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Der Graf und sein Anwalt. Matthias Graf von Krockow (links) war bis 2009 Vorstandssprecher von Sal. Oppenheim. Er ist einer von fünf Angeklagten.

© AFP

Oppenheim-Prozess: Untreue Banker

In Köln hat der Strafprozess gegen vier Ex-Chefs von Sal. Oppenheim und ihren früheren Geschäftspartner Josef Esch begonnen. Es ist einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse der Nachkriegszeit.

Sie haben ihre Jobs verloren, einen Großteil ihres privaten Vermögens und ihren tadellosen Ruf. Und sie haben eine Bank aufs Spiel gesetzt. Sal. Oppenheim war bis zur Übernahme durch die Deutsche Bank 2010 das größte unabhängige Geldhaus in Familienbesitz, das es in Europa gab. Gegründet im Jahr der Französischen Revolution, hat es deutsche Industriegeschichte geschrieben und galt als vornehmste Adresse für reiche und superreiche Anleger. Dann verspekulierten sich die Privatbankiers, gingen mit dem Arcandor-Konzern unter, an den sie sich aus bisher ungeklärter Treue banden.

Nun müssen sie vor Gericht erscheinen. Als Angeklagte, denen vorgeworfen wird, sich gewissermaßen gegen die eigene Bank, deren Teilhaber sie waren, verschworen zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Untreue in einem besonders schweren Fall vor.

Ob es Gram ist, der die Gesichtszüge des früheren Sprechers der Bank Matthias Henning Graf von Krockow an diesem Mittwochmorgen in Saal 210 des Kölner Landgerichts in die Tiefe zieht? Oder einfach nur die ungewohnte Situation, als treibende Kraft einer Art kriminellen Vereinigung betrachtet zu werden? Es lässt sich bei dem großgewachsenen 63-Jährigen nicht erkennen. Erst als mit Josef Esch jener Mann den holzgetäfelten Sitzungssaal betritt, mit dessen Freundschaft alles begonnen hat, hellt sich seine Miene kurz auf, blitzt etwas von der alten Jovialität in ihm auf.

Der Graf soll sich aus dem gesellschaftlichen Leben Kölns zurückgezogen haben. Ebenso der mitangeklagte frühere Risikomanager Friedrich Carl Janssen, 68. Wie es mit dem letzten Namensträger in der Bank, dem 47-jährigen Christopher Freiherr von Oppenheim, und dem Mitangeklagten Dieter Pfundt weitergeht, ist offen. Aber dass da noch etwas ist von der alten Macht, das demonstrieren die früheren Oppenheim-Lenker zum Prozessauftakt eindrucksvoll. Sie haben eine Phalanx namhafter Verteidiger aufgeboten. Und die zwingt die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker denn auch gleich, die Verhandlung wegen strittiger Verfahrensfragen auszusetzen.

Was den Angeklagten dieser Aufschub bringt, ist nicht ganz ersichtlich. Aber offenkundig folgen sie der von einem ihrer Anwälte vorab verbreiteten Einschätzung, dass der Prozess „verfrüht“ stattfinde. Oft werden Streitwerte in Wirtschaftsprozessen durch überraschende Konjunkturen berichtigt. Vielleicht erhofft man sich durch den Zeitgewinn aber auch nur, die eigenen Vermögen besser ordnen und überhaupt das Geld für den kostspieligen Abwehrkampf auftreiben zu können. Jedenfalls soll die Staatsanwaltschaft als Treiberkolonne rüberkommen, der es gar nicht schnell genug gehen kann. Erst reißt sie den verwickelten Fall in einzelne Teilkomplexe auseinander, um diese dann überhastet wieder zusammenführen zu wollen.

Wie ungleich die Waffen allerdings verteilt sind, scheint in der Antwort des Oberstaatsanwalts auf. Man habe zur Bearbeitung der Causa Oppenheim lediglich einen Staatsanwalt, zweieinhalb Polizeibeamte und eine Wirtschaftsreferentin zur Verfügung gehabt. Das ist nicht viel, um die mutmaßliche Selbstbedienungsmentalität der früheren Führungsriege aufzudecken.

Für das erste Verfahren haben die Ankläger drei besonders krasse Fälle isoliert. Die erklären zwar noch lange nicht, warum Sal. Oppenheim nach einer Bilanzsumme von 40 Milliarden Euro 2007 drei Jahre später 1,7 Milliarden nicht mehr aufbringen kann. Aber sie werfen eine Schlaglicht auf die unheilvolle Verquickung von privaten und Bankinteressen. So sollen sich die Beschuldigten auf Kosten der Bank an Immobilien bereichert haben, die sie unter Wert von der Bank mieteten oder weit über Wert an sie vermieteten. Sie machten also Geschäfte mit sich selbst, während das Bankhaus die Rechnungen beglich.

Da ist zum einen der Fall der bei Familienunternehmen oft ins Groteske gehenden Witwen-Versorgung. Nach dem Tod des Familienpatriarchen Alfred Freiherr von Oppenheim 2005 musste seiner Frau Jeanne eine neue gleichwertige Bleibe verschafft werden. Sohn Christopher war in das Stammhaus in der noblen Kölner Lindenallee gezogen. Für die Mutter war bereits Jahre vorher eine Villa in der Nähe ausgeguckt worden, die dann für 3,9 Millionen Euro gekauft und für weitere 8,4 Millionen den Ansprüchen der Kunstsammlerin angepasst wurde.

Die Ausbauten übernahm eine Firma Eschs. Die Renovierungskosten stiegen in die Höhe und wurden wie selbstverständlich von der Bank übernommen. Christopher von Oppenheim soll zwar versprochen haben, zumindest die Mehrkosten durch die Sonderwünsche seiner Mutter zu begleichen, tat dies aber nie. Nicht nur betrug der Wert der Villa nach der Fertigstellung nicht mal die Hälfte der von der Bank aufgewendeten Renovierungskosten. Auch der Mietpreis fing die Baukosten nicht ab.

Mit welcher Akribi die Angeklagten vorgingen, will die Staatsanwaltschaft an zwei anderen Fällen belegen. In beiden sollte das Bankhaus zur eigenen Nutzung Büroimmobilien erwerben. Von Krockow und sein Schwager und Aufsichtsratschef Georg Baron Ullmann fädelten es so ein, dass nicht die Bank als Eigentümer auftrat, sondern eine von ihnen und Esch gegründete Firma namens ADG. Die operierte weitgehend verdeckt, da das Konstrukt aus Strohfirmen die Sicherheiten für die Deals nicht hätte aufbringen können. Darüber hinaus wurden von Esch Rechnungen für Leistungen gestellt, die nie erbracht wurden. Es wurden Garantien ohne Obergrenze abgegeben.

Wieder stiegen die Kosten in der Bauphase bei beiden Projekten. Wieder wurden die Rechnungen gegen die Einwände von Bankmitarbeitern bei Sal. Oppenheim beglichen, obwohl es Kosten der ADG hätten bleiben müssen. Im Fall des Kölner Bürogebäudes führte das überdies zu einer sich weit über den Marktpreis verdoppelnden Miete. Und als es im Zuge der Finanzkrise 2008 für das Frankfurter Projekt eng wurde, veranlassten die ADG-Teilhaber, dass die Bank ihre Anteile übernahm. Die Bankvorstände sorgten dafür, dass eine Überprüfung des realen Immobilienwerts unterblieb. Sie schoben ihre eigenen Verluste an die Bank ab. Insgesamt soll dem Bankhaus auf diese Weise ein Schaden von 143 Millionen Euro entstanden sein.

Das ist nichts im Vergleich zu der knappen Milliarde, die im Arcandor-Flopp zu Buche schlug. Aber es ist ein Lehrstück in Sachen Finanzfilz.

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