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Wirtschaft: Parmalat-Gründer gesteht Millionen-Betrug

Calisto Tanzi hat 500 Millionen Euro in sein Reiseunternehmen umgeleitet / Klage der US-Börsenaufsicht SEC

Mailan d (ruf). Nach einem vierstündigen Verhör bei der Mailänder Staatsanwaltschaft hat der ParmalatGründer und ehemalige Konzernchef Calisto Tanzi aufgegeben. Nachdem er seit seiner Verhaftung am Samstag wiederholt erklärt hatte, er wisse nichts über aus Parmalat-Kassen verschollene Gelder, kam Montagabend das Geständnis: Rund 500 Millionen Euro habe er aus den Kassen der Parmalat-Gruppe abgezweigt, um sie in sein R eiseunternehmen Parmatour zu investieren. Schätzungen der Untersuchungsrichter zufolge belaufen sich die Schulden von Parmalat auf eine Summe zwischen zehn und 13 Milliarden Euro. In der Bilanz wurden nur die Hälfte davon ausgewiesen.

Wegen der Irreführung von Investoren hat auch die US-Börsenaufsicht SEC Klage gegen den italienischen Lebensmittelkonzern Parmalat eingereicht. Der Konzern habe „eine der größten und schamlosesten Finanz-Betrügereien in der Geschichte der Unternehmen“ begangen, erklärte die SEC am Montag in New York. Parmalat habe gezielt Bilanzen geschönt und damit die Anleger in die Irre geführt.

Parmatour liegt zu 100 Prozent in den Händen der Familie Tanzi. „Das Geld habe ich benutzt, um die schwierige finanzielle Lage unseres Touristikgeschäfts zu sanieren“ rechtfertigte sich Tanzi. Nach Meinung der Staatsanwälte sind die 500 Millionen nur die Spitze eines Eisberges. Sie vermuten, dass weitere Geldsummen in der Familienholding La Coloniale, die einen Teil der Auslandsaktivitäten der Tanzis steuert, sowie in einem IT-Tochterunternehmen verschwunden sein könnten. In diesen Tagen werden daher die Büros der verdächtigten Firmen durchsucht und weitere Parmalat-Manager verhört.

Die Staatsanwälte versuchen nun auch, Klarheit über das verschachtelte Finanzsystem Parmalats zu bekommen. Beobachter schließen nicht aus, dass Calisto Tanzi selbst schon längst den Überblick über seine komplizierte pyramidenartige Struktur von off-shore-Gesellschaften und Finanzholdings in Steuerparadiesen verloren hat. Als ihn die Mailänder Ermittler über die Hintergründe der Bilanzfälschungen Parmalats befragten, antwortete Tanzi verwirrt: „Ich weiß nur wenig darüber. Ich delegierte die Aufgabe, Schuldenlöcher zu füllen, an meine Mitarbeiter.“ Tanzis früherer Finanzchef Fausto Tonna, einer der Hauptverdächtigen im Fall Parmalat, behauptet, Tanzi habe selbst alle Finanzmanöver angeordnet, die anderen hätten diese Befehle dann lediglich ausgeführt. Die Richter entschieden daher nun, dass Parmalat-Gründer Tanzi weiter in Mailand in Untersuchungshaft sitzen muss, und wiesen einen Antrag der Verteidigung zurück, ihn statt dessen bis zur Anklageerhebung unter Hausarrest zu stellen. Die Untersuchungen konzentrieren sich jetzt auf mögliche Spuren in Ecuador. Dorthin war Tanzi in der vergangenen Woche geflogen, bevor er in Mailand verhaftet wurde. Und es gibt dort vier Parmalat-Tochtergesellschaften.

Unterdessen versucht der Topmanager und Parmalat-Sonderverwalter Enrico Bondi das Unmögliche: Er feilt an einem äußerst heiklen Rettungsmanöver für den maroden Lebensmittelkonzern. Seit dem Wochenende ist Parmalat offiziell insolvent und genießt Gläubigerschutz. Dies ist für die Fortsetzung des operativen Geschäfts die Voraussetzung. Über das tatsächliche Schuldenloch des Konzerns wird zurzeit nur spekuliert. Schätzungen der Untersuchungsrichter zufolge beläuft sich das Loch auf eine Summe zwischen zehn und 13 Milliarden Euro. Damit wären die Schulden Parmalats wesentlich höher als bei den 7,2 Milliarden Euro, die zum Ende des Bilanzjahres 2002 genannt wurden. „Die Schuldenlage hat sich im Laufe dieses Jahres noch einmal deutlich verschlechtert“ sagte Bondi am Dienstag. Um den größten Molkereibetrieb Italiens mit über 36 000 Arbeitsplätzen vor dem Aus zu retten, bräuchte er neue Bankkredite in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro.

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