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„Es wird künftig weniger Filialen geben“, meint Bankvorstand Tessmann.

© Thilo Rückeis

Patrick Tessmann: "Die Kunden scheuen das Risiko"

Patrick Tessmann, Privatkundenvorstand der Landesbank Berlin, über Anlegen nach der Krise und den Berliner Markt.

Herr Tessmann, Sie kommen vom Münchner Bankhaus Reuschel, sind also ein erfahrener Privatbankier. Wie schaut jemand, der es gewohnt ist, mit großen Vermögen umzugehen, auf diese Stadt, die eher durch Hartz IV und Arbeitslosigkeit geprägt ist?

Ich denke, da stellt Berlin sein Licht unter den Scheffel. Ich sehe viele Erwerbstätige hier: Künstler, Kreative, Freiberufler, aber auch viele Beamte und Angestellte sowie Unternehmer im aufstrebenden Mittelstand. Sicher gibt es Arbeitslosigkeit, aber es gibt auch viele Menschen, die Geld verdienen. Ich glaube, dass hier Potenzial auch für Banken vorhanden ist.

Wo sehen Sie Potenzial?

Ich sehe vor allem Potenzial für anspruchsvolle Beratung bei der Altersvorsorge, beim Vermögensaufbau und der Vermögensanlage. Wir haben unsere Kunden befragt: Sie wollen mehr Beratung. Darum bündeln wir als Berliner Sparkasse unsere Kompetenzen jetzt in Finanz- und Vermögenscentern und im Private Banking. Gute, ganzheitliche Beratung heißt: Ich schaue mir zuerst die finanziellen Verhältnisse des Kunden an, analysiere seine Wünsche, Ziele und Bedürfnisse und entwerfe eine langfristige Strategie. Erst dann biete ich dazu passende Produkte an.

Ist das nicht selbstverständlich?

Natürlich wird immer beteuert, dass die Beratung im Vordergrund steht. Aber was war denn das Problem der Banken in den letzten Jahren? Sie wurden als Institution in Frage gestellt, weil sie viel zu viel Produktverkauf betrieben haben, eben ohne ausreichende Analyse der Wünsche und Ziele der Kunden. Wir als Sparkasse machen im Schnitt 300 000 Finanzchecks und Finanzplanungen im Jahr. Wir reden nicht nur von Kundenzufriedenheit sondern testen sie auch regelmäßig. Das Ergebnis dieser Tests fließt übrigens auch mit in die Entlohnung ein.

Glauben Sie, dass sich auch vermögende Kunden bei Ihnen wohlfühlen? Passt das Thema Private Banking zum bodenständigen Image der Sparkasse?

Wenn bodenständig heißt: Vertrauen, Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit, dann ist die Sparkasse bodenständig. Genau das sind Privatbanken ja auch. Die Kunden gehen dort hin, weil sie Beständigkeit wollen und kein permanentes Wechseln der Strategie. Wir machen schon seit elf Jahren Private Banking, es wird nur nicht so wahrgenommen. Das wollen wir jetzt stärker nach außen kommunizieren, um mehr vermögende Kunden zu gewinnen.

Was hindert den typischen Kunden einer Privatbank daran, in eine Sparkasse zu gehen?

Von selbst kommt der vermögende Kunde nicht darauf, zur Sparkasse zu gehen, für eine komplexe Vermögensberatung. Er weiß einfach nicht, dass wir auch Private Banking können. Wir müssen das Empfehlungsmanagement ausbauen. Zufriedene Kunden bringen neue Kunden. In der Finanzmarktkrise sind allerdings viele vermögende Kunden zur Sparkasse gekommen, weil sie Sicherheit haben wollten und uns vertrauen.

Das hört jetzt wieder auf. Die Leute sind wieder renditeorientierter, als sie es vielleicht während der Krise noch waren. Wie wollen Sie diese Leute halten?

Die Renditeorientierung steigt wieder, das ist richtig. Wir können diese Produkte auch anbieten. Aber uns ist wichtig, die Kunden darüber aufzuklären, dass eine Rendite von mehr als vier oder fünf Prozent auch immer ein hohes Risiko bedeutet. Und so hoch wie sie einmal war, ist die Risikobereitschaft lange noch nicht wieder. Das Thema Kapitalerhalt ist in den letzten Jahren wichtiger geworden und wird wichtig bleiben. Unterm Strich gewinnen wir derzeit Einlagen und auch Depots dazu.

Was verändert sich auf dem Berliner Markt durch das Zusammengehen von Deutscher Bank und Postbank?

Ich gehe davon aus, dass die Deutsche Bank das Geschäft zusammenfassen wird und der Wettbewerb in Berlin noch härter wird als ohnehin schon. Auch die Loyalität der Kunden verändert sich. Studien zeigen, dass 50 Prozent der vermögenden Kunden eine neue Bank suchen. Zusätzlich werden immer mehr Kunden immer mehr einfache Produkte online abschließen. Darum konzentrieren wir uns auf die anspruchsvolle Beratung. Auf Service, Qualität und Zufriedenheit. Und wir bauen unsere Online-Aktivitäten aus.

Wenn die Kunden immer öfter ins Internet gehen, wird es dann bald überhaupt noch Filialen geben?

Alle Analysen deuten daraufhin, dass es weniger Filialen geben wird, schon weil viele Banken fusionieren. Wir werden auch nach der Neuordnung unserer Vertriebsstruktur mit 157 Standorten die größte Präsenz in Berlin zeigen. Was in zehn Jahren ist, entscheiden die Kunden. Allerdings kann man durchaus Kunden gewinnen, wenn Wettbewerber Filialen schließen. Das merken wir jetzt schon.

Filialen sind aber auch für Sie teuer.

Richtig. Deshalb sollte ein Mindestmaß an Kundenfrequenz schon erreicht werden. In Einzelfällen kann das heißen, einen dauerhaft defizitären Standort auch aufzugeben. Dafür stocken wir in den neuen Finanz- und Vermögenscentern aber die Berater auf.

Wo bekommen Sie die Leute her?

Wir haben bereits viele gute, engagierte Beraterinnen und Berater. Zusätzlich läuft derzeit die Aus- und Weiterbildung im eigenen Haus auf Hochtouren.

Viele Unternehmen klagen, dass sie in Berlin keine geeigneten Lehrlinge finden. Wie ist das bei Ihnen?

Wir sind zufrieden. Im Sommer haben wir 55 Azubis eingestellt und wir hatten weit mehr Bewerber als Plätze. Schwieriger ist es, geeignete Kandidaten für das duale Studium zu finden.

Was fehlt denen, die Sie nicht nehmen?

Vor allem Kenntnisse in Mathematik. Zum Teil lässt aber auch die Kommunikationsfähigkeit der Bewerber zu wünschen übrig.

Der letzte Finanztest hat gezeigt, dass die Berliner Sparkasse überdurchschnittlich hohe Dispozinsen verlangt, nämlich 13,25 Prozent. Warum sind die so hoch?

Nur fünf Prozent unseres Kreditvolumens im Privatkundenbereich entfallen auf den Dispokredit. Die Kunden werden gezielt darauf angesprochen, dass ein Dispo keine Alternative zu einem langfristigen Kredit ist.

Trotzdem: Die Leitzinsen sind historisch niedrig. Warum müssen die Dispozinsen so hoch sein? Die Stadtsparkasse Schwedt nimmt nur neun Prozent.

Wir müssen das Geld für den Disporahmen ständig zur Verfügung stellen, auch dann, wenn es nicht abgefragt wird. Dafür müssen wir Eigenkapital vorhalten. Das ist teuer. Natürlich steckt hinter einem Dispokredit auch ein Risiko, das wir in Rechnung stellen. Dieses Risiko können wir nicht so gut einschätzen wie bei einem Konsumentenkredit. Dazu kommt eine Marge, die davon abhängt, wie der Zinsmarkt am Platz ist.

Das Gespräch führten Miriam Schröder und Moritz Döbler.

ZUR PERSON

DIE KARRIERE

Patrick Tessmann (49) stammt aus Hamburg. Er studierte Psychologie und Betriebswirtschaftslehre, bevor er als Trainee zur Commerzbank ging. 1993 wechselte er zur Dresdner Bank Berlin. Von 2006 bis 2010 leitete er die Privatbank Reuschel & Co in München. Seit Februar ist er Privatkundenvorstand der Landesbank Berlin.

DIE BANK

Die Landesbank Berlin (LBB) wurde 2006 aus der Bankgesellschaft Berlin herausgelöst. Der Senat verkaufte die LBB später an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Zur LBB gehören heute die Berliner Sparkasse und die Berlin Hyp. Mit mehr als 4000 Beschäftigten ist die Landesbank einer der größten Arbeitgeber der Stadt.

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