nach stärkerer Führung. Dabei passt Zipse perfekt in das Persönlichkeitsprofil, das die Quandt-Familie schon immer vorgezogen hat: ein solider, distinguiert auftretender Konzernchef – stets mit Krawatte und Scheitel –, der keine halsbrecherischen Experimente wagt, aber doch dem Ruf des Autobauers gerecht wird, der innovativste Premiumhersteller der Branche zu sein.

Insider beschreiben Zipse, der seine Karriere seit 1991 ausschließlich bei BMW machte, als zugeknöpft und „nicht so furchtbar beliebt“ im Unternehmen. Anders als sein zugänglicher, eher um einen Konsens bemühte Vorgänger denke Zipse in Hierarchien. „Es ist nicht aufgefallen, dass er mit den Leuten in der Kantine gegessen hat“, heißt es.

Mercedes hat BMW überholt

Fachlich steht der diplomierte Maschinenbauer für Kontinuität. Mit dem Produktionsvorstand verbindet sich ein ausgeklügeltes Netz an weltumspannenden Produktionsstandorten, die den Konzern mit den Marken BMW, Mini und Rolls Royce weniger abhängig von Handelskonflikten und konjunkturellen Schwankungen gemacht haben.

So baut der Konzern etwa den Stadtgeländewagen X3 inzwischen in den USA, China und Südafrika und kann die Märkte so je nach Bedarf beliefern. BMW gilt deshalb als vorbildlich in der Branche. „Wenn etwas rundläuft bei denen, dann sind es die Werke“, meint ein Brancheninsider anerkennend. Allerdings erwies sich die Stärke auf dem US-Markt zuletzt auch als Angriffspunkt für den Protektionismus von US-Präsident Donald Trump. So belasten Strafzölle im Außenhandel zwischen den USA und China auch die Exporte von BMW aus seinem Werk in Spartanburg.

BMW ist insgesamt im Wettbewerb zurückgefallen, der Rivale Mercedes hat die Münchener zwischenzeitlich bei Absatz und Rendite überholt. Die Strategie, früh mit der i-Serie in die Elektromobilität einzusteigen, erwies sich als teure Pionierarbeit. Konkurrenten wie Volkswagen haben inzwischen milliardenschwere Investitionsprogramme in die Zukunftstechnologie gestartet. Zu Jahresbeginn hat BMW erstmals seit zehn Jahren rote Zahlen geschrieben. Tesla nahm BMW mit dem Model 3 Kunden weg.

Erfolge in der Produktion reichen nicht aus

Als Erfolg gilt das System von Leit- und Partnerwerken, das Zipse eingeführt hat. Seitdem haben Standorte die Oberaufsicht für bestimmte Fahrzeugsegmente, andere müssen sich unterordnen. Spartanburg etwa hat eine führende Rolle bei der X-Baureihe. Zugerechnet wird Zipse auch, dass er damit begonnen hat, die Produktion so aufzustellen, dass die Werke alle Antriebsarten bauen können, vom Verbrenner über Hybridautos bis zum reinen Stromer.

Erfolge in der Produktion allein reichen nach Meinung von Experten jedoch nicht aus, um einen Autobauer auf dem Weg in die Elektromobilität zu steuern – der sich zudem gegen die zunehmende Konkurrenz von IT-Konzernen behaupten muss. „BMW braucht einen Vorstandschef, der den Markt mehr als allein die Produktion im Blick hat“, warnt Branchenexperte Helmut Becker, früher selbst bei BMW in leitender Funktion. Zu wissen, welche Technologietrends, Kundenwünsche oder Wettbewerber das eigene Geschäftsmodell herausfordern, werde wichtiger als die Binnensicht des Prozessoptimierers.

Ein CEO müsse „in der Lage sein, Teams aufzubauen, Talente anzuziehen und eine Kultur zu fördern, die sich zunehmend an der Unterhaltungselektronik und der Dynamik des Internet orientiert“, sagt auch Carsten Breitfeld, Chief Executive von Iconiq Motors aus China und selbst ehemaliger BMW-Ingenieur. Der Chef eines Autokonzerns müsse begeistern können und die Mitarbeiter mitnehmen.

Das Comeback der Krawatte

Das gehört – bisher jedenfalls – nicht unbedingt zu Zipses Stärken. Der Vater von zwei erwachsenen Söhnen, verheiratet mit einer Japanerin, wird eher als Manager alter Schule beschrieben. „In einem Monat tragen bei BMW alle wieder Krawatte“, heißt es scherzhaft. Zipse ist ein gewandter Gesprächspartner, er spricht fließend englisch, bewegt sich gern auf der großen Bühne und fährt auch mal die Ellbogen aus. In einer von „Alphamännern“ dominierten Branche müsse das kein Nachteil sein, sagen Beobachter. Ob er auch gut darin sei, Partnerschaften – etwa wie mit Daimler – zu managen, müsse abgewartet werden.

Harald Krüger war 2015 – damals als jüngster Vorstandschef eines Automobilherstellers – vom Aufsichtsrat ausgewählt worden, um das „Wir-Gefühl“ bei BMW zu stärken. „Krüger war anders“, lautet eine Beschreibung aus seiner Umgebung. Wie Zipse gelangte auch Krüger über das Produktionsressort an die Spitze. Ein begehrtes Sprungbrett bei BMW. Schon Krügers Vorgänger Joachim Milberg und Norbert Reithofer leiteten zunächst diese größte Sparte des Konzerns, bevor sie nach ganz oben befördert wurden. Reithofer wechselte 2015 in den Aufsichtsrat – und zieht dort immer noch die Fäden. mit rtr

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