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Wirtschaft: Pennystocks: Billig, aber nicht preiswert

Im November wurden heiße Wetten abgeschlossen, wer der erste am Neuen Markt sein würde. Inzwischen sind es ganze 14 Kandidaten: Aktien, deren Preis nicht mehr in Euro, sondern nur noch in Cent gemessen wird - so genannte Pennystoks.

Im November wurden heiße Wetten abgeschlossen, wer der erste am Neuen Markt sein würde. Inzwischen sind es ganze 14 Kandidaten: Aktien, deren Preis nicht mehr in Euro, sondern nur noch in Cent gemessen wird - so genannte Pennystoks. Ihre Liste wird täglich länger. Ein Phänomen, an das sich deutsche Anleger "aller Voraussicht nach" gewöhnen müssten, meint das Hamburger Bankhaus M.M.Warburg. Der Grund dafür liegt weniger in der allgemeinen Börsenlage, die Europas wichtigstes High-Tech-Segment um über 90 Prozent einbrechen ließ. Steigen werde die Zahl der Pfennigpapiere, so M.M.Warburg, weil Unregelmäßigkeiten, Insolvenzen und gescheiterte Geschäftsmodelle in dem noch jungen Wachstumssegment an der Tagesordnung seien.

Zum Thema Online Spezial: New Economy Den ersten Platz in der unrühmlichen Pennystocks-Liste eroberte am Vormittag des 30. November 2000 das Internetunternehmen Letsbuyit.com, das erst im Juli vergangenen Jahres zum Preis von 3,50 Euro an den Neuen Markt gegangen war. Bereits im Dezember war der Online-Händler, der mit dem Modell des Power-Shopping Großes vorhatte, pleite, stürzte bis auf 24 Cents ab. Unter oder nahe an der magischen Ein-Euro-Grenze notieren aktuell unter anderen auch der Augsburger Software-Konzern Infomatec, dessen Ex-Vorstände wegen Betrugsverdachts hinter Gittern sitzen, ferner Micrologica, Cybernet, Matchnet, Team Communications, der Internet-Kunsthändler Artnet.com, Brainpower oder das Telefonunternehmen Teldafax, dem die Telekom gerade die Leitungen gekappt hat. Neben den 14 echten Pennystocks dümpeln weitere 29 - somit insgesamt 43 Unternehmen - unter zwei Euro, das sind etwa 13 Prozent aller Aktien am neuen Markt.

In Zeiten der Börsendepression, so M.M. Warburg, rücken gerade die Pennystocks in den Fokus vieler Anleger. Es lockt der Traum vom schnellen Geld, das die oft geviertelten bis gezehntelten Depots wieder füllen soll. Anziehend wirken dabei nicht nur die optisch niedrigen Preise, sondern auch die enormen Schwankungsbreiten. Für gerade mal 1000 Euro bekommt man aktuell 2325 Letsbuyit.com-Aktien. Da sind schon mal flotte 100 Prozent Gewinn drin. Anfang Februar, nach erfolgreichen Sanierungsgesprächen, stieg das Papier binnen weniger Stunden um 140 Prozent, um dann ebenso schnell wieder um 70 Prozent abzustürzen. "Pennystocks ziehen Zocker an wie die Fliegen das Licht", sagt Analyst Sören Detlefson von der Hamburger Sparkasse. In der Flohmarkt-Atmosphäre laufe man allerdings Gefahr, sich zu verspekulieren. Man dürfe nicht darauf hoffen, dass sich die sturzartige Abwärtsbewegung rückgängig machen lasse. Auch M.M. Warburg warnt vor der Hoffnung, die Pennystocks seien Geldvermehrungsmaschinen. Es gebe zwar den einen oder anderen Glücksritter. "Ich kenne aber keinen Zocker, der mittelfristig Geld verdient hat", ist sich Warburg-Analyst Lambert Witzell sicher.

Auch die Märkte in Australien, der Türkei und in Asien mit ihren vergleichsweise vielen Pennystocks sind Tummelplatz der Zocker. Noch interessanter ist der Handel für sie geworden, seit die deutschen Wertpapierbörsen im Januar den Aktienhandel auf drei Nachkommastellen eingeführt haben. Damit reduzierten sich Teilausführungen bei Kaufaufträgen, die bei Pennystocks mit ihrer schwankenden und oft sehr niedrigen Liqidität häufig sind. Die Zockergemeinde wartet gerade darauf, dass auch am Neuen Markt erstmals ein Papier auf drei Stellen hinter dem Komma genau gehandelt wird.

In den USA wird mit Pennystocks nicht lange gefackelt: Nach Ablauf einer Schamfrist droht allen Papieren, die unter einem Dollar notieren, das so genannte Delisting, das heißt der Rausschmiss. 260 Unternehmen sind davon aktuell an der Nasdaq bedroht. Einziges Gegenmittel neben der Kurssteigerung ist ein Reverse-Splitt, also der Einzug umlaufender Papiere bei entsprechender optischer Erhöhung des Kurses.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hält von der zwangsweisen Entfernung von Pennystocks "nichts". Die Zeche zahle dann der Aktionär, der die Hoffnung auf eine Erholung des Papiers endgültig begraben müsse, so DSW-Geschäftsführer Jörg Pluta. Ein Engagement in Pennystocks rät Pluta auch "ausschließlich erfahrenen Anlegern, die sich rundum informiert haben und notfalls auf das investierte Geld verzichten können". Zwar gebe es auch am Neuen Markt Pennystocks, die die Chance auf Erholung hätten. Aber: "Im Normalfall bedeutet die Tatsache, dass etwas fast nichts kostet auch, dass es nichts wert ist." Gleichwohl hat etwa Letsbuyit.com seine Erstzeichner bisher weniger Geld gekostet als beispielsweise der gefallene Star Intershop. Der Jenaer Softwarekonzern verlor gemessen am Höchstkurs über 96, die Powershopper "nur" 88 Prozent. Im Gegensatz zu Intershop seien letztere, so Pluta, zwar billig, aber keineswegs preiswert.

Veronika Csizi

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