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Wirtschaft: Ostdeutsche Erfolge finden zu wenig Beachtung Schnelle Übernahme der westlichen Systeme bremst das Wachstum

Berlin (asi). Die zum großen Teil unkritische Übernahme des westdeutschen Rechts- und Sozialsystems im Zuge der Wiedervereinigung ist die Ursache für das zu geringe Wirtschaftswachstum der neuen Bundesländer.

Berlin (asi). Die zum großen Teil unkritische Übernahme des westdeutschen Rechts- und Sozialsystems im Zuge der Wiedervereinigung ist die Ursache für das zu geringe Wirtschaftswachstum der neuen Bundesländer. Zu dieser Überzeugung gelangten Wissenschaftler aus West- und Osteuropa, die im Auftrag der Deutschen Nationalstiftung und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) ein Gutachten zur Entwicklung in Ostdeutschland erarbeitet haben.

Die Autoren aus Großbritannien, Tschechien, Polen und den Niederlanden betonen in ihrer Studie „Wo versteckt sich der ostdeutsche Tiger?“ , die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde, dass ihr gewähltes Bild vom „Wirtschaftstiger“ nicht die Situation eines überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums, sondern vielmehr das noch ungenutzte Potenzial dieser Region beschreiben soll. Zwar sei die Wirtschaftskraft gemessen am westdeutschen Niveau immer noch zu gering. Auf der anderen Seite rufen die Wissenschaftler aber dazu auf, den Erfolgen und Leistungen der ostdeutschen Wirtschaft mehr Aufmerksamkeit zu schenken. „Das Selbstwertgefühl ist unterdurchschnittlich entwickelt“, stellen die Wissenschaftler fest. Eine Ursache sei, dass die Menschen 1990 gezwungen waren, sich den Systemen des hoch entwickelten Westdeutschland anzupassen ohne eigene, dem Stand der Transformation entsprechende, Mechanismen entwickeln zu können. Insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit der neuen Bundesländer nennen die Autoren als Beispiel.

„Die Arbeits- und Lohnpolitik der deutschen Regierung und der Gewerkschaften hat tausende Arbeitsplätze gekostet". Doch die Gutachter haben eine „hoch entwickelte“ Infrastruktur sowohl im Verkehr als auch in der Innovations- und Forschungslandschaft ausgemacht. So seien die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Regionen geringer als die regionalen Unterschiede in anderen europäischen Staaten, wie beispielsweise in Großbritannien. Der „Tiger Ostdeutschland“, so die Gutachter, bleibe jedoch in den Köpfen der ostdeutschen Bevölkerung stecken. Die hochgesteckten Erwartungen seien von Anfang an zu unrealistisch gewesen. „Es war ein Fehler, den Ostdeutschen blühende Landschaften zu versprechen". Ostdeutschland habe in besonderer Weise ein mentales Problem. Politik müsse jetzt Selbstsicherheit mobilisieren, um den Aufholprozess voranzutreiben.

Der Präsident des Hallenser Wirtschaftsforschungsinstituts IWH, Rüdiger Pohl, forderte die Landesregierungen in den neuen Ländern auf, die Qualität der bestehenden Forschungseinrichtungen und Universitäten zu überprüfen und auf ihre Effizienz hin zu untersuchen. „Die knappen Gelder müssen besser eingesetzt werden".

Ähnliches sollte mit den staatlich unterstützten Bereichen in der Biotechnologie getan werden. Pohl sagte, das Potenzial Ostdeutschlands liege im Forschungs- und Innovationsbereich. Die Kapazitäten dafür müssten jedoch „weit effektiver“ ausgenutzt werden. Die Autoren der Studie ermahnen Bundes- und Länderegierungen, die Bedingungen zur Existenzgründung und der Arbeit von kleinen Unternehmen zu verbessern. Hier herrsche zu viel Bürokratie, die das unternehmerische Interesse der Ostdeutschen dämpften.

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