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Wirtschaft: Operation Rasenmäher

Mit 155 Milliarden Euro alimentiert der Staat seine Klientel und klamme Firmen. Nun will er pauschal kürzen – doch das ist nur der zweitbeste Weg

SUBVENTIONEN – WIE DER STAAT DAS GELD VERSCHLEUDERT

Wenn es darum geht, der Wirtschaft Gutes zu tun, lässt sich die Bundesregierung nicht lumpen. 2,6 Millionen Euro, damit sich norddeutsche Kutterfischer neue Schiffe kaufen können? Bitte sehr. 78 Millionen Euro, damit Flugzeugbauer ihre Jets an den Mann bringen? Kein Problem. 297 Millionen Euro, damit Bauern ihre Traktoren mit billigem Sprit betanken können? Aber mit Vergnügen. Eine Million Euro, damit Karussellbesitzer für ihre Lastwagen keine Steuern zahlen müssen? Von Herzen gern.

Der Staat ist pleite – doch Subventionen verteilen die Politiker weiterhin mit vollen Händen für alles und jeden. 57,8 Milliarden Euro pumpt der Staat nach Angaben Berlins in die Wirtschaft. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Genau genommen verteilen Bund, Länder und Kommunen pro Jahr 155,6 Milliarden Euro im Land, hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) für 2002 ermittelt – das ist noch etwas mehr als der Jahresumsatz von Daimler-Chrysler. Das IfW zählt nicht nur die direkten Zuschüsse und Steuergeschenke, sondern auch Vergünstigungen für halbstaatliche Institutionen hinzu. Kaum eine Bevölkerungsgruppe, die so von den Gaben nicht profitiert – Förster wie Feiertagsarbeiter, Kindergärten wie Kurbademeister, Verkehrsgesellschaften wie Volkshochschulen, Seeleute wie Solarzellenfabrikanten.

Aber nun soll Schluss sein, drängt Kanzler Gerhard Schröder. Damit die Steuerreform 2005 vorgezogen werden kann und die Konjunktur endlich anspringt, muss der Bund 18 Milliarden Euro mobilisieren. Im regulären Etat, in dem neun von zehn Euro für Personal und Zinsdienst verplant sind, dürfte diese Summe kaum aufzubringen sein. Da bleiben nur die Subventionen. „Die Chance für einen Abbau war noch nie so groß“, frohlockt Alfred Boss, Finanzexperte des IfW.

Seit jeher sind die staatlichen Finanzhilfen und Vergünstigungen Wirtschaftsforschern ein Dorn im Auge. Denn die Überweisungen vom Fiskus lähmen das Wachstum: Der Staat sammelt bei allen Steuerzahlern Geld ein, um damit eine kleine Klientelgruppe zu begünstigen. Die Rechtfertigungen sind so vielfältig wie schillernd: Familien sollen schneller zum Eigenheim kommen, Landwirte ihren Betrieb auf Öko-Produktion umstellen, einstige Bergbaustädte vor dem Kollaps gerettet und Theater vor der Schließung bewahrt werden. Am Ende ist das Ergebnis stets das Gleiche: Durch die staatliche Einmischung werden Preise verzerrt – und Branchen, Produkte oder Einrichtungen, für die es eigentlich keinen Markt gibt, werden künstlich am Leben gehalten. Oder Berufspendler, Nachtarbeiter oder Seeleute bekommen einen lukrativen Einkommensteuer-Rabatt.

So kommen unter dem Strich eindrucksvolle Summen zusammen. Von zehn Euro fließen 5,50 Euro an die Wirtschaft. So bekommen halbstaatliche Dienstleister wie Krankenhäuser und Kindertagesstätten 45,2 Milliarden Euro. Dabei gäbe es andere Wege, die gerechter und effektiver wären: Ambulante Behandlungen stehen stationären oft in nichts nach, und ein höheres Kindergeld ließe Eltern die Wahl, ob sie den Nachwuchs lieber in der Kita oder bei einer Tagesmutter unterbringen wollen. Und von den Nutzern von Volkshochschulen, Museen oder Stadtbüchereien könnte man kostendeckende Preise verlangen – sie sind Luxus, denn sie verbessern das Bildungsniveau nicht in dem Maß wie eine Universität oder eine Schule.

Ein weiterer großer Brocken ist der Verkehrssektor, in den 24,3 Milliarden Euro fließen. Grund: Die Bundesländer bezuschussen Regionaleisenbahnen, Fahrkarten kosten nur den halben Mehrwertsteuersatz. Doch wer die Umwelt schützen will, muss nicht die Eisenbahn subventionieren – besser wäre es, den Autoverkehr stärker zu belasten, schlagen die Forscher des IfW vor.

Für welche Kürzungen sich die Bundesregierung auch entscheidet – Ärger mit den Lobbygruppen wird sie sich auf jeden Fall einhandeln. An „persönliche Diffamierungen und brennende Strohpuppen mit meinem Namen“ erinnert sich Ex-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP), der 1997 die Steinkohle-Beihilfen streichen wollte.

Um den Lobbyisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, schlagen Regierungs- wie Oppositionspolitiker vor, die Subventionen pauschal um zehn Prozent zu kürzen. Ökonomen ist das zu feige. „Die Rasenmäher-Methode ist eine politische Bankrotterklärung“, wettert der Berliner Wirtschaftsweise Jürgen Kromphardt. Der Staat müsse zwischen schädlichen und weniger schädlichen Zahlungen entscheiden – deshalb solle er „die Agrar-Subventionen und die Wohnungsbauförderung kürzen und die Steinkohle-Beihilfen weiter abbauen“.

Immerhin winkt für dieses politischen Kraftakt ein süßer Lohn: Würde Rot-Grün die Subventionen komplett kürzen, könnte der Eingangssteuersatz inklusive Solidaritätszuschlag von jetzt 21 Prozent auf 8,0 Prozent sinken, der Spitzensteuersatz von heute 51,2 auf nur noch 19,4 Prozent. Schon die Hälfte würde vermutlich ausreichen, um Deutschland einen seit Jahren nicht gekannten Wirtschaftsboom zu bescheren. Dafür muss die Regierung aber nun Farbe bekennen, verlangt Hans-Werner Sinn, Chef des Münchener Ifo-Instituts – und schleunigst Sparvorschläge präsentieren. „Alles andere ist bloß Polit-Theater.“

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