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Wirtschaft: Ost-Firmen drohen mit Abwanderung Unternehmer: Strompreise sind deutlich höher als in Westdeutschland. Das ist ein Standortnachteil

Berlin - Die Wirtschaft in Ostdeutschland leidet unter den hohen Strompreisen deutlich stärker als im Westen. Nach Angaben des Verbands der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) ist die Nutzung der Stromnetze in den neuen Bundesländern 18,6 Prozent teurer als in den alten Ländern.

Berlin - Die Wirtschaft in Ostdeutschland leidet unter den hohen Strompreisen deutlich stärker als im Westen. Nach Angaben des Verbands der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) ist die Nutzung der Stromnetze in den neuen Bundesländern 18,6 Prozent teurer als in den alten Ländern. „Für den Osten ist das ein echter Standortnachteil“, sagte Thomas Adam vom VIK dem Tagesspiegel. Noch direkter sagt es Andreas Huhn, Präsident des Arbeitgeberverbands Sachsenmetall: „Bei diesen Preisen ist es absehbar, dass immer mehr Unternehmen abwandern.“

Deutschlandweit waren die Strompreise in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Während eine Megawattstunde (MWh) an der Energiebörse EEX im Januar noch 25 Euro kostete, sind es derzeit rund 50 Euro. Vor allem energieintensive Unternehmen sind davon betroffen: Der für sie relevante Mittelspannungspreis orientiert sich direkt am Preis der EEX. Einzelne Unternehmen wie die Hamburger Aluminiumwerke (HAW) kündigten bereits an, ihre Produktion wegen des teuren Stroms ins Ausland zu verlagern.

Dabei ist das Strompreisniveau in Westdeutschland noch vergleichsweise niedrig. Deutlich härter trifft es den Osten der Republik. Der Grund: Nach der Wiedervereinigung musste massiv in die ostdeutschen Stromnetze investiert werden. „Dieses Geld muss nun wieder reinkommen“, erklärt Hubertus Bardt, Energieexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Ein weiteres Problem ist die geringe Bevölkerungsdichte im Osten: Je weniger Kunden es gibt, desto mehr muss jeder einzelne für die Bereitstellung der Netze aufbringen. Das Gleiche gilt für Industriebetriebe: Da es nur wenige Großabnehmer gibt, verteilen sich die Fixkosten für die Netze auf entsprechend wenige Unternehmen.

Die Stromerzeugung hingegen ist in den neuen Ländern nicht teurer als im Westen. Auch die Belastung durch Steuern und Abgaben ist in etwa gleich. Auf den Endkundenpreis schlagen sich die teureren Netzentgelte daher nicht voll nieder. Laut VIK müssen Ost-Betriebe aber immerhin rund sechs Prozent mehr für ihren Strom bezahlen als vergleichbare Unternehmen im Westen. Die Gewerkschaft IG Metall beziffert die Mehrkosten in einer Studie zum Wirtschaftsstandort Ostdeutschland sogar mit acht Prozent.

„Bei der Standortwahl zwischen Ost- und Westdeutschland können die Energiekosten im Einzelfall entscheidend sein“, sagte IW-Experte Bardt. Ähnlich sieht das Adam vom VIK: „Die Frage, ob energieintensive Unternehmen abwandern, stellt sich im Osten noch stärker als im Westen.“

Die Nähe zu Polen und Tschechien setzt die ostdeutschen Unternehmen dabei zusätzlich unter Druck: Laut Sachsenmetall muss ein Musterunternehmen in Polen nur 4,6 Cent je Kilowattstunde (kWh) bezahlen, in Tschechien sind es sogar nur 4,1 Cent. Ein vergleichbares Unternehmen in Ostdeutschland kommt hingegen auf Kosten von 8,3 Cent je kWh. „Das ist ein europaweiter Spitzenwert“, sagte Verbandspräsident Huhn. Nur in Italien sei Strom noch teurer.

Beim Energiekonzern Vattenfall, der vor allem in Ostdeutschland aktiv ist, hat man das Problem ebenfalls erkannt. Auf der Ebene der Übertragungsnetze seien die Preise höher als im Westen, bestätigte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Neben den hohen Investitionen nach der Wiedervereinigung sei dafür aber vor allem die Windkraft verantwortlich: Denn knapp 50 Prozent des gesamten deutschen Windstroms entfallen auf die Netzzone von Vattenfall. Da Wind aber nur unregelmäßig bläst, entstehen für den Netzbetreiber so genannte Ausgleichskosten. Bei einem weiteren Ausbau der Windkraft könnte sich das Problem sogar noch verschärfen, sagte der Sprecher.

Auch bei den Stromabnehmern macht man sich nur wenig Hoffnung auf eine baldige Angleichung der Verhältnisse zwischen Ost und West. Zwar könnten deutschlandweit die Gebühren sinken, wenn die Bundesnetzagentur künftig die Netzentgelte überprüft, vermutet VIK-Mann Adam. Die Preisunterschiede blieben allerdings bestehen. „Solange es in den neuen Ländern nicht mehr Industriebetriebe gibt, die Strom verbrauchen, ändert sich nichts.“

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