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Otto.de ist nach Amazon der zweitgrößte Onlineshop in Deutschland.

© picture alliance / dpa

Otto-Vorstand Marc Opelt: "Das könnte dazu führen, dass Haustürzustellung teurer wird"

Der Chef von otto.de erklärt im Interview, warum er bei der Retourenfrage keinen Handlungsbedarf sieht und wie Otto künftig auch Lebensmittel versenden will.

Herr Opelt, Otto wurde an diesem Wochenende 70 Jahre alt. Doch Ende 2018 ist der letzte Otto-Katalog erschienen. Trauern Sie noch?

Nein, schließlich war das die logische Konsequenz unserer digitalen Transformation.

Konnte man an den Bestellzahlen online erkennen, dass Katalog-Kunden ins Netz gewechselt sind?

Unsere Kunden haben in den vergangenen 20 Jahren in immer größer werdender Zahl online eingekauft und so selbst für die Ablösung des großen Otto-Katalogs als Inspirations- und Marketingtool gesorgt. Im E-Commerce machen wir schon seit einigen Jahren über 95 Prozent unseres Umsatzes.

Vor einer Woche haben Sie eine Kooperation mit dem Shopping-Center-Betreiber ECE gestartet, der in Berlin zum Beispiel die Potsdamer Platz Arkaden betreibt. Was heißt das für den Kunden?

Grundsätzlich sollen lokale Sortimente der Händler und Marken in den 90 ECE-Shopping-Centern in Deutschland auf otto.de gekauft werden können. Das ist bundesweit eine bislang einzigartige Vernetzung von stationärem Einzelhandel und E-Commerce.

Was heißt das konkret? Werden die Sachen geliefert? Kann man nur bestellen, was im Geschäft vorrätig ist, oder auch Größen und alle Artikel darüber hinaus?

Wir zeigen auf otto.de beispielsweise im ersten Schritt, welche Pullover die Marke Marc O´Polo im Geschäft um die Ecke vorrätig hat. Ich kann also bereits vor der Fahrt in den Store online checken, ob mein Wunschartikel erhältlich ist. Im zweiten Schritt machen wir die Ware online reservierbar. Und im dritten Schritt können unsere Kunden die Ware online bezahlen und sich noch am selben Tag direkt aus dem Einkaufscenter liefern lassen.

Wann kommt welcher Schritt?

Die Reservierung soll bereits in den nächsten Monaten funktionieren. Der Bezahlvorgang oder auch die taggleiche Lieferung erarbeiten wir derzeit mit Logistikpartnern und unseren Pilot-Marken, wie SportScheck, myToys und Ulla Poppken.

Machen alle Händler in den Shopping-Centern mit? Auch Ketten wie H&M, die selbst Onlineshops haben?

Aktuell sind sechs Marken bei uns gelistet und wir führen schon viele weitere Gespräche. Dabei stehen nicht nur die Läden in den ECE-Centern, sondern auch die Einbindung kompletter Filialnetze der Händler im Fokus. Der Schuhhändler Reno zum Beispiel hat das Sortiment von rund 200 Filialen in unser digitales Schaufenster auf otto.de gestellt. Mit durchschnittlich 1,6 Millionen Besuchern ist unser Onlineshop selbstverständlich eine attraktive Plattform, um zusätzliche Reichweite zu generieren.

In Shopping-Centern gibt es ja auch Supermärkte und Drogerien.

Ja, wir wollen auch Dinge des täglichen Bedarfs anbieten. Genau so arbeiten wir an der Umsetzung von Same-Day-Delivery Services. Dafür sind die 90 ECE-Center bundesweit ideale Ausgangspunkte. Von dort aus erreichen wir 60 Prozent der deutschen Bevölkerung innerhalb von 30 Minuten. Mit unserer Konzernschwester Hermes verfügen wir über einen leistungsfähigen Logistikpartner, der bereits heute in den ECE-Centern mit Paketshops und Pick-up-Stationen vertreten ist.

Marc Opelt ist seit Juni 2018 Vorsitzender des Bereichsvorstands Otto.
Marc Opelt ist seit Juni 2018 Vorsitzender des Bereichsvorstands Otto.

© Otto

Otto.de will als Plattform für Händler weiter wachsen. Bis 2020 wollen Sie 3000 Händler listen. Wie viele haben Sie bisher?

In den vergangenen Monaten haben wir 450 Marken neu angebunden. Das hätten auch gerne mehr sein können. Aber wir sind dabei, das Onboarding zu automatisieren. Wir arbeiten daran, dass sich Händler künftig im Self-Service auf otto.de schalten und dort ihre Angebote inszenieren können. Das wird den Prozess ab Anfang kommenden Jahres vereinfachen, beschleunigen und unser Wachstum deutlich steigern.

Wollen Sie nur große Firmen auf otto.de haben oder wollen Sie auch den kleinen Amazon-Seller mit seinen 50 Paketen in der Ecke seines Wohnzimmers zu einem Otto-Seller machen?

Seitdem wir öffentlich gemacht haben, dass wir otto.de zur Plattform ausbauen, erhalten wir täglich bis zu 100 Kooperationsanfragen von Händlern und Marken - egal welcher Größe. Am Anfang werden es wohl eher größere Partner sein, die etwa einen eigenen Auftritt als Verkäufer zum Endkunden haben, ihre Versandstandorte in Deutschland betreiben und über eine deutsche Umsatzsteuer-ID verfügen. Danach werden wir sukzessive auch kleinere Händler anbinden.

Amazon ist im Onlinehandel in Deutschland die Nummer eins, Otto die Nummer zwei. Kaufen Sie persönlich beim Branchenprimus ein?

Sie können davon ausgehen, dass wir alle Wettbewerber aufmerksam beobachten.

Was können Sie denn von Amazon lernen?

Eine gern gestellte Frage… (lacht und überlegt). Amazon hat natürlich ein sehr großes Sortiment. Auch wir wollen unser Sortiment noch ausbauen.

Der gesamte Onlinehandel stand zuletzt beim Thema Rücksendungen in der Kritik. Wie hoch ist die Retourenquote bei Ihnen?

Das hängt von der Warengruppe ab. Bei Unterhaltungselektronik und Möbeln reden wir von sehr niedrigen Retourenquoten. Je mehr wir in die textilen Bereiche gehe, wo es um Geschmacksfragen und Passformen geht, steigt die Retourenquote.

Wird bei Ihnen auch Ware vernichtet?

Im Promillebereich. 97 Prozent der Retouren gehen sofort wieder in den Verkauf. Vom Rest werden werden 80 Prozent aufbereitet, die ebenfalls wieder in den Verkauf kommen. Dann gibt es noch defekte Ware, die wir dann an Zweitverwerter oder Wiederaufbereiter weitergeben. Die Vernichtung betrifft nur Sachen, bei denen jeder auf den ersten Blick sagen würde: Ok, das ist wirklich Schrott.

Hermes gehört zum Otto-Konzern. Dort hofft man auf bessere Zusammenarbeit in der Logistik-Branche.
Hermes gehört zum Otto-Konzern. Dort hofft man auf bessere Zusammenarbeit in der Logistik-Branche.

© obs

Vielfach wurden Gesetzesänderungen gefordert, damit Vernichtung nicht lukrativer sind als Spenden sind. Das ist also unnötig?

Es gibt bei uns schlicht keine Retouren, die wir spenden könnten. Die Dinge sind ja wirklich kaputt. Da kann man nur noch die Wertstoffe herausfiltern. Das sind ein paar tausend Stück im Jahr. Wenn man allerdings weiß, dass wir allein in unserem Lager in Haldensleben pro Tag 120.000 Pakete verschicken, relativiert sich diese Zahl. Folglich gibt es für uns keinen Handlungsbedarf.

Vernichtung ist der Extremfall. Aber viele Kritiker bezeichnen Online-Shopping wegen des hohen Transportaufkommens insgesamt als unnachhaltig.

Ein Paketzusteller hat heute bis zu 160 Pakete in einem Auto. In jedem Otto-Paket befinden sich durchschnittlich drei Artikel. Das kann verhindern, dass wenigstens 160 Autos für die Shoppingtour am Wochenende in Bewegung gesetzt werden. Ich bin mir also sicher, dass der CO2-Ausstoß pro Online-Shopping-Artikel geringer ist.

Aber häufig läuft die Lieferung nicht reibungslos. Die Beschwerden häufen sich.

Alle Akteure der Logistikbranche sollten sich möglichst bald zusammensetzen und überlegen, wie die Situation verbessert werden kann. Damit meine ich alle Paketdienste - aber auch die Politik. Aktuell gibt es noch keine Rahmenbedingungen, die der Logistik eine bessere und effiziente Vernetzung ermöglichen.

Was müsste sich ändern?

Alle Wettbewerber müssten an einem Strang ziehen. So wären zum Beispiel gemeinsame Paketboxen eine gute Idee, in die alle Anbieter liefern können, egal ob Hermes, DHL, UPS oder sonstwer. Auch zentrale Hubs, von denen aus Lieferanten aller Firmen ihre Fahrzeuge beladen können, könnten aus meiner Sicht großes Potential haben, die Effizienz zu erhöhen.

Sind auch bei Ihnen höhere Preise für Lieferungen denkbar?

Wir haben das generelle Problem, dass die Kunden nicht bereit sind, den echten Preis für die Logistik zu zahlen. In diesem Teil des Systems ist nicht ausreichend Geld, um ihn zufriedenstellend zu gestalten. Und ja, das könnte auch dazu führen, dass Haustürzustellung irgendwann teurer wird.

Marc Opelt (1962 in Nürnberg geboren) ist seit Juni 2018 Vorsitzender des Bereichsvorstands Otto und leitet damit den Onlineshop otto.de. Seit 1990 war der studierte Betriebswirt in verschiedenen Führungspositionen in dem Konzern tätig. So ist er seit 2012 auch Vorstand für Marketing bei Otto.

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