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Meisterwerk. Was es über Manets „Im Wintergarten“ noch zu sagen gibt, sollen Besucher irgendwann über ihr Smartphone abrufen können.

© Arno Burgi/dpa

Per App durch die Galerie: Wie Berliner Museen für ihre Besucher digital werden

Für Besucher sind sie unterhaltsam und lehrreich. Für Berliner Museen ein gewaltiges Stück Arbeit: Ohne digitale Formate werden es die Ausstellungsräume künftig schwer haben. Ein Rundgang.

Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Feuermelder. Die kleinen weißen Buchsen, die in den Ausstellungsräumen des „me Collectors Room“ in der Auguststraße auf Schienbeinhöhe an den Wänden kleben. Dabei haben sie mit Feuer nichts zu tun – es sind vielmehr die Vorboten der Zukunft. Während die Besucher die Bilder der Künstlerin Cindy Sherman betrachten, verbindet sich ihr Smartphone mit den Sensoren an der Wand. Passend zur jeweiligen Fotografie werden dann Informationen auf dem Handy sichtbar. Außerdem springt der Ton an: Das Handy liest Erläuterungen vor. iBeacons heißt diese Technologie, die über eine Bluetooth-Verbindung funktioniert und die es in Berliner Ausstellungsräumen bislang nur hier zu bestaunen gibt. „Die Verknüpfung wird natürlich nur hergestellt, wenn die Besucher vorher eine App installieren“, erklärt Projektmanagerin Julia Zehl.

Seit Herbst letzten Jahres bietet die Sammlung den kostenlosen digitalen Ausstellungsführer an, den das Team zusammen mit einem Kölner Technologieunternehmen entwickelt hat. 1300 Mal wurde die App schon heruntergeladen. Und sie soll weiter ausgebaut werden, auch für künftige Ausstellungen. „Digitalisierung ist eine große Chance für Institutionen, ihre Inhalte zugänglicher zu machen“, sagt Julia Rust, Direktorin des „me Collectors Room“.

Wie kann man junges Publikum begeistern?

Mit diesem Innovationswillen steht das private Ausstellungshaus in Berlin nicht allein da. An allen großen und kleinen Museen wird derzeit über Digitalisierung nachgedacht. Dabei geht es nicht nur darum, die eigenen Bestände zu scannen und in Datenbanken einzuspeisen. Oder die hauseigenen Webseiten zu aktualisieren und auf sozialen Medien aktiv zu sein. Die Museen setzen auch bei der Vermittlung an.

Die Leitfragen lauten: Wie kann man dem Publikum vor, während und nach dem Ausstellungsbesuch noch mehr Informationen zur Verfügung stellen? Wie kann man das junge und das internationale Publikum noch besser erreichen? Wie kann man interaktive und multimediale Elemente einbauen? Zwar dominiert nach wie vor das Papier – Kataloge, Texttafeln, Flyer – den Museumsalltag, aber digitale Angebote werden zunehmend nachgefragt. Und, wo vorhanden, meist begeistert genutzt.

Ein Quiz zu Luft und Schifffahrt

Im Deutschen Technikmuseum in Kreuzberg hat man sich darauf bereits eingestellt. Vor einigen Wochen hat das Museum ebenfalls seine erste App auf den Markt gebracht. Sie kann im Foyer kostenlos heruntergeladen werden, dort gibt es extra einen offenen Hotspot. Die App besteht aus einem Quiz, das sich an Jugendliche, Familien und Schulklassen richtet. Gespielt wird mit-, aber auch gegeneinander. „Das Angebot wird sehr gut angenommen“, sagt Sprecherin Tiziana Zugaro. Noch ist das Quiz nur für Luft- und Schifffahrt sowie für die neue Ausstellung „Das Netz“ verfügbar, aber weitere inhaltliche Ergänzungen sind schon geplant. „Außerdem wollen wir die App zu einem Museumsführer ausbauen, indem wir Hintergrundinformationen zu einzelnen Exponaten ergänzen.“

Parallel dazu arbeitet das Museum an einem Online-Portal, auf dem digitalisierte Archivbestände zugänglich gemacht werden. Es soll in den kommenden Monaten starten. „Wir wissen durch die vielen Nachfragen, die uns erreichen, dass es da großes Interesse seitens der Besucher gibt.“

Analoges mit Virtuellem verknüpfen

Wie man den Museumsbesuch digital ergänzen und erweitern kann, darüber denken auch die Kollegen im Jüdischen Museum nach. „Das Thema hat bei uns hohe Priorität“, sagt Barbara Thiele, Leiterin der neuen Abteilung Digital & Publishing. „Mit der Konzeption einer neuen Dauerausstellung werden auch neue Online-Angebote entwickelt.“ Außerdem tüftelt das Museum an einer interaktiven Karte zur deutsch-jüdischen Lokalgeschichte. Die Plattform „Topographie jüdischen Lebens in Deutschland“ vernetzt vorhandene Webseiten und ist langfristig auf Mitmachen angelegt: Nutzer können eigene Orte und Wissen ergänzen.

„Partizipation, Interaktion und die Verknüpfung von virtuellen und analogen Räumen – das sind die großen Trends", sagt auch Martin Schäfer von der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Zum Stadtmuseums-Verbund gehören unter anderem das Märkische Museum, die Nikolaikirche und das Ephraim-Palais. Auch dort soll es künftig moderner und digitaler zugehen. Schon seit einiger Zeit kooperiert das Stadtmuseum mit App-Entwicklern, Start-ups und Forschungseinrichtungen. Der nächste Testballon, den das Museum sich erlaubt, ist eine Virtual-Reality-Brille, die bald in der Nikolaikirche Besuchern einen kleinen Vorgeschmack auf einen Museumsrundgang in den anderen Häusern geben soll.

Unter 50.000 Euro ist nichts zu machen

Noch sind das Experimente, einzelne, teure Leuchtturmprojekte. Unter 50.000 Euro sind professionelle Ausstellungs- Apps nach Angaben von Entwicklern aber nicht zu machen. Von einem umfassenden digitalen Angebot – mehrsprachig, multimedial, zielgruppenspezifisch – sind die meisten Berliner Ausstellungshäuser weit entfernt. Zwar gibt es seit Kurzem auch englischsprachige Apps für das Pergamon, fürs Alte und Neue Museum – aber die hat ein Start-up aus Großbritannien auf den Markt gebracht. Umsonst sind dabei nur wenige Basisinfos. Wer mehr über Museen und Exponate wissen will, kauft für 2,45 Euro die Premiumversion. Das Geschäftsmodell funktioniert, sagt Entwickler Madhukar Irvathraya. „Wir sind sehr zufrieden mit den Downloadzahlen. Als Nächstes werden wir weitere Sprachversionen veröffentlichen.“

Während auf der Museumsinsel externe Anbieter mit ihren Produkten vorpreschen, hat man sich im Naturkundemuseum in der Invalidenstraße für einen anderen Weg entschieden. Denn das Problem mit den Apps, das berichten viele Häuser, sei die verhältnismäßig hohe Hemmschwelle. Manche Besucher wollen partout keine Programme auf ihre Smartphones herunterladen, selbst wenn die Angebote kostenlos sind.

Ein Netz für Tristan

Für seine große „Tristan“-Sonderausstellung greift das Naturkundemuseum deshalb auf sogenannte Shoutr-Boxen zurück. Mit dem Start-up Shoutrlabs aus Marzahn hat das Museum ein lokales Netzwerk installiert, in das sich die Besucher über die W-Lan- Funktion ihrer Mobilgeräte einloggen. Eine Verbindung ins Internet ist nicht nötig. Infos zur Ausstellung landen über das Netzwerk auf den Handys und Tablets.

„Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt Gregor Hagedorn vom Forschungsbereich „Digitale Welt“ im Naturkundemuseum. Trotzdem ist offen, ob und wie das Haus die Boxen weiternutzt. „Wir sehen die Technik als Zusatzangebot, aber sie soll nicht zum Selbstzweck werden und den Museumsbesuch komplett dominieren.“ Am wichtigsten bleibe der direkte Blick, das reale Erlebnis. Ob mit oder ohne Smartphone in der Hand.

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