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Wirtschaft: Parmalat produziert Nahrung für Gerüchte

Finanzprobleme bei Italiens größtem Lebensmittelkonzern

Mailand (ruf). In dieser Woche werden Anleger weiter um Italiens größten Nahrungsmittelkonzern Parmalat zittern müssen. Das Unternehmen schaffte es zwar am Freitag, eine bereits am 8. Dezember fällig gewordene Anleihe in Höhe von 150 Millionen Euro zurückzuzahlen. Doch die Probleme sind damit noch längst nicht vom Tisch. Der Konzern, bei dem Analysten und Branchenkenner schwere Liquiditätsprobleme vermuten, konnte seine Verpflichtungen nur mit Hilfe von außen bedienen: So überwies das italienische Finanzministerium in letzter Minute eine vorgezogene Umsatzsteuerrückzahlung von 35 Millionen Euro, weitere 25 Millionen steuerten die Kreditbanken bei.

Parmalat produziert unter anderem Molkereiprodukte, Fruchtsäfte, Nudeln und Tomatensaucen. Dass es Italiens siebtgrößter Industriekonzern nicht schaffte, die Anleihe aus eigener Kraft zu tilgen, ist Experten zufolge ein weiteres Zeichen für den Liquiditätsengpass des Unternehmens. Das hatte bisher immer behauptet, über liquide Mittel von mehr als vier Milliarden Euro zu verfügen. Zuletzt gaben Kleinaktionäre ihre ParmalatAnteile in Massen ab, was zu Kursverlusten von mehr als 50 Prozent führte. In der Vorwoche war der Titel an vier Tagen vom Börsenhandel ausgeschlossen.

Alle Augen richten sich nun auf Enrico Bondi, der überraschend als Sanierer zu Parmalat gerufen wurde: Am Wochenende kursierten Spekulationen, dass der ehemalige Olivetti- und Telecom-Italia-Manager schon an diesem Montag Parmalat-Chef Calisto Tanzi ablösen wird. Bondi soll in den kommenden zwei Monaten einen Sanierungsplan für Parmalat erarbeiten und die unübersichtliche Finanzstruktur entflechten. Ziel: Anleger und Banken sollen wieder Vertrauen in das Unternehmen fassen. Top-Manager Bondi wird in Italien viel zugetraut: Er gilt als Mann für harte Fälle, der bereits den Mischkonzern Montedison saniert hat. Doch sein Kampf um die Zukunft Parmalats wird hart sein. Zuletzt sorgten neue Berichte für Aufsehen, wonach von Seiten Parmalats im vergangenen Jahr 6,9 Milliarden Euro in die auf den Cayman-Inseln beheimatete Finanzgesellschaft Bonlat Financing Corporation geflossen sein sollen. Die Hintergründe sind unklar.

Die ersten, die schon vor Wochen erste Mängel in den Bilanzen der Italiener entdeckten, waren die Wirtschaftsprüfer von Deloitte&Touche. So wurden zum Beispiel rund 590 Millionen Euro in den Hedge-Fund Epicurum auf den Cayman Islands investiert, ohne dass Einzelheiten über diesen Fund bekannt waren. Immer mehr setzt sich der Verdacht durch, dass Parmalat-Chef und Hauptaktionär Calisto Tanzi hinter dem Lebensmittelkonzern mit einem Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro eine verschachtelte Finanzstruktur aufgebaut hat. Das Ziel der komplexen Finanztransaktionen: Steuerersparnisse.

Mit widersprüchlichen Aussagen hatte der Konzern zuletzt auch die Rating-Agentur Standard&Poor’s in Alarm versetzt: „Wir glauben nun, dass ein Großteil der Informationen, die von Parmalat an S&P und die Finanzmärkte ausgegeben wurden, in die Irre geführt haben“, sagte ein S&P-Analyst vergangene Woche. Die Agentur stufte Parmalats Kreditwürdigkeit auf das Niveau von Schrottanleihen herab.

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