zum Hauptinhalt
Generika

© ddp

Pharmaindustrie: Konzern aus Israel schluckt Ratiopharm

Der israelische Pharmakonzern Teva Pharmaceutical steigt mit dem Kauf des Ulmer Konkurrenten Ratiopharm zum größten Hersteller von Nachahmer-Medikamenten (Generika) in Europa auf.

Berlin - Teva zahlt nach eigenen Angaben 3,625 Milliarden Euro für das Unternehmen der Ulmer Merckle-Gruppe. Der isländische Konzern Actavis und der weltgrößte Pharmakonzern Pfizer, die ebenfalls um Ratiopharm geboten hatten, konnten sich nicht durchsetzen. Finanzkreisen zufolge lag das Gebot des US-Konzerns Pfizer, dessen Deutschlandzentrale ihren Sitz in Berlin hat, mehr als 100 Millionen Euro unter dem von Teva.

Ratiopharm biete „eine ideale Plattform zum Ausbau unserer Führungsposition auf europäischen Schlüsselmärkten, allen voran Deutschland, aber auch auf wachstumsstarken Märkten wie Spanien, Italien und Frankreich“, erklärte Teva-Chef Shlomo Yanai. Teva und Ratiopharm erreichen zusammen einen Umsatz von 16,2 Milliarden Dollar, weltweit steigt die Zahl der Mitarbeiter auf rund 40 000. Die Übernahme, die noch nicht von den Aufsichtsbehörden genehmigt ist, soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Mit dem Verkauf von Ratiopharm will die in der Finanzkrise unter Druck geratene Merckle-Gruppe ihre Schulden tilgen. Der ehemalige Besitzer, Adolf Merckle, hatte sich unter anderem mit VW-Aktien verspekuliert und einen Schuldenberg von rund fünf Milliarden Euro angehäuft. Anfang 2009 nahm er sich das Leben. Die Merckle-Holding VEM Vermögensverwaltung musste sich Ende 2008 zum Verkauf von Ratiopharm verpflichten und hat sich bereits von dem kleineren Generikahersteller Mepha getrennt.

Ratiopharm ist in Deutschland die Nummer zwei auf dem Markt für Nachahmer-Medikamente nach Hexal und gleichauf mit Stada. Das Unternehmen mit rund 5500 Mitarbeitern weltweit machte 2009 einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro. „Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis“, sagt Ludwig Merckle, einer der Söhne Adolf Merckles. „Denn mit Teva ist ein starker neuer Eigentümer gefunden, der ein klares Bekenntnis zu den Standorten Ulm und Blaubeuren abgegeben hat.“ Es sei davon auszugehen, dass die gut 5500 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Teva hatte in Aussicht gestellt, seine Europa-Zentrale von Amsterdam nach Ulm und Produktion aus Teva-Werken zu Ratiopharm zu verlagern.

Die Übernahme von Ratiopharm ist eine von vielen: Schon seit Jahren durchläuft die Generikabranche eine Konsolidierung. 2005 hatte der Schweizer Pharmakonzern Novartis für rund acht Milliarden Dollar Hexal gekauft, 2007 verkaufte der Darmstädter Pharmakonzern Merck seine Generikasparte für rund 4,9 Milliarden Euro an den US-Pharmakonzern Mylan.

Das Generikageschäft gilt als Wachstumsmarkt, da in den kommenden Jahren zahlreiche Patente von Medikamenten mit Milliardenumsätzen auslaufen.

Auch in Deutschland ist das Geschäft lukrativ. Die Nachahmerpräparate machen Schätzungen zufolge mit 10 Milliarden Euro ein Drittel des Arzneimittelumsatzes der gesetzlichen Krankenversicherung aus. „Teva wollte gerne am deutschen Markt groß einsteigen“, sagt Gerd Glaeske, Gesundheitsökonom am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Durch den Kauf von Ratiopharm habe sich Teva eine starke Marke mit rund 300 Wirkstoffen gesichert. Durch die Übernahme von Teva könnten die mittelständischen Generikahersteller aber noch stärker als bisher unter Druck geraten. „Für viele kleine Betriebe ist es schon jetzt schwer, bei den Rabattverträgen der Krankenkassen mitzubieten“, sagt Glaeske. Das könne sich durch eine stärkere Konzentration auf große Anbieter noch verstärken. Mit einer Preissteigerung rechnet Glaeske nicht: „Solange der Wettbewerb funktioniert, werden die Preise nicht steigen.“ Auch Commerzbank- Analyst Uwe Treckmann geht nicht von höheren Preisen durch die Übernahme aus.

Teva erwartet vom Ratiopharm-Kauf in den nächsten drei Jahren Synergien von mindestens 300 Millionen Euro. Analysten äußerten sich positiv. „Die Übernahme wird Teva helfen, die Nummer zwei im deutschen Markt zu werden“, sagte Gilad Sarig von der Bank Hapoalim. Commerzbank-Analyst Treckmann attestiert einen strategisch guten Kauf, „allerdings nicht zum Schnäppchenpreis“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false