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Ex-Minister, Ex-Fraktionschef. SPD-Mann Peter Struck kehrt für kurze Zeit auf die politische Bühne zurück. Foto: dpa/pa

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Peter Struck: Ein Schlichter mit Phantomschmerz

Peter Struck ist zurück – er soll den Tarifstreit bei der Eisenbahn um eine einheitliche Bezahlung lösen.

Berlin - Manchmal, wenn er die große Politik im Fernsehen anschaut, kommt dieses Gefühl, etwas zu verpassen, wieder dabei sein zu wollen. „In solchen Momenten spüre ich ein wenig Phantomschmerz“, gibt Peter Struck zu. Doch diese Momente sind selten. Struck, 67, ehemals Minister und Fraktionschef der SPD, ist seit gut einem Jahr Polit-Rentner. Er tut, wozu lange keine Zeit war – durch Theater, Konzertsäle, Museen touren, dafür sorgen, dass das Motorrad nicht einrostet.

Jetzt geht der Phantomschmerz, zumindest für ein paar Wochen. Peter Struck kehrt zurück auf die Bühne der Politik. Nicht als Parteigänger oder Parlamentarier, sondern als Schlichter. Der Tarifstreit zwischen den Privatbahnen, der Deutschen Bahn und der Bahn-Gewerkschaft EVG steckt fest, seit Wochen schon. Seit August wird verhandelt, im Oktober gab es sogar einen Warnstreik. Struck ist der Mann, der eine weitere Eskalation verhindern soll. Am Freitag bat er zur ersten Runde in Berlin. „Ich denke, dass wir ganz gute Aussichten haben, ein Ergebnis zu erreichen“, befand er knapp. Ende Januar will er so weit sein.

Die erste Wahl war Struck nicht, Erfahrung kann er in diesem Metier schließlich nicht vorweisen. Doch Heiner Geißler, der bereits vor ein paar Jahren einen Bahn-Tarifstreit geschlichtet hatte, war noch in Sachen Stuttgart 21 unterwegs, als die Sache akut wurde. Andere Kandidaten, Gregor Gysi, Oskar Lafontaine oder Friedrich Merz, waren nicht mehrheitsfähig.

Nun also Struck. Die Gewerkschaften vertrauen ihm. Er besitze aus seiner Erfahrung als Verteidigungsminister und Fraktionschef „das nötige Fingerspitzengefühl“, loben sie. Als er das Angebot zur Schlichtung akzeptierte, brach er mit seinen Vorsätzen, die er Anfang September 2009, nach seiner letzten Plenarsitzung im Bundestag, gefasst hatte. „Keine Interviews mehr, kein Einmischen, keine klugen oder weniger klugen Ratschläge mehr – das hatte ich mir für den Abschied vorgenommen“, schreibt er in seinen Erinnerungen an 29 Jahre in der Politik.

Der Versuch, den Streit beilegen zu wollen, verspricht anspruchsvoll zu werden. Und das nicht nur, weil Schlichtungen wie im Fall von „Stuttgart 21“ derzeit schwer in Mode sind. Allerdings ist der Bahn-Konflikt eine Nummer kleiner als der Streit um die schwäbische Großbaustelle. Es geht um 35 000 Beschäftigte im Schienen-Regionalverkehr. Die Bahn-Wettbewerber – Abellio, Arriva, Benex, die Hessische Landesbahn, Keolis und Veolia – zahlen laut Gewerkschaft bis zu 20 Prozent weniger als der Staatskonzern und einige andere Bahnen. Das sei „Lohn- und Sozialdumping", findet Alexander Kirchner, Chef der kürzlich aus Transnet und GDBA gegründeten Gewerkschaft EVG.

Die Privaten kontern, es koste Arbeitsplätze und verhindere den Wettbewerb, müssten sie so hohe Löhne zahlen wie die Deutsche Bahn. Und der Konzern seinerseits droht für den Fall, dass es nicht zu einem Tarifvertrag kommt, mit der Gründung zahlreicher Billigtöchter für den Regionalverkehr – er will in diesem lukrativen Markt nicht weiter Marktanteile an die Privaten verlieren.

Die Gemengelage ist also kompliziert. Zumal bei der Schlichtung nicht alle drei Parteien an einem Tisch sitzen, sondern es getrennte Runden gibt – erst sprechen die Arbeitnehmer unter Strucks Aufsicht mit den Privaten, einige Stunden später reden sie mit der Bahn. Doch zum einen ist Struck kein Zauderer, zum anderen sind die Positionen der Lager nicht sehr weit auseinander. Ein einheitliches Bezahlniveau wollen auch die Privaten, bei der Höhe ist ihnen aber vor allem wichtig, auf regionale Unterschiede eingehen zu können. Es gebe gute Chancen für eine Lösung bis Weihnachten, raunen Verhandler beider Seiten, mehrere Termine für die Schlichtung seien anberaumt. An Durchsetzungsvermögen dürfte es Struck nicht mangeln – legendär ist sein trotziges „Die kann mich mal“ in Richtung Angela Merkel, als die Kanzlerin seine Umgangsformen kritisiert hatte. Danach wird es für Peter Struck wieder vorbei sein mit der Politik – und er muss wieder Fernsehen gucken.

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