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Die Zukunft der Konzerne liegt im Wind. Unter anderem. Für einige Jahrzehnten werden auch noch Kohle und Gas gebraucht. Foto: dpa

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Wirtschaft: Orientierungslos

Die vier großen Energiekonzerne tun sich schwer mit der Wende zu erneuerbaren Energien. Vattenfall profitiert von Kohle

Berlin - Der Atomausstieg ist bitter für den grünen Ministerpräsidenten. Winfried Kretschmann spricht von zwei Baustellen, die ihm sein Vorgänger hinterlassen hat – das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 und der Energiekonzern EnBW. Kein anderer Stromerzeuger hierzulande ist so abhängig von der Atomkraft. Kretschmanns Vorgänger Stefan Mappus hatte sich das so schön gedacht, als er Ende vergangenen Jahres von der französischen EdF deren EnBW-Anteil von 46,66 Prozent für 4,7 Milliarden Euro kaufte. Mit der Dividende wollte der clevere Mappus den Kauf finanzieren und die Beteiligung dann später irgendwann und natürlich mit Gewinn wieder verkaufen. Dann passierte Fukushima. Kretschmann gewann die Wahl, und die Energiewende der Bundesregierung veränderte die Geschäftsbedingungen der Energiekonzerne. Auf viel Dividende kann Kretschmann jetzt nicht mehr hoffen. Im Gegenteil: Das Land müsste Geld zuschießen, um der Energietochter die Entwicklung von Erneuerbaren zu ermöglichen.

Die vier großen Energieerzeuger – Eon, RWE, Vattenfall und EnBW – waren über viele Jahre Renditemaschinen. Die Oligopole verdienten prächtig mit Atomstrom, Kohle und Gas. Vorbei. Die Aktienkurse zeigen den Wandel: Vor einem halben Jahr kostete eine Eon-Aktie knapp 25 Euro, heute nicht mal mehr 15 Euro. Ein Anteilsschein von RWE fiel in der gleichen Zeit von gut 53 auf weniger als 28 Euro. Die verwöhnten Stromriesen taumeln und suchen Orientierung.

So auch der schwedische Staatskonzern Vattenfall, dessen deutsche Tochter 1,1 Milliarden Euro im ersten Halbjahr wegen des Atomausstiegs abschreibt. Dabei haben sich die Vattenfall-Strategen schon länger an ein Geschäftsmodell ohne Atomkraft gewöhnt; Vattenfalls Akw in Krümmel und Brunsbüttel sind pannenbedingt bereits seit Jahren nicht mehr am Netz. Die in Berlin ansässige deutsche Vattenfall Europe AG entstand aus der Bewag, der Hamburger HEW und den ostdeutschen Braunkohleunternehmen. In der Lausitz wird das Geld verdient. Denn Braunkohle, im Tagebau gewonnen und ein paar Meter neben der Abbaugrube im Kraftwerk verstromt, ist superprofitabel. Und die Braunkohle – obgleich noch klimaschädlicher als Steinkohle – wird auch noch einige Jahre gebraucht. Denn wenn 2022 das letzte Akw abgestellt wird, liefern erneuerbare Energien vermutlich 30, maximal 40 Prozent des Stroms. Den Rest steuern fossile Brennstoffe bei, Gas und Kohle.

Das ist gut für Vattenfall. Der Konzern hat Kohlekraftwerke in Betrieb oder in Bau, von denen die modernsten bis mindestens 2050 laufen. Womöglich kommen weitere hinzu. Ein neues Kohlekraftwerk bläst rund 30 Prozent weniger CO2 in die Luft als eine alte Anlage. Womöglich erleichtert das die Durchsetzbarkeit weiterer Kohlekraftwerke auch ohne eine funktionierende CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS). Vattenfall will eigentlich für 1,5 Milliarden Euro eine CCS-Anlage in Jänschwalde bauen, doch wartet mit der Investition auf grünes Licht durch die Politik – vor allem im Hinblick auf Speichermöglichkeiten für das Klimagas. Dabei geht es um immerhin zwei Millionen Tonnen CO2 im Jahr. „Die nehmen die Profite der Braunkohle mit, gehen aber nicht mehr ins Risiko“, beschreibt ein Kenner des Konzerns die abwartende Strategie der Stockholmer Vattenfall-Führung. Immerhin: Mit den Profiten aus der ostdeutschen Kohle kann Vattenfall Windräder auf hoher See finanzieren.

Auch RWE hängt an der Kohle. Und auch RWE hat, wie Vorstandschef Jürgen Großmann einräumt, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu spät und zu zögerlich angepackt. Ausgerechnet jetzt, wo ein Aufholprozess fällig ist, muss der Essener Konzern sparen. Die Schuldenstände von RWE und Eon erreichen mit 28 Milliarden und 38 Milliarden Euro griechische Dimensionen. Großmann hat jetzt die Investitionen gekürzt und will für mehr als 13 Milliarden Euro Beteiligungen und Aktien verkaufen.

Und noch wichtiger für die Zukunft: Großmann geht. Das Image des Zwei-Meter-Manns ist zur Belastung geworden. Kein anderer Energiemanager hat sich so mit der Politik angelegt. Großmann poltert offen und direkt und ziemlich laut. In einer Branche, deren Geschäfte ganz erheblich von politisch gesetzten Bedingungen abhängen, ist das gefährlich. Für Großmann kommt Mitte kommenden Jahres der Niederländer Peter Terium. Der smarte, erst 47 Jahre alte Manager arbeitet seit acht Jahren für RWE. Jetzt muss er den Konzern in die Ökozukunft steuern.

Da will Johannes Teyssen auch hin. Anders als Großmann spart der Eon-Chef nicht Investitionen sondern Personal. 11 000 von insgesamt 85 000 Arbeitsplätzen werden offenbar nicht mehr gebraucht. Vor allem in der Verwaltung gebe es Doppelfunktionen und überhaupt ineffiziente Strukturen. Das kann man sich vorstellen. Geld war immer reichlich vorhanden, so dass im Jahr 2000, nach der Fusion von Veba, Viag, Preussenelektra und Bayernwerk zu Eon, auch hübsche Zentralen für alle möglichen Kräfte eingerichtet werden konnten. Die werden jetzt in München und Hannover geschleift, um Mittel für Investitionen in Indien und Brasilien zu bekommen. Der Standort Deutschland ist dem größten nichtstaatlichen Energiekonzern der Welt zu unattraktiv geworden.

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