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Wirtschaft: Olympische Perfektion

Den Sponsoren zuliebe ist der Fackellauf diesmal ein logistischer und teurer Kraftakt

Von Gabriel Kahn Das Olympische Feuer ist die wohl am besten geschützte Flamme auf diesem Planeten. An Bord zweier Boeing 747 namens Zeus und Hera wurde das Feuer in diesem Jahr erstmals von einem Erdteil zum anderen gebracht, ehe es am 9. Juli Athen erreichte. Der logistische Aufwand für diesen internationalen Fackellauf war gewaltig: Ein VollzeitTeam von 110 Personen, plus gut 20 zeremonielle Priesterinnen, sowie Polizeieskorten am Boden. Die vom Organisationskomitee Athen 2004 getragenen Kosten dafür belaufen sich auf insgesamt 40,2 Millionen Euro.

Traditionell legt die Flamme einen direkten Weg zurück. Sie wird alle zwei Jahre im griechischen Olympia, ihrem historischen Ursprungsort, entzündet und reist von dort in einem Staffellauf nach Sydney, Salt Lake City oder wo immer die Spiele abgehalten werden. Diese Tradition wäre in diesem Jahr weniger spektakulär ausgefallen, denn Olympia liegt nur circa 160 Kilometer von Athen entfernt.

Die beiden Sponsoren der Fackel, Coca-Cola und Samsung, wären aber um die Chance gebracht worden, ihre Produkte zu verkaufen, wäre nur diese kurze Distanz zurückgelegt worden. Für die Sponsoren, die dem Organisationskomitee eine beträchtliche, geheim gehaltene Summe boten, lag der Reiz darin, jede Station des Staffellaufs zu einem gigantischen Marketing-Event zu machen. Das Komitee schlug deshalb ein ehrgeiziges Konzept vor: einen internationalen Fackellauf über sechs Kontinente und durch 34 Städte.

Daraufhin wurde die Flamme auf sechs „Tochterflammen“, aufgeteilt. Jeweils drei reisten an Bord der beiden Boeings. „Auf die Weise war für Abhilfe gesorgt für den Fall, dass eines der Flugzeuge abgestürzt wäre“, erklärt Spyros Lambridis, ein ehemaliger griechischer Diplomat und eine Art Fackel-Botschafter. An Bord der Boeing Zeus befanden sich zehn BMW-Motorräder und acht Ironman-Triathleten und Marathonläufer, die die Flamme und die Läufer auf jeder Etappe eskortierten und den „Sicherheitstross“ für die Fackel bildeten.

Der Fackellauf wurde mit den Spielen in Berlin 1936 wieder eingeführt, um den Olympischen Spielen der Neuzeit eine klassische Note zu verleihen. Das Ritual der Moderne, das mittlerweile alle zwei Jahre im Tempel der Hera in Olympia vollzogen wird, bemüht sich um historische Detailtreue. Mit einer wichtigen Abweichung: Im antiken Griechenland waren die 26 Priesterinnen, die den Ritus mit einem Gebet für Apollo, den Gott des Lichts, beginnen, echte Jungfrauen. „Doch das ist keine Bedingung für die moderne Zeremonie“, sagt Georgios Chalkidis, der im griechischen Olympiakomitee für das Flammen-Protokoll zuständig ist.

Die heutige Hohepriesterin ist Thalia Prokopiou, eine populäre Schauspielerin. Bevor die Flamme entzündet wird, schneiden die Priesterinnen einen Olivenzweig. Sobald sie brennt, beten sie zu Zeus für Frieden und den sicheren Einzug des Feuers ins Stadion. Der Olivenzweig wird dem ersten Fackelträger übergeben. Ein identisches Ritual wird im voraus auf Video aufgezeichnet für den Fall, dass am vereinbarten Tag Schauer niedergehen.

Selbst eine Flamme, die von den Göttern entzündet wurde, braucht eine Sondererlaubnis, um an Bord eines Flugzeuges zu gehen. Fast zwei Jahre lang wurde daran gearbeitet, Vereinbarungen mit nicht weniger als 27 nationalen Flughafenbehörden zu erzielen, damit die Maschinen Zeus und Hera die flammende Fracht transportieren können. An Bord wurden die Laternen in einer speziellen Haltevorrichtung nahe der Bordküche verschraubt. Steve McCarthy, Chef der für die Begleitung der Flamme zuständigen Firma Além International Management, erläutert die Ernsthaftigkeit des Unternehmens: „Wäre die Flamme erloschen, hätten wir sie nicht einfach wieder angezündet. Im dem Fall wären wir zurückgeflogen nach Olympia, um sie neu zu entzünden.“ McCarthy entwickelte ein ausgeklügeltes System, um sicherzustellen, dass das Feuer stets brennt.

Während des Fackellaufes wurden die sechs Laternen nachts auf drei Hotelzimmer verteilt, mit zwei Bewachern, von denen einer immer wach sein musste. Auch während des Laufs waren alle auf das Unmögliche eingestellt: „Wir nennen das ‚Flame-Out’“, sagt Steven Pugsley, ein Polizist und Marathonläufer aus Colorado. „Seitenwind ist unser größtes Problem.“ Im Fall eines „Flame-Outs“, wenn die mit Gas betriebene Fackel plötzlich ausgelöscht wird, holen die Läufer der Eskorte mit der Präzision einer Formel-Eins-Boxencrew eine der Tochterflammen, die in einem Konvoi hinter dem Fackelträger transportiert werden, und mit der die Hauptfackel wieder entzündet werden kann. Dieses Prozedere dauert weniger als 15 Sekunden. „Wir haben Notpläne für so ziemlich alles, was schief laufen könnte“, sagt Steve McCarthy.

Übersetzt und gekürzt von Matthias Petermann (Olympia), Tina Specht (Fish and Chips) und Christian Frobenius (Schrimps, Fitness)

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