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Teure Pflege: Jeder Fünfte kann seine Heimkosten nicht allein zahlen. Viele möchten nicht, dass ihre Kinder einspringen.

© picture-alliance/ ZB

Pflege-Bahr: Was staatlich geförderte Pflegeversicherungen bringen

Seit Jahresanfang unterstützt der Staat mit 60 Euro im Monat private Zusatzversicherungen für den Pflegefall. Auch Alte und Kranke können sich versichern. Für Jüngere gibt es oft bessere Alternativen.

Die Zahlen klingen alarmierend. Jeder fünfte Mensch, der pflegebedürftig ist, kann seine Pflegekosten nicht allein tragen. Und das Problem wächst: In den kommenden 40 Jahren wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen von heute 2,4 Millionen auf 4,5 Millionen fast verdoppeln. Zugleich sinkt das Niveau der gesetzlichen Rente – die Finanzierungslücke wird größer.

1850 EURO FEHLEN

Schon heute müssen schwerpflegebedürftige Heimbewohner (Pflegestufe 2) in Berlin monatlich rund 1700 Euro aus eigener Kraft zu dem zuschießen, was die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt. Das haben Tagesspiegel-Recherchen zum neuen Pflegeheimführer ergeben. In der höchsten Pflegestufe 3 sind es sogar 1850 Euro. Die Rente reicht schon heute meist nicht, um diese Lücke zu schließen. Rund 1000 Euro im Monat bekommen Männer derzeit im Schnitt, Frauen im Westen sogar nur 495 Euro. Wer wegen Krankheit oder Unfall gar nicht erst bis zur Altersgrenze durchhält, muss im Schnitt mit einer Erwerbsminderungsrente von unter 750 Euro leben.

WER DIE LÜCKE SCHLIESST

Viele Menschen haben daher Angst, als Pflegefall ihren Kindern zur Last zu fallen. Zwar haben die Kinder Freibeträge, doch Gutverdiener müssen damit rechnen, dass sich das Sozialamt, das zunächst einspringt, zumindest einen Teil der Heimkosten von den Angehörigen zurückholt.

PRIVATE VORSORGE IST NÖTIG

Wer diesem Dilemma entkommen will, muss zusätzlich privat vorsorgen. Bisher haben das jedoch gerade einmal 1,88 Millionen Menschen getan. Zu wenig, findet Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Seit Anfang dieses Jahres fördert der Staat daher private Pflegezusatzversicherungen mit einem Zuschuss von 60 Euro im Jahr pro Police, die ersten Angebote des neuen „Pflege-Bahrs“ sind seit kurzem auf dem Markt. Für die Versicherer ist das neue Produkt ein zwiespältiges Vergnügen. Zwar verspricht die staatliche Förderung einen regen Absatz, sie bringt jedoch auch enorme Einschränkungen mit sich: Damit auch alte und kranke Menschen in den Genuss der Zusatzvorsorge kommen, dürfen die privaten Krankenversicherer keinen Kunden ablehnen. Auch Leistungsausschlüsse und Risikoaufschläge sind beim „Pflege-Bahr“ verboten. Dennoch glauben die Versicherer an einen Erfolg ihrer Produkte: „Wir sind überzeugt, dass die Menschen etwas tun müssen“, sagt Debeka-Sprecher Gerd Benner. „Wir sind mit dem Eintragseingang zufrieden“, heißt es bei der Huk Coburg – „und mit der Zusammensetzung des Geschäfts.“

FÜR WEN ES SICH LOHNT

Letzteres ist keine Selbstverständlichkeit. Denn der „Pflege-Bahr“ könnte vor allem diejenigen ansprechen, die auf dem freien Markt keine bezahlbare Pflegezusatzpolice mehr bekommen – also alte und kranke Menschen. Um das zu verhindern, haben die Versicherer verschiedene Hürden eingebaut. Alle Unternehmen bestehen auf einer fünfjährigen Wartezeit zwischen Vertragsschluss und dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit. Wer das vermeiden will, muss zusätzlich zur geförderten Police noch eine ungeförderte, normale Pflegezusatzversicherung abschließen – und die gibt es nur mit Gesundheitsprüfung! Die Debeka geht noch einen Schritt weiter: Sie verkauft ungeförderte Tarife nur noch in Kombination mit dem „Pflege-Bahr“. Für junge und gesunde Versicherungsnehmer sind die herkömmlichen Tarife nach Meinung von Experten günstiger. „Junge und Gesunde verfügen über eine größere Auswahl von Tarifen, die sicherlich teilweise ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten“, meint Stephan Schinnenburg vom Analysehaus Morgen & Morgen. Tip: Um sich die Zulage zu sichern, könnten junge Gesunde einen „Pflege-Bahr“-Vertrag mit dem Minimalbeitrag von zehn Euro im Monat unterschreiben und sich zusätzlich anderweitig absichern.

Dabei stehen die Jungen im Vergleich zu den Älteren auch beim „Pflege-Bahr“ gut da. Denn je früher man einsteigt, desto günstiger sind die Angebote. Wer erst mit 50 oder noch später einen Vertrag abschließt, kann mit bezahlbaren Prämien nur die Mindestabsicherung von 600 Euro (Pflegestufe 3) erwarten. Um 1200 Euro zu bekommen, muss man bei der Huk 44 Euro im Monat zahlen, für 3300 Euro verlangt die Signal Iduna bereits über 120 Euro Beitrag im Monat.

Der Pflegeheimführer Berlin-Brandenburg 2013 hat einen Umfang von 230 Seiten. Er kostet 12,80 Euro (für Tagesspiegel-Abonnenten 9,80 Euro) und ist erhältlich im Tagesspiegel-Shop unter Telefon 030/29021-520, im Internet unter www.tagesspiegel.de/shop oder im Buchhandel.

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