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Osteuropabank: ''Wir müssen unsere Prognosen senken''

Thomas Mirow, Präsident der Osteuropabank, sprach mit dem Tagesspiegel über die schwierige Lage und mögliche Antworten.

Wie bewerten Sie die Debatte um das US- Rettungspaket?

Dies wäre sicher noch nicht die Lösung aller Probleme, aber doch eine sehr wichtige Initiative für eine Stabilisierung des amerikanischen Bankenwesens und darüber hinaus für das Finanzsystem weltweit. Die Finanzmärkte brauchen und hoffen auf ein positives Signal zur Vertrauensbildung. Es wird hoffentlich wesentlich dazu beitragen, dass in den Finanzmärkten allmählich wieder neues Vertrauen wächst.

Was halten Sie von der Idee eines eigenen Notfonds auf EU-Ebene?

Die schnellen Entwicklungen der letzten Tage, etwa in den Fällen Dexia und Fortis haben gezeigt, dass die Europäer handlungsfähig sind, wenn es darauf ankommt. Für Europa wäre ein solcher Fonds gegenwärtig nicht vernünftig.

Wie sehr ist auch Osteuropa von der Finanzkrise betroffen?

Es gab die Vorstellung, dass Teile der Welt sich abkoppeln könnten. Das hat sich als Illusion herausgestellt. Auch Mittel- und Osteuropa kann sich der Krise nicht entziehen. Viele Länder der Region haben zwar noch hohe Wachstumsraten, aber es gibt auch Probleme.

Welche sind das?

Länder mit einem hohen Leistungsbilanzdefizit sorgen sich natürlich um die Finanzierung. Der private Bankensektor in mehreren Ländern ist durchaus fragil. Zudem halten sich ausländische Investoren zunehmend zurück.

Müssen Sie Ihre Konjunkturprognosen für die einzelnen Länder als Folge der Finanzkrise senken?

Wir legen unseren Ausblick immer im November vor. Aber schon jetzt ist klar: Wir werden unsere Konjunkturprognosen zurücknehmen müssen. Das gilt in einem beschränkten Maß auch für Russland. Immerhin sehen wir außer in Estland und Lettland keine Rezession in der Region.

Befinden wir uns am Anfang einer Krise oder am Ende?

Sicher noch längst nicht am Ende. Jetzt stellt sich die Frage, wann die Banken zu normalem Verhalten zurückkehren. Daran hängt die Finanzierung der Unternehmen. Die längerfristigen Folgen für die Realwirtschaft kann derzeit niemand seriös voraussagen. Noch ist unklar, wie tief der Einschnitt in den USA ist, um nicht von einer Rezession zu sprechen. Das aber hat Folgen für weite Teile der Welt, insbesondere auch für Ostasien.

Müssen Sie Ihre Förderpolitik ändern?

Die Erwartungen an uns sind groß. Und wir werden sicher ein stabilisierender Faktor sein. Aber wir können die Aufgaben, die der private Sektor derzeit nicht erfüllen kann oder will, nicht vollständig übernehmen. Wir können bei syndizierten Krediten, bei denen wir bisher einer von mehreren Geldgebern waren, nicht plötzlich die ganze Kreditsumme stellen. Wir müssen auch auf unsere eigene Bilanz achten.

Gibt es faule Kredite in Ihrer Bilanz oder Spuren davon?

Wir haben eine offene Position von 135 Millionen Euro aus einem langfristigen vorrangigen Kredit bei Lehman Brothers und wissen noch nicht, mit welchem Verlust wir zu rechnen haben. Wir gehen aber davon aus, dass wir einen guten Teil davon wieder sehen werden.

Das ist der einzige Fall dieser Art?

Bei einer Bilanzsumme von 30 Milliarden Euro sind wir mit vielen Banken in der westlichen Welt und Russland verbunden. Wir können nicht ausschließen, dass uns der eine oder andere Hagelschlag noch erwischt.

Befürchten Sie eine Kreditklemme auch für Ihr Institut?

Nein. Wir haben erst vor kurzem eine Anleihe begeben, die der Markt sehr gut angenommen hat.

Sind Sie wie damals als Staatssekretär für eine strengere Regulierung der Banken?

Ich habe da keine andere Meinung als vorher. Aber alle sind im Augenblick damit beschäftigt, die Krise einigermaßen in den Griff zu bekommen. Die Frage, was man dann zum Beispiel in Bezug auf die Eigenkapitalunterlegung oder die Liquiditätsanforderungen tun kann oder muss, stellt sich erst in einem späteren Schritt.

Das Interview führte Moritz Döbler

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