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Pharma-Konzerne: Merck will Schering schlucken

Nun liegt das Angebot auf dem Tisch: Der Darmstädter Pharmakonzern Merck will den Berliner Konkurrenten Schering im Rahmen eines feindlichen Übernahmeangebots für 14,6 Milliarden Euro übernehmen.

Darmstadt/Berlin - Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck will mit der zweitgrößten innerdeutschen Firmenübernahme seinen Berliner Konkurrenten Schering schlucken. Die Merck KGaA kündigte dazu am Montag ein Angebot in Höhe von insgesamt 14,6 Milliarden Euro an die Aktionäre der Schering AG an.

Das Berliner Unternehmen sperrt sich strikt gegen die Pläne. «Es gibt keine Verhandlungen mit Merck», sagte ein Sprecher. Nach Informationen der Zeitung «Die Welt» will sich der Aufsichtsrat von Schering an diesem Dienstag mit dem Merck-Angebot beschäftigen. Die Zeitung beruft sich auf Angaben aus der Umgebung des Kontrollgremiums. Merck-Chef Michael Römer zeigte sich von dem Widerstand unbeeindruckt und stellte in Aussicht, er werde ein «bedeutendes und globales Pharma- und Chemieunternehmen» schmieden.

«Mit dem Zusammenschluss werden wir fähig sein, im harten globalen Wettbewerb mit anderen Pharmaunternehmen zu bestehen», sagte Merck-Pharmachef Elmar Schnee in Darmstadt. Nach Berechnungen des Finanzdienstleisters Thomson Financial war die einzige größere Übernahme unter deutschen Unternehmen der Kauf der Dresdner Bank durch den Versicherungskonzern Allianz mit einem Volumen von mehr als 25 Milliarden Euro.

Durch den Zusammenschluss der beiden Pharmakonzerne entstünde ein globales Pharma- und Chemieunternehmen mit einem Pro-Forma- Jahresumsatz für 2005 in Höhe von 11,2 Milliarden Euro. Die Merck-Führung betonte in Darmstadt, der kombinierten Umsatz von 5,6 Milliarden Euro im Geschäft mit patentgeschützten Medikamenten werde erhebliche Größenvorteile bringen. Mit 30 Projekten in der klinischen Entwicklung sei das Unternehmen gut für die Zukunft aufgestellt. Zudem gewinne Merck durch Schering ein komplettes Vertriebsnetz in den USA und Japan.

Der Pharmaexperte der Landesbank Rheinland-Pfalz, Alexander Groschke, bezweifelte, dass die Übernahme zu einem global bedeutsamen Unternehmen führen könne. «Das ist eine Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsbereiche, es passt nicht wirklich gut zusammen», sagte er in einem dpa-Gespräch. «Es gibt zwar ein paar Überschneidungen, aber auch damit wird das neue Unternehmen nicht der nationale Champion».

Merck erzielt bisher rund zwei Drittel seines Umsatzes mit seiner Pharma-Branche. Die größten Hoffnungen ruhen hier auf dem Darmkrebsmedikament Erbitux. Weitere Schwerpunkte sind Herz-Kreislauf-Medikamente, Generika sowie Vitamin- und Erkältungspräparate. In seiner Chemiesparte ist Merck beim Geschäft mit Flüssigkristallen für Flachbildschirme Weltmarktführer. Schering ist vor allem als Hersteller von Anti-Baby-Pillen und Krebsmitteln bekannt.

Schering machte zunächst keine Angaben zu möglichen kurzfristigen Abwehrmaßnahmen. Ein Sprecher verwies in Berlin darauf, dass die Allianz als größter Einzelaktionär «ein sehr geschätzter und seit langem an Schering beteiligter Anteilseigner» sei. Die Allianz selbst, die knapp zwölf Prozent an Schering hält, wollte sich am Montag nicht zu den Übernahmeplänen äußern.

Bei Merck wird erwartet, dass Schering den Widerstand aufgeben wird. «Wir haben die feste Erwartung, dass der Schering-Vorstand früher oder später die Attraktivität des Angebotes erkennt», sagte Merck-Finanzchef Michael Becker. Die Darmstädter würden in jedem Fall an ihrem Übernahmeangebot festhalten. Nach seinem teile die Allianz die Bedenken des Berliner Unternehmens nicht.

Schering soll nach einer Übernahme nicht zerschlagen werden. «Eine Zerschlagung wäre widersinnig», sagte Merck-Aufsichtsratschef Wilhelm Simson. Der Schering-Standort in Berlin werde auch weiterhin eine wichtige Bedeutung haben. Merck plane auch keinen Verkauf des Chemiegeschäfts. «Mercks erfolgreiches Geschäftsmodell in Pharma und Chemie wird durch den Zusammenschluss gestärkt.»

Einen Stellenabbau schloss die Merck-Führung aber nicht aus. «Natürlich wird es in gewissen Bereichen zu Reduktionen kommen», sagte Merck-Chef Römer. «Der Fokus liegt aber nicht auf Einsparungen, fügte er hinzu. «Wir sind in der Vergangenheit sehr sorgsam mit diesem Thema umgegangen und werden es auch in Zukunft tun.»

Zur Finanzierung der Übernahme will Merck auf eine Barmittel und Bankkredite zurückgreifen. Zudem werden sich die Gesellschafter zu einem Eigenkapitalbeitrag in Höhe von einer Milliarde Euro verpflichten. Zur späteren Refinanzierung ist unter anderem eine Kapitalerhöhung geplant. Merck hält derzeit bereits 4,98 Prozent des Schering-Grundkapitals.

Die Schering-Aktie gewann am Montag zeitweilig fast 28 Prozent auf bis zu 85,55 Euro und schloss damit an die kräftigen Kursgewinne der Vorwoche an. Das Merck-Angebot an die Schering-Aktionäre beträgt 77 Euro je Aktie. Wegen der Kursentwicklung nimmt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Handel mit Schering-Aktien näher unter die Lupe. (tso/dpa)

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