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Zurzeit sind geschätzt 1,2 Millionen Tonnen Äpfel zu viel auf dem Markt. Vor allem aus Polen, das nicht mehr an Russland liefern kann.

© dpa

Opfer des Russland-Konflikts: Deutsche Bauern werden ihre Äpfel nicht los

Unter dem russischen Lebensmittel-Embargo leiden in Deutschland vor allem Apfel- und Milchbauern. Wer sonst keine Einnahmequellen hat, macht dicht.

Berlin - Geht es nach Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, wird in diesem Herbst besonders viel Apfelkuchen gegessen. Anfang September hat er die Deutschen dazu aufgerufen, einfach gegen das russische Lebensmittelembargo anzuessen. „Sie sollten essen, ich sollte essen, wir sollten essen", sagte der CSU-Politiker. Und das vor allem eben Äpfel – denn denen steht ein besonders schwerer Preissturz bevor.

Das eigentliche Problem der deutschen Gemüse- und Obstbauern ist dabei nicht, dass sie nicht mehr nach Russland liefern können. Denn die Menge an Lebensmitteln, die nach Russland geht, war hierzulande auch schon vor dem Embargo vergleichsweise gering. Im vergangenen Jahr gingen rund fünf Prozent der deutschen Fleischexporte an Russland. Bei Obst und Gemüse war es sogar nur ein Prozent. Europaweit spielt der russische Markt hingegen durchaus eine Rolle. 2013 ging dem Deutschen Fruchthandelsverband zufolge Obst und Gemüse im Wert von zwei Milliarden Euro aus der EU nach Russland. Stark betroffen von dem Boykott ist unter anderem Polen, das für gewöhnlich einen großen Teil seiner Apfelernte nach Russland exportiert. Für diese Äpfel suchen die polnischen Bauern nun neue Abnehmer – und drängen auf den deutschen Markt.

Der Preis hat sich halbiert

Das Ergebnis sind sinkende Preise. Für ein Kilogramm Äpfel bekamen Obstbauern vor einem Jahr noch etwa 40 Cent. „Diesen Herbst wird es etwa die Hälfte sein“, sagt Thomas Bröcker. Auf seinem Hof in Frankfurt an der Oder bewirtschaftet er eine Fläche von 35 Hektar Obst. Auf über der Hälfte der Felder stehen Apfelbäume, die mittlerweile erntereife Früchte tragen. Wie stark das russische Embargo die Apfelpreise beeinflusst, wird Bröcker erst in den kommenden Wochen erfahren, wenn die Hauptvermarktungszeit beginnt. Er befürchtet einen harten Winter. „Ich schätze, dass zurzeit etwa 1,2 Millionen Tonnen Äpfel zu viel auf dem Markt sind.“ Der Deutsche Fruchthandelsverband geht zudem von einer Rekordernte in diesem Jahr aus.

Neben den Obst- und Gemüsebauern werden auch die Milchbauern von dem verstärkten innereuropäischen Wettbewerb unter Druck gesetzt. Hiesige Milchbauern bekommen zurzeit vor allem Konkurrenz aus Dänemark. Die dortigen Produzenten haben sich in den vergangenen Monaten verstärkt dem deutschen Markt zugewandt, um Absatzverluste in Russland auszugleichen. Das Überangebot macht der Einzelhandel sich zunutze. Anfang September senkte Aldi den Preis für Butter bereits um 14 Prozent, demnächst stehen Verhandlungen zum Käse- und Joghurtpreis an. „Auch dort sind Preissenkungen nicht unwahrscheinlich“, sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Die Bauern selbst können dabei wenig mitreden. Sie verkaufen ihre Milch an Molkereien, die diese weiterverarbeiten und Preise mit dem Handel festlegen.

Wer indirekt betroffen ist, hat kaum Aussicht auf Finanzhilfen

Die Produzenten haben kaum Möglichkeiten, sich gegen die sinkenden Preise zu wehren. Die EU hat Anfang September zwar Unterstützung für die private Lagerhaltung von Milchprodukten zugesagt. Das bedeutet, dass Molkereien und andere Verarbeiter Milchpulver und -produkte eine Zeit lang einlagern können und dafür finanzielle Hilfen von der EU bekommen. Das soll die Preisfindung zugunsten der Molkereien beeinflussen. „Für das derzeitige Überangebot sind die Lager aber bei weitem nicht groß genug“, sagt Lohse.

Im Laufe der Woche will die EU-Kommission sich zu weiteren Hilfen für die vom russischen Boykott gebeutelten Landwirte äußern. Dem Bundeslandwirtschaftsministerium zufolge wird es eine Aufstockung der finanziellen Mittel geben, die Mitte August bereitgestellt wurden. 125 Millionen Euro sollten europäische Obst- und Gemüsebauern erhalten, um die Einkommensausfälle abzufedern. Schon ein paar Wochen nach der Ankündigung legte die EU die Subventionen allerdings wieder auf Eis. Grund dafür war, dass allein aus Polen eine Flut aus Anträgen einging. Die Kommission prüfe diese nun, sagt Lohse. Die Aussicht für deutsche Landwirte, etwas von den Geldern zu erhalten, ist aber ohnehin gering, da sie hauptsächlich indirekt von dem Embargo betroffen sind.

Die Arbeiter kosten mehr als das Fallobst

Trotz angespannter Marktlage werde es in Deutschland nicht zu einer Vernichtung von Lebensmitteln kommen, glaubt Lohse – zumindest bei Milchprodukten. Beim Obst und Gemüse ist sich der Experte nicht so sicher. „Ich kann nicht garantieren, dass in diesem Herbst jeder Baum bis zum letzten Apfel gepflückt wird.“ Auch Apfelbauer Bröcker hält das für unwahrscheinlich. Der Preis für Äpfel, die später etwa zu Saft weiterverarbeitet werden, ist schon jetzt stark gesunken. Für Fallobst erhielten Bauern mittlerweile nur noch zwei Cent pro Kilogramm. „Das ist zu wenig, um überhaupt Arbeiter für das Aufheben anzustellen“, sagt Bröcker. Alleine in seiner Gegend kenne er zwei Kollegen, die ihren Hof aufgeben werden. „Wer kein Polster hat, muss diesen Herbst dichtmachen.“

Lisa Kolde

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