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Peter Bofinger plädiert für Eurobonds: "Wir brauchen den Euro 2.0"

Scheinbar vergeblich kämpfen EZB und Regierungen gegen Kursverfall und Schuldenkrise. Ökonom Peter Bofinger spricht im Interview über den Stand der Dinge und einen möglichen Ausweg aus der Krise.

Herr Bofinger, die Kurse fallen seit Tagen, Spitzenpolitiker der EU reagieren konfus. Woher kommt die Panik an den Finanzmärkten?

Das Problem an den Märkten ist immer, dass sie einem Herdentrieb folgen. Das kann sich dann letztlich auch völlig von den fundamentalen Faktoren ablösen. Durch die starken psychologischen Faktoren kann dort eine Eigendynamik auftreten.

Für wie dramatisch halten Sie die Lage?
Die Aktienkurse spielen für die Nachfrage in Deutschland und Europa nicht so eine zentrale Rolle wie zum Beispiel für die USA. Dort ist das Engagement der privaten Haushalte in Aktien sehr viel größer. Wir haben in Deutschland schon extreme Einbrüche erlebt und die Effekte haben sich in Grenzen gehalten. Das ist ein immenses psychologisches Problem, aber kein so großes fundamental-ökonomisches.

2008 aber gab es zunächst die Krise an den Börsen und dann folgend die Weltwirtschaftskrise mit dramatischen Einbrüchen der Realwirtschaft...

Das muss aber nicht wieder genauso kommen. In den Jahren 2000 bis 2003 hat sich der Deutsche Aktienindex gedrittelt und das hat die Wirtschaft ohne allzu große Blessuren durchgestanden.

Gerade vor zwei Wochen einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone auf das weitere Vorgehen in der Schuldenkrise: die Einführung des ständigen Rettungsschirms, die Beteiligung privater Gläubiger. War diese Einigung vergebens?

Das Grundproblem ist, dass man zwar die Rettungsfazilität ausgeweitet hat, dass sie aber nicht das Volumen hat, um eine Vertrauenskrise in Italien oder Spanien abzufangen. Dieses Problem konnte man absehen und ich plädiere auch deshalb seit langem für Eurobonds. Diese gemeinsamen europäischen Anleihen anstatt nationaler Anleihen sind die einzige Form, wie man die Situation stabilisieren kann. Hätten die Staatschefs so entschieden, hätten sie einen ruhigen Sommerurlaub gehabt.

Es heißt oft, dass diese europäischen Anleihen innenpolitisch nicht durchsetzbar wären. Weil die Menschen nicht unbegrenzt die Risiken der anderen Staaten mittragen wollen...

Man muss den Leuten vermitteln, dass, wenn Italien in eine Schieflage kommt, eben auch unsere Banken und Versicherungen in eine gefährliche Schieflage kommen. Bei den Eurobonds geht es eben nicht darum, dass man für die anderen mitbezahlt. Das Risiko wäre im Gegenteil viel geringer als momentan. Weil die Eurobonds auch wirtschaftlich schwächeren Staaten ermöglichen, ihr Geld zu guten Konditionen an den Märkten zu bekommen. Zahlen müssen wir jetzt, wenn die Staaten auf eigene Rechnung versuchen, Geld zu leihen und sie bekommen keins. Natürlich müsste es bei den Eurobonds eine strenge Kontrolle durch das Europäische Parlament geben – das im Gegensatz zum Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank demokratisch legitimiert ist – ob die fiskalische Disziplin in den einzelnen Staaten eingehalten wird. Aber das wäre absolut machbar.

Eine Alternative zu den Eurobonds ist die aktuelle Politik der Europäischen Zentralbank: Sie kauft Anleihen der krisengeschüttelten Länder. Was halten Sie davon?
Diese Lösung finde ich nicht so gut. Sie verletzt die klare Trennung zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Die Notenbank nimmt durch den Ankauf direkten Einfluss auf die Staatsfinanzierung und das sollte sie im Idealfall nicht tun, das ist kontraproduktiv. Das ist der Job der Finanzmärkte. Gerade in Deutschland wird diese Grenzverletzung sehr kritisch gesehen, hier gilt die Regel ganz klar: Keine Staatsfinanzierung durch die Notenbank. Aber wenn die Politik sich nicht für gemeinsame Anleihen entscheidet, wird das wohl weiter über die EZB laufen.

Warum zögern die Staats- und Regierungschefs dann noch?

Das Problem in Europa ist schon lange, dass die Politik nicht mit einer Stimme spricht, sondern aus allen Ecken verschiedene Vorschläge kommen. Das ist sicher kontraproduktiv. Das Krisenmanagement insgesamt war kein Meisterwerk an politischer Kommunikation.Die Märkte wollen einfach Lösungen sehen und keine Gesprächsinitiativen. Es muss eine Lösung geben, bei der klar ist: Selbst wenn Italien ins Rutschen kommt, bleibt das System stabil.   Das jetzige System ist nicht mehr stabil. Wir brauchen den Euro 2.0 mit dem gemeinsamen Finanzierungssystem der Eurobonds.
Peter Bofinger ist Ökonom und einer der fünf Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung in Konjunkturfragen beraten. Das Gespräch führte Elisa Simantke.

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