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Auf dem Biometrischen Passfoto eines Personalausweises spiegelt sich ein Bundesadler als Hologramm. Berlin, 20.01.2015. Berlin Deutschland PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xThomasxTrutschelx

© imago images/photothek

Passbilder nur noch in Bürgerämtern?: „Wenn das Gesetz kommt, kann ich meinen Laden wohl zumachen“

Horst Seehofer will Passfotos nur noch in Bürgerbüros schießen lassen. Der Berliner Fotograf Klaus Fehling schildert, was das für die Branche bedeuten würde.

"Wenn das Gesetz kommt, kann ich meinen Laden wahrscheinlich zu machen", sagt Klaus Fehling. Seit 35 Jahren betreibt der ausgebildete Fotograf ein Fotostudio im Bergmannkiez in Berlin. Am liebsten macht er Porträtaufnahmen. Die meisten seiner Kunden kommen jedoch für ein Passfoto. 20 bis 30 seien es pro Tag, erzählt er.  Die kleinen Bildchen, die jeder Deutsche für seinen Personalausweis braucht, sichern Fehling die Existenz. Im letzten Jahr machten sie 40 Prozent seines Umsatzes aus. Nun fragt er sich, wie lange das noch so bleibt.

Ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums sieht vor, dass Passfotos für offizielle Dokumente in Zukunft nur noch in Bürgerämtern geschossen werden dürfen. Bilder von Fotografen wie Klaus Fehling oder aus Schnellautomaten wären dann unerwünscht.  Innerhalb der nächsten fünf Jahre will Horst Seehofer seine Behörden mit 11000 Selbstbedienungsterminals ausstatten. Kostenpunkt: 177 Millionen Euro. So war es vergangene Woche in einem Bericht der FAZ zu lesen. In Branchenkreisen ist der Entwurf schon seit Anfang Dezember bekannt.

Kernfunktion des Passes ist bedroht

Das Ministerium begründet den Vorstoß mit gestiegenen Sicherheitsanforderungen. Passfotos könnten heutzutage mittels „Morphing“ manipuliert werden. Bei dem Verfahren werden die Aufnahmen mehrerer Gesichter zu einem Gesamtbild verschmolzen. Landet ein solches Foto auf einem Pass, könne „nicht nur der Passinhaber, sondern unter Umständen auch eine weitere Person, deren Gesichtszüge im Bild enthalten sind, den Ausweis zum Grenzübertritt nutzen“, sagt ein Sprecher. Die Funktion des Passes als Dokument zur Identitätskontrolle sei im Kern bedroht.

Auf Anfrage des Tagesspiegels teilte das Innenministerium mit, dass den Sicherheitsbehörden drei Fälle von gemorphten Lichtbildern bekannt seien, darunter ein deutscher Reisepass. Ob ein Foto manipuliert wurde, sei im Nachhinein schwer zu ermitteln. Daher sollen die Bilder in Zukunft nur noch im Beisein von Behördenmitarbeitern geschossen werden.

Passfotos für 80 Prozent der Fotohändler existenzsichernd

Den Fotografen Klaus Fehling würde das Gesetz nicht nur persönlich hart treffen. In seinem Studio beschäftigt der 59-Jährige vier Mitarbeiter, darunter eine Auszubildende. „Wenn mir die Umsätze der Passfotos wegbrechen, kann ich auch die Gehälter nicht mehr zahlen“, sagt er.  Fehling steht beispielhaft für eine ganze Branche.  Die Vorschläge von Horst Seehofer verunsichern viele Fotografen und Fotohändler. Wirklich überraschen kann das nicht. Erst im November, also noch vor Bekanntwerden des Gesetzentwurfs, hatte eine Befragung des markt-intern-Verlags ergeben, dass die Erstellung von Passbildern für über 80 Prozent der Fotohändler existenzsichernd sei. Markt-Intern setzt sich mit wöchentlichen Informations- und Aktionsbriefen für den gewerblich geprägten Mittelstand in Deutschland ein.

Josef Sanktjohanser, Präsident des deutschen Handelsverbands und Frank Schipper, Chef des Handelsverbands Technik machten ihrem Ärger in einem Brief an Horst Seehofer Luft. „Dieser Plan würde Millionenumsätze vernichten“, schreiben sie, auch weil die Passerstellung maßgeblich für Kundefrequenz in den Geschäften sorge. 

Die Branche plädiert für sichere Übertragungskanäle

Die Branche wirbt dafür, Verfahren zu etablieren, mit denen Fotohändler ihre Passbilder sicher über digitale Kanäle an die Behörden senden können. Möglich mache das etwa eine Cloud-Lösung an der ein Zusammenschluss mehrerer Händler derzeit arbeitet, berichtet der markt-intern-Verlag. Auch das verschlüsselte und staatlich geprüfte De-Mail-System könnte hier für genutzt werden.

In den Bürgerbüros der Stadt Frankfurt am Main ist das, was dem Innenministerium für ganz Deutschland vorschwebt, bereits heute Alltag. An vier Standorten können die Bürger ihre Passfotos mithilfe eines Selbstbedienungsterminals erstellen. „Das erste Gerät haben wir im März 2017 angeschafft. Wir wollten den Antragsprozess beschleunigen“, sagt Günter Murr, Sprecher des Dezernats für Bürgerservice. In Frankfurt am Main nutzt man ein Modell der Bundesdruckerei. Der Stückpreis liegt bei 25000 Euro.

Selbstbedienungsterminals registrieren auch die Fingerabdrücke

Die Terminals seien ein zusätzliches Angebot, klassische Passfotos würden weiterhin akzeptiert, erklärt Murr. Immerhin jeder Fünfte gebe seine biometrischen Daten derzeit über ein Selbstbedienungsterminal ab. Die Geräte schießen nicht nur Passfotos, sie erfassen auch die Unterschrift und den Fingerabdruck des Antragstellers. Anschließend werden die Daten automatisch an einen Sachbearbeiter weitergeleitet. Die Nutzung des Terminals kostet fünf Euro. Das entspricht dem Preis für vier Passbilder aus einem Schnellautomaten. Bei Klaus Fehling zahlt man mit rund 20 Euro deutlich mehr.  Die Berliner kommen trotzdem zu ihm ins Studio. Vielen sei die Qualität der Bilder wichtig, erklärt Fehling. Außerdem könnten beispielsweise Rollstuhlfahrer die Schnellautomaten gar nicht nutzen. Der Fotograf will nun erstmal abwarten, wie es weitergeht. „Etwas anderes bleibt mir ja gar nicht übrig“, sagt er. 

Unionsfraktion zeigt sich einsichtig

Und es tut sich tatsächlich etwas: Nach der harschen Kritik erwägt die Unionsfraktion nun, den Gesetzentwurf zu entschärfen: „Eine Möglichkeit könnte sein, Fotografen für entsprechende Aufnahmen zu zertifizieren und ein sicheres Übertragungsverfahren zu etablieren“, sagte Fraktionsvize Thorsten Frei den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks am Mittwoch.

Jonas Schulz Pals

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